
Auf der Fashion Week in Kopenhagen hat die nigerianische Designerin Bubu Ogisi alte afrikanische Traditionen wieder aufleben lassen und macht sie zur Mode von morgen.
Mit Sonnenbrille, einem weiten Hemd, das als Kleid dient, und Schmuck aus mundgeblasenem Glas betritt Bubu Ogisi den privaten Salon des Hotels NH Collection. Acht Stockwerke tiefer tummeln sich auf den Strassen Kopenhagens Scharen von Influencern mit Bandanas im Haar (Fashion Week verpflichtet!), aber Bubu Ogisi gehört nicht wirklich zu dieser Gruppe: Ihre Mode steht für Spiritualität und Handwerkskunst aus allen Teilen Afrikas. Ihre fröhliche und gesprächige Persönlichkeit entspricht ebenfalls nicht den Klischees der aktuellen Designer. Die nigerianische Designerin hat gerade ihre neueste Frühjahr/Sommer-Kollektion 2026 auf der Fashion Week in Kopenhagen vorgestellt, wo sie den “Zalando Visonary Award 2025” gewonnen hat. Sie wurde in Lagos geboren und absolvierte die École Supérieure des Arts et Techniques de la Mode (ESMOD) in Paris. Sie lebt und arbeitet in verschiedenen Städten, darunter ihre Heimatstadt Lagos, Accra in Ghana, Abidjan an der Elfenbeinküste und Nairobi in Kenia. „Meine Mission ist es, ein anderes Gesicht des afrikanischen Know-hows zu zeigen“, sagt sie.
Die Textilien ihrer Kollektion reisen ebenso wie sie selbst durch Afrika. Die Angelschnüre stammen aus Nigeria, die Baumwolle aus Uganda, die Strickarbeiten aus Kenia und die Glasaccessoires wurden in Lagos und Kenia geblasen. Für Bubu Ogisi ist das Entwerfen ein Austausch, eine Weitergabe, ein Gespräch.

Sie sind die Gewinnerin des “Zalando Visionary Award 2025”. Was bedeutet das für Ihre Marke?
Das ist sehr wichtig für uns. Nicht nur wir Modedesigner aus Nigeria, sondern für alle, die aus dem afrikanischen Kontinent stammen. In jedem Bereich, in dem wir uns engagieren, versuchen wir, die Vorstellungen und Klischees gegenüber Afrikanern zu revolutionieren. Diese Gelegenheit ist eine unglaubliche Chance, unsere Kreationen zu zeigen.
Ihre Modenschau ist weit entfernt von den Klischees der Boubous und Wax-Stoffe, dennoch bleiben Ihre Silhouetten mit vielen drapierten Textilien, spektakulären Kopfbedeckungen und einer fast schamanischen Atmosphäre sehr afrikanisch. Was war Ihr Ausgangspunkt?
Wir wollten die Menschen in eine Art sichtbares und unsichtbares Reich entführen. Ich beschäftige mich gerne mit der Idee der Spiritualität, der Koexistenz von physischen und nicht- physischen Menschen. Wir wollten diese gegenseitige Wechselbeziehung durch die Verwendung verschiedener Fasern zeigen, durch die Art und Weise, wie wir mit ihnen interagieren, auch mit unseren Händen, wie wir Kunststoff mit Glas, Baumwolle mit Metall verschmelzen. Einfacher gesagt: Wir wollten auch eine neue Ära des Designs fördern, die Recycling, Handwerk und Innovation verbindet.


Sie sagen „wir“. Wie viele Mitarbeiter haben Sie im Studio und wie ist es zusammengesetzt?
Wir sind ein kleines Team. Unser Studio befindet sich in Lagos, aber wir arbeiten auch in verschiedenen anderen Gemeinden auf dem Kontinent. Diese bewusste und nomadische Suche dauert nun schon seit über zehn Jahren an. Alles begann, als ich noch sehr jung war und andere Länder als mein eigenes entdeckte. Durch meine Reisen über den Kontinent habe ich verstanden, wie Menschen sich durch verschiedene Traditionen, Kulturen und Stämme definieren und wie dies ihre Persönlichkeit prägt. Diese verschiedenen Ausdrucksformen zu vereinen, ist mein Beitrag zu ihrer Weiterentwicklung. Denn traditionelle Verfahren und Techniken werden monoton, wenn sie nicht durch Design und unterschiedliche Materialien erneuert werden. Das ist die Herausforderung: diese neue Idee des Öko-Designs oder der Öko- Innovation zu schaffen.
Wenn Sie Ihr Label IAMISIGO in einem Satz beschreiben müssten, wie würde dieser lauten?
Wow. Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, es ist ein Kommunikationsmittel zwischen dieser Welt und einer anderen Welt.
Ihre Website ist sehr interaktiv. Können Sie uns etwas mehr darüber erzählen?
Ich habe an der Universität Informatik studiert und messe diesem Fach grosse Bedeutung bei. Ich betrachte unsere Website als eine räumliche Installation. Sie existiert fünf Jahre lang, dann fangen wir für einen weiteren Zyklus wieder bei Null an. Dieser Prozess begann 2014, wurde 2019 abgebrochen und letztes Jahr wieder aufgenommen. 2029 wird eine neue Ära beginnen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der digitale Raum eng mit Spiritualität verbunden ist, ein Raum, den wir sehen, aber nicht berühren können, mit dem wir jedoch ständig interagieren.

Man sagt oft, Lagos sei das neue Zentrum für Stil und Mode. Was denken Sie darüber?
Das ist nichts Neues. Lagos war schon immer ein Synonym für Extravaganz. Als ich ein Kind war, mussten wir uns immer schick anziehen, auch wenn wir nicht viel Geld hatten. Selbst wenn wir nichts hatten, mussten wir immer gut gekleidet sein. Ich persönlich reise sehr gerne zwischen dem Osten, Westen und Süden des Kontinents hin und her. Kenia ist ebenfalls ein sehr reicher Kulturraum: In Sachen Stil und Mode befindet Kenia sich ebenfalls in voller Expansion. Das Gleiche gilt für den Senegal. Und vergessen wir nicht Südafrika, denn die multikulturelle Mischung dort ist sehr kreativ. Wenn ein Ort von einer besonderen Energie rund um Textilien und das durch Textilien weitergegebene traditionelle Know-how geprägt ist, spiegelt sich das darin wider, dass die Menschen heute Kleidung auf eine andere Art und Weise tragen.
Was ist das nächste Projekt für Sie und Ihre Marke?
Wir versuchen, Webstühle aus konventionellen Materialien zu bauen und so eine neue Generation von Handwerkskunst zu entwickeln. Aber mehr kann ich dazu im Moment nicht sagen.