
Moden sind oft von der Vergangenheit inspiriert. Der aktuelle Trend lässt die 1970er-Jahre wieder aufleben - modern interpretiert.
Das Wort Newstalgia sagt Ihnen nichts? Keine Bange, die Wortneuschöpfung ist noch nicht mal in den Duden aufgenommen. Der Neologismus setzt sich aus den englischen Wörtern für «neu» und «Nostalgie» zusammen. Der Begriff Newstalgia bezieht sich auf die Vergangenheit, ist aber mit zeitgenössischen Elementen durchsetzt. Inspiriert ist Newstalgia von den 1970er-Jahren, einem Jahrzehnt, dessen kreative Freiheit das heutige Design stark beeinflusst.
Im Interieur-Design, in der Mode, in der Musik und im Kino gewinnen die poppigen Farben und psychedelischen Formen wieder an Boden. Mit seinem farbenfrohen, verspielten, aber immer geschmackvollen Stil interpretiert der Designer Jonathan Adler Vintage-Drucke mit breitem Grinsen neu. Von Dekorationsobjekten bis hin zu Möbeln erweist sich die zeitgenössische Neuinterpretation als eine der originellsten Signaturen der vergangenen Jahre. Derselbe Siebzigerjahre-Vibe kommt in der neuen Textil- und Teppichkollektion namens Newstalgia des Labels Radici zum Ausdruck. Die junge schwedische Designerin Tekla Evelina Severin, alias Teklan, überarbeitet die Muster der 1960er- und 1970er-Jahre, indem sie mit Farben und Proportionen spielt. Ihre Kollektion schmückt Innenräume mit grafischen Mustern in leuchtenden Farben aus, inspiriert von der Op-Art, deren geometrische Formen die Illusion von dreidimensionaler Tiefe erzeugen.

Eine der ersten Marken, die das Comeback der Vintage-Prints veredelt haben, ist La DoubleJ. Die von der US-Amerikanerin JJ Martin gegründete Marke bietet Ready-to-Wear- und Homeware in einer Technicolor-Ausführung an, die keine Tristesse aufkommen lässt. Der maximalistische Stil der in Mailand ansässigen Designerin wird von ihrer Besessenheit für Muster geleitet: «Als Vintage-Sammlerin wurde ich von der Magie der Mode, der Kraft gewagter Drucke und magnetischer Farben inspiriert», so Martin.
Die Postmoderne erobert die Popkultur
Was passierte also in diesen nahezu mythischen Siebzigerjahren, dass der heutige Zeitgeist immer noch so sehr davon inspiriert ist? Gegen Ende des Jahrzehnts eroberte die postmoderne Bewegung alle Bereiche der Populärkultur, einschliesslich Kunst, Kino, Grafik und Mode. Die aufkommende Umweltbewegung zelebrierte Erdtöne, neue Materialien ermöglichten experimentelle Entwürfe. Die Superfurniture-Kollektion von Seletti knüpft an dieses Erbe an, indem sie ein Patchwork aus Pistazienfarben und spielerisch-fantasievollen Hybridisierungen bietet. Für das Designerkollektiv Hello Again drückt sich die lebhafte Dynamik dieser Zeit durch wiedergefundene Spontaneität und Freiheit aus.
Auch das Pariser Innenarchitekturstudio Univers Uchronia hat sich auf die Kunst der Neuinterpretation spezialisiert. Inspiriert von historischen Referenzen, die aus ihrem Kontext gelöst worden sind, haben die Designer alte Zierdecken in begehrliche XXL-Objekte verwandelt. Die Upcycling-Bewegung holt sie aus dem Estrich oder aus der Schublade und entstaubt sie, um sie als strukturierte Teppiche neu zu beleben, hergestellt mit verschiedenen Knüpf- und Häkeltechniken. Herausgegeben von CC-Tapis, illustriert die Kollektion namens Swirl perfekt das Konzept der Newstalgia: eine Kollision zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die ein idealisiertes Gestern in eine innovative Inspirationsquelle verwandelt, ohne ihm nachzuweinen.
Auch grosse Hersteller reiten auf der Welle des Seventies-Geistes, insbesondere Roche Bobois. Seit mehreren Kollektionen suhlt sich die Marke förmlich in den fröhlichen Popfarben und runden Formen dieser Ära. Man denke an den organischen Cosmiq-Sessel von Christian Ghion in der Farbe Fuchsia oder an die Nonette-Lampe von Cédric Ragot.
Rückkehr des Space Age
Die Kreationen erinnern an die Space-Age-Bewegung, die in den 1960er-Jahren in den USA entstand, als der Weltraum erobert wurde und futuristische Formen und glänzende Oberflächen zelebriert wurden. Der Radiophonograph von Brionvega, der die Geschichte des italienischen Designs geprägt hat, feiert dieses Jahr sein 60-Jahr-Jubiläum und kehrt auf die Hightech-Bühne zurück. Er ist im Originaldesign der Brüder Castiglioni erhältlich und verbindet seinen retrofuturistischen Charme mit einer aussergewöhnlichen Klangqualität. Auch andere ikonische Modelle dieser Zeit tauchen wieder auf, angepasst an unsere modernen Bedürfnisse. Im Jahr 1970 wurde Brionvega mit dem renommierten Preis «Compas d’Or» für den Einsatz der besten Designer ausgezeichnet. Auch heute noch begeistert der Mix aus Design und Technologie. Auf in die Vergangenheit!
