Peter Zumthor, 1943 in Basel geboren, gehört mit seinen aussergewöhnlichen Gebäuden zweifellos zu den wichtigsten Protagonisten der modernen Schweizer Architektur. Sein Stil ist geprägt von natürlichen Materialien, von Licht, das den Raum formt, und von der Monumentalität vieler seiner Werke.

Ich bin ein Phänomenologe. Mich interessiert, wie man die Dinge sieht, berührt, riecht, hört und empfindet… Es geht um eine Menge an Empfindungen, nicht um etwas Intellektuelles.

Der Architekt begann seine Karriere als Tischler (ausgebildet von seinem Vater), was von vielen als wesentlicher Bestandteil seines tiefgreifenden handwerklichen Ansatzes angesehen wird. Jedes seiner Projekte ist eng mit dem Raum verbunden, in dem es steht, und wird entsprechend der Art und Weise, wie es genutzt werden soll, perfektioniert. Peter Zumthor studierte Innenarchitektur an der Schule für Gestaltung in Basel und anschliessend am Pratt Institute in New York. Im Jahr 2009 wurde seine Arbeit mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet.

1. Eine Träne aus Holz – Die St. Benedikt-Kapelle in Sumvitg, Graubünden, Schweiz, 1988


Die Kapelle wurde erbaut, um ein barockes Gebäude zu ersetzen, das durch eine Lawine zerstört wurde. Die Auftraggeber wünschten sich einen zeitgenössischen Bau, aber gleichzeitig etwas, das die Zeit überdauern und zukünftige Generationen ansprechen würde. Peter Zumthor entwarf in dieser alpinen Region eine Struktur in Tränenform, die durch traditionelle Lärchenschindeln geschützt wird. Die ziegelsteinroten Schindeln werden bei Regen wie durch eine magische, aber auch natürliche Metamorphose schwarz. Eine durchgehende Lichtquelle an der Oberseite der Aussenwand betont zusätzlich die Form der Kapelle. Wie viele andere Projekte von Peter Zumthor zeichnet sich auch dieses durch eine besondere Harmonie und Ausdruckskraft aus, die in Zusammenhang mit der Einbindung des Objekts in die Landschaft und der Sorgfalt für jedes Detail steht.

Dorf Sumvitg, Graubünden

2. Den Berg erschaffen – Die Therme Vals, Graubünden, Schweiz, 1986-1996

Zu jener Zeit hatte der junge Peter Zumthor nur wenig gebaut und so glich die Entscheidung, ihm dieses Projekt anzuvertrauen, einem Glücksspiel. Letztendlich war es ein voller Erfolg, die Thermalbäder von Vals erlangten bereits bei ihrer Eröffnung einen ikonischen Status und wurden sofort als historisches Denkmal eingestuft. Die Vision ist radikal: 60 000 lokale Quarzitplatten bilden etwa fünfzehn Blöcke und erinnern an einen von Menschenhand erschaffenen geometrischen Berg.

Die Ästhetik im Blockhausstil steht stark im Kontrast zum unterhalb gelegenen malerischen Dorf. Die Gesamtwirkung, die ebenfalls auf Licht und Schatten basiert, ist die einer Kirche. Automatisch möchte man die Stimme senken und den Kopf vor der Grösse dieser Erscheinung verneigen. Das Verhältnis zum Wasser (eine 30-Grad-Quelle) hat fast etwas Sakrales: Es gibt verschiedenen Becken mit unterschiedlichen Erlebnissen. Der Hotelkomplex trägt den Namen 7132, wie die Postleitzahl des Dorfes Vals.

Therme und Hotel, 7132 Hotel Vals, ganzjährig geöffnet, 7132 Vals, www.7132.com

3. Eine religiöse Seele – Das Diözesanmuseum Kolumba, Köln, Deutschland, 2007

Man kann in dem Gebäude einen Ruinengarten sehen, einen geheimen Ort im Zentrum von Köln. Doch es handelt sich auch um eine archäologisch äusserst bedeutende Stätte. Die gotische Kirche St. Columba, die ursprünglich an der Stelle des heutigen Kolumba-Museums stand, wurde im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört und in den 1950er-Jahren durch eine Kapelle ersetzt. Das von Peter Zumthor entworfene neue Gebäude integriert die Überreste des alten Bauwerks und seine gotischen Bögen in eine eindeutig zeitgenössische Struktur aus grauem Backstein.

Diese Fassade schützt die archäologischen Ausgrabungsstätten, die Kapelle und 16 Ausstellungsräume. Jede Epoche wird so hervorgehoben, aber auch mit den anderen dieses Orts verbunden. Die Dauerausstellung enthält einige spektakuläre Meisterwerke der religiösen Kunst von der Spätantike bis zur zeitgenössischen Kunst (unter anderem von Joseph Beuys, Antoni Tapies, Roni Horn oder Louise Bourgeois).

Kolumbastrasse 4, 50667 Köln, täglich von 12:00 bis 17:00 Uhr geöffnet ausser dienstags. Bis zum 14. August zeigt die temporäre Ausstellung Werke, die von Schülern unter der Schirmherrschaft des französischen Filmemachers und Künstlers Eric Beaudelaire geschaffen wurden.

4. Eine mystische Erfahrung – Die Kapelle von St. Nikolaus von Flüe, Wachendorf, Deutschland, 2007

Die kleine Bruder-Klaus-Kapelle auf dem Land, etwa vierzig Kilometer von Köln entfernt, zeigt eindrucksvoll, dass Peter Zumthor mit begrenzten Mitteln Grosses erreichen kann. Die Initiative geht auf Hermann Josef Scheidweiler zurück, einen Bauern aus Wachendorf, der den Wunsch hatte, einen Andachtsort auf seinem Land zu errichten, um für die Wohltaten zu danken, die er in seinem Leben erfahren hatte. Mit seiner Familie und seinen Freunden sammelte er Geld und ersuchte den renommierten Architekten –  beeindruckt von seiner Arbeit am Kolumba-Museum – um seine Unterstützung. Es war ein Glücksfall: Peter Zumthors Mutter verehrte den Schweizer Asketen Bruder Klaus aus dem 15. Jahrhunderts auf ganz persönliche Weise. Der Architekt nahm den Auftrag schlussendlich zu einem symbolischen Betrag an. Aus der Ferne ist die Konstruktion ein zwölf Meter hoher Betonobelisk, der sich vor einem Waldrand erhebt. Aus der Nähe betrachtet stellt man jedoch fest, dass die Form nicht so einfach ist, wie es den Anschein hat: Eine niedrige Struktur verläuft wie eine Bank entlang der gesamten Fassade und lädt zum Verweilen ein. Eine dreieckige Tür verspricht einen geheimnisvollen Innenraum. Dieser ähnelt einem riesigen Tipi, dessen tropfenförmige Spitze zum Himmel hin offen ist – und den Regen hereinlässt. Tatsächlich basiert das Gebäude auf einer Art Zelt, das aus 112 Baumstämmen heimischer Fichten besteht, auf das dann Beton gegossen wurde. Das Holz wurde anschliessend verbrannt und hinterliess seine Spuren in Form von mit Russ geschwärzten Linien auf dem Beton. Der Boden besteht aus Blei aus nahegelegenen Minen, das mit Kies, Sand und lokalem Zement vermischt ist. Auch hier haben die geschmolzenen Bleistücke (das Schmelzen dauerte drei Wochen) durch die Hitze zufällige Kurven gezeichnet. Und natürlich gibt es eine Bank, ein paar Kerzen, bei denen die Besucher gebeten werden, zur Beleuchtung beizutragen, und eine zeitgenössische Skulptur von Bruder Klaus.

Wachendorf, in der Nähe von Mechernich, im Landkreis Köln. Geöffnet von 10:00 bis 16:00 Uhr (im Winter) oder 17:00 Uhr (im Sommer). Ein beliebtes Wanderziel.

5 – Die Geheimnisse des hohen Nordens – Das Hexendenkmal, Vardø-Insel, Norwegen, 2011

Das Steilneset-Denkmal, entstanden aus einer Zusammenarbeit zwischen der Künstlerin Louise Bourgeois (es ist ihr letztes Werk) und dem Architekten Peter Zumthor, steht an den Ufern der Meerenge, welche die Insel Vardøya von der norwegischen Küste trennt, ganz in der Nähe der Stadt Vardø. Das Mahnmal besitzt eine leichte Struktur, die wie ein seltsames Insekt am Felsen hängt.

Im düsteren 17. Jahrhundert wurden hier in einem Zeitraum von 100 Jahren etwa 90 angebliche Hexen verbrannt – angeklagt des Pakts mit dem Teufel. Das Werk ist Teil eines umfassenden norwegischen Projekts für Touristenstrassen, das mit Bauwerken die bemerkenswerten Aussichtspunkte des Landes markiert. Zwei separate Gebäude bilden dieses Denkmal und zeigen, um Peter Zumthors Worte zu verwenden, „eine Linie und einen Punkt“. Die Struktur umfasst einerseits die Installation des Architekten, genannt Memory Hall, in Form eines langen, von einem Holzrahmen getragenen Kokons aus Stoff. Auf der anderen Seite ist da die Installation von Louise Bourgeois, genannt The Damned, The Possessed, The Beloved: ein Würfel mit von Rauch getönten Glasscheiben.

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