Die Ewige Stadt unterzieht seine Kulturschätze einem Make-over – und wird dabei von italienischen Luxusmarken unterstützt. So wird die Area Sacra, bedeutungsvolle Überbleibsel des antiken Roms, dank Bulgari bald der Öffentlichkeit zugänglich sein.
Gebt dem kaiser, was des Kaisers ist: Der biblische Satz ist topaktuell, denn in der Stadt Cäsars ist gerade viel los. Der historische Ort, an dem der römische Kaiser im Jahr 44 v. Chr. ermordet wurde, wird ab kommendem Frühling wieder öffentlich zugängig sein. Gleichzeitig soll so ein Irrglaube korrigiert werden: «Julius Cäsar wurde nicht im Forum Romanum ermordet, wie viele meinen», sagt Monica Ceci, Konservatorin der Einrichtung Sovrintendenza Capitolina, die sich der Restaurierung des Kulturerbes der Stadt Rom widmet. «In Wahrheit passierte dies in der Kurie des Pompeius. Weil aber Shakespeare in seiner Tragödie ‹Julius Caesar› die Ermordung im Forum ansiedelte, hat sich dieser Irrtum in den Köpfen der Leute festgesetzt.»
Ceci koordiniert die Sanierungsarbeiten an der Area sacra und kann die Fertigstellung kaum abwarten. Das Ausgrabungsgebiet umfasst fast das gesamte Gelände des Largo di Torre Argentina, eines grossen Bereichs im Herzen des Marsfeldes im Nordosten des historischen Zentrums. Während in der umliegenden Stadt hektischer Betrieb herrscht, umgibt die Ruinen eine beeindru-ckende Stille. Am Tag unseres Besuchs im Oktober fallen einige Sonnenstrahlen auf die Überreste der Area sacra, die beim Abriss einer Kirche zu Beginn des 20. Jahrhunderts zum Vorschein kamen.
Restaurierung der Area Sacra
Neben den Resten der Kurie des Pompeius umfasst die Ausgrabungsstätte vier Tempel aus den Jahren 4 bis 2 v. Chr. «Es gibt kaum Überreste aus der republikanischen Zeit. Die vier Tempel der Area sacra sind zweifellos die ältesten von Rom, darum ist diese Ausgrabungsstätte auch so wichtig», erklärt Monica Ceci. Obwohl von allen Seiten gut einsehbar, ist das Areal aus Sicherheitsgründen nicht öffentlich zugängig. Nichtsdestotrotz ist es bei Antikefans sehr beliebt – wie auch bei Katzen. Erstere dürfen nun frohlo-cken; die Samtpfoten hingegen müssen sich wohl eine neue Bleibe suchen. In wenigen Monaten wird die Area sacra nämlich auf einem Steg überquerbar sein. Möglich gemacht hat dies die finanzielle Unterstützung des römischen Schmuckhauses Bulgari – in Höhe von fast einer Million Euro.
Italienische Luxusmarken als Verstärkung
Seit einigen Jahren schon eilen die grossen italienischen Luxusmarken den kulturellen Reichtümern ihres Landes, und ganz besonders der Stadt Rom, zu Hilfe. Italien beheimatet die meisten Einträge ins UNESCO-Welterbe: 58 insgesamt, 53 davon sind Weltkulturerbe. Diese historischen Schätze bringen freilich auch finanzielle Verpflichtungen mit sich. Jahrzehntelang verfolgten die Behörden eine strikte Politik, um eine Vermarktung des Kulturerbes zu verhindern. Mit leeren Taschen und aufgrund der dringlichen Situation sahen sie sich nun allerdings gezwungen, Spendengelder aus privater Hand anzunehmen. Angesichts der zerfallenden Mauern von Pompei startete bereits 2014 der damalige Regierungschef Marco Renzi einen entsprechenden Aufruf: «Italien ist das Land der Kultur. Daher frage ich alle Firmenchefs: Worauf warten Sie?» Seither werden auf nationaler wie regionaler Ebene steuerliche Ausgleichsmöglichkeiten im Rahmen von Restaurierungsspenden genehmigt.
Kulturgüter als Werbefläche?
Was aber auf keinen Fall geschehen soll: Dass die Kulturgüter zu Werbeflächen werden. Einige Ausrutscher gab es dennoch, die jedoch schnell korrigiert wurden. Während den Bauarbeiten an der Seufzerbrücke in Venedig beispielsweise waren auf den Abdeckplanen riesige Werbebanner von fragwürdigem Geschmack zu sehen. Nun soll also der Ewigen Stadt ein Facelifting verpasst werden – und wie Bulgari wollen auch andere italienische Marken ganz vorne mitmischen. Als Erstes war das Kolosseum dran. Das gigantische Restaurationsprojekt (Kosten: 25 Millionen Euro) wurde vom Schuhhersteller Tod’s finanziert. Dann kam 2015 der Trevi-Brunnen an die Reihe (ach, wir erinnern uns uns an die göttliche Szene mit Anita Ekberg in Fellinis «La dolce vita»!) – und Fendi liess für das Projekt «Fendi for Fountains» mehr als zwei Millionen Euro springen.
Bulgari trat 2016 erstmals auf den Plan und finanzierte die Restaurierung der Bodenmosaiken in den Caracalla-Thermen, die aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. stammen. «Bulgari ist als römischer Schmuckhersteller inmitten eines einzigartigen künstlerischen und architektonischen Umfelds angesiedelt, das unsere Kunsthandwerker tagtäglich inspiriert», sagte Bulgari-CEO Jean-Christophe Babin damals. Und so leistete sich die Firma zum 130. Jubiläum ihrer Gründung auch die Restaurierung der Spanischen Treppe, die von der Piazza di Spagna zur Kirche Santissima Trinità dei Monti hochführt, und an deren Fusse Sotirio Bulgari im Jahr 1884 sein allererstes Geschäft eröffnet hatte. Das Projekt wurde auf 1.5 Millionen Euro budgetiert – und kostete schlussendlich sogar weniger. So kam es, dass die eingangs erwähnte Sovrintendenza Capitolina Bulgari vorschlug, den Rest des Budgets in die Restaurierung der Area sacra fliessen zu lassen.
Win-win-Konstellation
In dieser öffentlich-privaten Zusammenarbeit wollen die Behörden die Oberhand behalten. «Wir sind in ständigem Austausch», betont Lucia Boscaini, Heimatschutzbeauftragte bei Bulgari. Abgesehen von den Steuervorteilen fällt der Gewinn gering aus und unterliegt vertraglichen Vereinbarungen. Laut der «Washington Post» hat sich Tod’s zum Beispiel ausbedungen, das Logo der Marke auf die Tickets fürs Kolosseum drucken zu dürfen. Fendi musste sich derweil mit einem dezenten Schild auf der rechten Seite des Trevi-Brunnens be-gnügen – «so gross wie eine Schuhschachtel», wie es Pietro Beccari, CEO von Fendi, formulierte.
Und Bulgari? «Wir möchten Kulturförderung und kein Sponsoring betreiben», erklärt Lucia Boscaini. Also Unterstützung ohne Gegenleistung. «Unser finanzielles Mittun dürfen wir jedoch kommunizieren. Das ist gut fürs Image, gibt der Marke Tiefe und erfüllt unsere Team mit Stolz.» Und: Das Schmuckhaus findet in seinen Kulturengagement sogar eine Ideenquelle. Das Fächermotiv der 2014 lancierten Kollektion «Divas’ Dream» etwa ist von den Bodenmosaiken der Caracalla-Thermen inspiriert. «Wenn wir dies so kommunizieren, wollen die Leute sehen, wo ihr Schmuck seinen visuellen Ursprung hat», sagt Lucia Boscaini. «Eine Win-win-Konstellation für uns und die Stadt.»
Caius Mæcena, der Ursprung des Patronats
Der historische Ursprung der Kulturförderung, auch Mäzenatentum genannt, geht übrigens aufs antike Rom zurück, genauer auf den Politiker und Kunst- und Literaturförderer Gaius Maecenas, der im 1. Jahrhundert v. Chr. lebte. Die von ihm ins Leben gerufene Tradition der bedingungsfreien Unterstützung von Kunst und Kultur wurde von reichen Familien der Papststadt, etwa den Borghese oder den Torlonia (siehe Box rechts), weitergeführt. Und jetzt haben also die grossen italienischen Luxusmarken den Stab übernommen. «Für uns ist das eine Frage der Verantwortung. Die Restaurierung der Area sacra bringt dem Stadtteil und der ganzen Stadt einen Mehrwert», bestätigt Lucia Boscaini. So könnte man sagen: Bulgari gibt dem Kaiser, was des Kaisers ist. Vor allem aber gibt Bulgari Rom zurück, was die Ewige Stadt der Marke geschenkt hat.
Wiederentdeckter Marmor
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts legte der Bankier Giovanni Torlonia (1754-1829), dessen Familie aus Lyon nach Rom aus-gewandert und dort zu Geld gekommen war, den Grundstein für die Torlonia-Sammlung. Giovannis Sohn Alessandro erweiterte diese auf über 600 Werke, und heute gilt sie als eine der wichtigs-
ten Sammlung von antiken Skulpturen weltweit. 96 Stück dieser «Marmi Torlonia» sind nun erstmals seit den 1970er-Jahren im Palazzo Caffarelli auf dem Kapitol in Rom zu sehen (eigentlich hätten es 97 sein sollen, aber ein besonders grosses Stück passte nicht durchs Tor). Die ausgestellten Büsten römischer Kaiser, Figuren der Mythologie, Flachreliefs und geheimnisvolle Porträts wie jenes der «Fanciulla da Vulci» (einer jungen Frau aus der ehemaligen Etruskerstadt Vulci, im Bild) wurden dank der finanziellen Unterstützung von Bulgari sorgfältig restauriert. Der Schmuckhersteller arbeitet seit ein paar Jahren eng mit der 2014 gegründeten Fondation Torlonia zusammen, die sich dem Erhalt der Sammlung sowie der Villa Albani widmet. In dem neoklassi-zistischen Gebäude, das seit 1866 im Besitz der Torlonia ist, stehen Hunderte Marmorskulpturen und antike Gegenstände aus der Familiensammlung. Das fast acht Hektar grosse Anwesen
ist nicht weit von der Villa Borghese entfernt und in seinem ursprünglichen Zustand erhalten. Die Villa Albani ist nicht öffentlich zugängig, empfängt aber auf Anfrage kleine Gruppen.
„Marmi Torlonia“, Palazzo Caffarelli, bis 9. Januar 2022, www.torloniamarbles.it