Seit 1930 stellt die Firma Aarios in Gretzenbach (SO) Velos aus Stahlrahmen her – und nichts anderes. Massanfertigungen sind die Kür.

Seine Begeisterung facht über wie ein Buschfeuer. Seit fast 50 Jahren baut Arnold Ramel Velos mit Stahlrahmen, und zwar – daran besteht für ihn kein Zweifel – die allerbesten der Welt. Produziert werden sie unter dem Namen Aarios in einem kleinen Fabrikgebäude im solothurnischen Gretzenbach. «Wir bauen Fahrräder mit Stahlrahmen und sonst nichts!», steht auf einem Plakat am Eingang. Man setzt auf Bewährtes.

«Bis Ende des 20. Jahrhunderts wurden Velos vorwiegend aus Stahl gefertigt. Erst in jüngerer Zeit hat die Industrie begonnen, mit Materialien wie Aluminium oder Karbon zu experimentieren.» Wieso, ist Ramel ein Rätsel. «Stahl hat eine sehr hohe Festigkeit, ist flexibel, langlebig und weist eine günstige Energie- und Ökobilanz auf – und unsere Rahmen sind bei gleicher Preislage kaum schwerer als diejenigen aus Aluminium. Das leichteste Velo, das wir produzieren, wiegt gerade mal sieben Kilo.»

Die Speichen werden von Hand in die Räder eingesetzt und mit einer speziell dafür konzipierten Maschine millimetergenau angezogen.


Rund 20 verschiedene Fahrradtypen werden in Gretzenbach hergestellt, von Reisevelos über Old-School-Velos bis hin zu sportlichen Gravel-Bikes. Ihre Rahmen sind in jeweils 14 Standardabmessungen erhältlich – sowie 14 Sondergrössen für all jene mit aussergewöhnlichen Körperproportionen. «Andere Hersteller bieten gerade mal drei bis vier Rahmengrössen an, sie sind alle für Menschen zwischen 1,65 und
1,85 Metern konzipiert.» Wer nicht über Normmasse verfüge, finde im Handel kein zu seinem Körper passendes Velo. Da müssen Spezialanfertigungen her. «Der grösste Mensch, den wir mit einem passenden Velo ausgestattet haben, mass 2,17 Meter und trug Schuhgrösse 57.»


Jedes von Aarios produzierte Velo wird nach einem persönlichen Beratungsgespräch auf Bestellung angefertigt. Dazu gehören je länger je mehr auch Elektroantriebe. Im Schweizer Antriebstechnologieunternehmen Maxon fand Ramel den perfekten Partner – bis dieser die kleinen Velomotoren vergangenes Jahr aus dem Sortiment nahm. An der Nachfolgelösung arbeite er noch. «Es ist aktuell schlicht nichts anderes gut genug.»

Das Pulver wird verbacken

Nachdem definiert worden ist, welche Kombination von Rohrlängen gebraucht wird, werden die Rohre in eine Maschine gespannt und in die Muffen gepresst – so werden die Bauelemente genannt, die Rohre miteinander verbinden. Dann lassen Ramel und sein Team die Funken sprühen: Es wird gelötet. «Im Vergleich zum Schweissen arbeitet man beim Löten mit tieferen Temperaturen, zwischen 600 und 900 Grad Celsius. Das verhindert, dass das kristalline Gefüge des Rohres Schaden nimmt.»

Beim Grundieren wird der Stahlrahmen erst elektrostatisch aufgeladen und dann per Spritzpistole mit weissem Pulver beschichtet.

Nach einem Säurebad, das den Stahl von Rückständen von Fett und dem Lötflussmittel Borax befreit, wird der Rahmen in einem auf 60 Grad Celsius geheizten Phosphatierbad mit einem Unterrostschutz versehen, der gleichzeitig als Haftvermittler dient. Denn jetzt wird sich dem Erscheinungsbild des Rahmens gewidmet. Zeit für das Pulverbeschichten! Zuerst wird grundiert. Dazu wird der Stahl elektrostatisch aufgeladen und mit feinem weissem Pulver besprüht. «Wie Puderzucker auf einer Kirschtorte», sagt Ramel schmunzelnd. Die Pulverbeschichtung wird bei 185 Grad Celsius zu einem plastikartigen Überzug verbacken. In einem letzten Arbeitsschritt wird die eigentliche Rahmenfarbe – es stehen rund 70 Töne zur Auswahl – gepulvert, und als Finish wird der Rahmen wahlweise mit mattem oder hochglänzendem Lack überzogen.

Es wird mit tiefen Temperaturen gelötet, um den Stahl zu schonen.


Die Velos, die rund drei Wochen nach Bestellung zur Abholung bereitstehen, werden von Anfang bis Ende in Gretzenbach zusammengebaut. Das beginnt beim Einsetzen und Spannen der Speichen und endet bei der Montage von Sattel, Lenker und Gangschaltung sowie sämlichen weiteren Extras, die die Kundschaft wünscht. Eine Aufgabe, die rund ein Dutzend Mitarbeitende auf Trab hält. Allen voran Arnold Ramel. Die Aktien der Firma hat er bereits vor Jahren an seine Tochter und einen seiner zwei Söhne überschrieben. Von Ruhestand will der 78-Jährige aber nichts wissen: «Man braucht Kontinuität, auch im Alter, man braucht eine Aufgabe im Leben, etwas, das einem Freude bereitet. Und das hier macht mir Freude. So einfach ist das.

Die einzelnen Stangen werden zu Rahmen gepresst.

Arnold Ramel

Ursprünglich hat der Solothurner an der Gewerbeschule in Zürich Elektromaschinenbauer gelernt. Ramel übernahm 1976 das 1930 gegründete Unternehmen Aarios von seinem Vorgänger. Er sei in einfachsten Verhältnissen aufgewachsen und während der Erdölkrise felsenfest überzeugt gewesen, dass sich die Menschen in absehbarer Zukunft keine Autos mehr werden leisten können. Die Aktien der Firma hat Ramel inzwischen an die nächste Generation überschrieben – seine Leidenschaft fürs Velo aber bleibt.