Die Klimaerwärmung lässt den Fächer ein revival erleben. Im Sommer als Abkühlung, im Winter als schickes Accessoire. Der unverzichtbare Damenbegleiter von einst kommt nun als stilvolle Unisexversion zurück.

In einen schwarz-goldenen Paillettenanzug gekleidet und mit wehenden Haaren klappte sie ihn verheissungsvoll auf. Beyoncés schwarzer, mit Strasssteinen besetzter XXL-Fächer, der auf ihrer letzten «Renaissance»-Tour Teil der Choreografie für ihren Song «Heated» war, ist ein echter Hingucker. Die etwas weniger luxuriöse, aber ebenso begehrenswerte Merchandising-Version des Fächers wurde schnell zum Must-have der Fans. Von der Zeitschrift «Vogue» als unverzichtbares Accessoire bezeichnet, zeigt sich der Fächer stolz auf der Lebensbühne Strasse.


Diesen frischen Wind spürt auch Eloïse Gilles. Im Jahr 2010 beschloss die Kunsthandwerksliebhaberin zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Raphaëlle Le Baud, das berühmte, 1827 in Paris gegründete Fächerhaus Duvelleroy, das seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs einen Dornröschenschlaf gehalten hatte, wiederzubeleben. Die beiden Partnerinnen tauchten in die Archive ein und entdeckten die Plisseeform in den Schränken des Familienerben Michel Maignan. Sofort machten sie sich auf die Suche nach Handwerkern, die mit Falten, Federn und Holz umgehen konnten, um die Herstellung dieser alten Accessoires mit einem Hauch von «Kühnheit und Traum» wiederzubeleben. Die Duvelleroy-Fächer, die in Zusammenarbeit mit jungen zeitgenössischen Künstlern als Prêt-à-porter-Modelle oder im Auftrag grosser Häuser als Luxusaccessoires angeboten werden, stehen wieder im Rampenlicht: von der Met-Gala bis zu den Terrassen der Grand Hotels am Meer. «Seit zwei Jahren verspüren wir eine starke Nachfrage, unsere Verkaufszahlen haben sich verdoppelt», sagt Gilles. «Natürlich bringt er Abkühlung an heissen Tagen. Aber der Fächer ist auch von Festen und Festivals nicht mehr wegzudenken. Eine immer jüngere Kundschaft trägt ihn wie ein eigenständiges Modeaccessoire.»

2023 – Sängerin Beyoncé auf ihrer „Renaissance“-Tour.

Die Anfänge reichen bis in die Antike

Dieses nützliche, oft dreieckige Stück Stoff hat im Laufe der Jahrhunderte alle möglichen Rollen gespielt. Vom schlichten Objekt, das frischen Wind bringt, zum Statussymbol, Kunstwerk oder Werbeartikel. Es diente als Schleier für das Lächeln der Geishas, als Filter für die Persiflagen der Hofdamen und als unentbehrliche Verlängerung der Hände für die flamboyanten spanischen Flamencos.


Die ersten Exemplare gehen zurück auf die Antike. Für die Herstellung des ägyptischen Flagellums, einer Herrschaftsinsignie, oder des griechischen Ripis wurde eine feste Fläche aus geflochtenen Pflanzen oder Stoff verwendet. Sie diente sowohl zur Erfrischung als auch zur Abschreckung von Insekten. In ihren luxuriösesten Ausführungen bestanden sie aus Myrten- oder Lotusblättern, Pfauen- oder Straussenfedern und sogar aus Pferdehaaren, die an einem Griff aus Edelholz befestigt waren.


Im 7. Jahrhundert erfanden die Japaner den Sensu, einen faltbaren Fächer, der von Fledermausflügeln inspiriert war – diesem mysteriösen fliegenden Säugetier verdankt das Accessoire auch seinen ersten Namen Komori. Während sich das geniale System in China und später in Fernost verbreitete, brachten es die portugiesischen Entdecker im 16. Jahrhundert aus den Kolonien mit. Die Europäer versetzte es in helle Aufregung, vor allem Katharina von Medici, die ihren Fächer in Italien überall zur Schau trug. Dieses Accessoire hat Grösse! Ein königliches Zepter in weiblicher Form, sagten unterwürfige Höflinge. Andere spotteten, dass man damit ein hässliches Gebiss verbergen könne … Katharina und ihre jüngere Cousine Maria de Medici blieben unbeeindruckt und sorgten durch ihre Ehen auch am französischen Hof für eine frische Brise. Das kostbare Accessoire wird übrigens häufig von Parfümeuren hergestellt, da man mit ihm auch Wohlgerüche in Räumen verteilen kann.

1555 – Katharina von Medici war eine erste Botschafterin des Fächers.

Statussymbol und Kunstwerk

1678 führte Ludwig XIV die Zunft der Fächermacher ein: Sie sollten die Fächer plissieren und zusammensetzen, während die Tischler Fächer aus Holz oder Edelmetall herstellten. Stäbe aus Perlmutt, Elfenbein oder Schildpatt, Intarsien und Seiden- oder Goldfäden veredelten die kleinen Schmuckstücke, die zur Hochzeitsausstattung gehörten. 1760 erfand ein Mann namens Martin Petit eine Plisseeform, die eine schnellere Produktion ermöglichte und zur Verbreitung des Objekts beitrug, das nun seine Blütezeit erlebte.

1760 – Eine Form aus Karton, in die der Stoff eingelegt wird.


Zu dieser Zeit soll der Fächer auch seine eigene nonverbale Sprache mit sich gebracht haben, und zwar bei den korsettbehafteten Damen der feinen Gesellschaft. Wie sich herausgestellt hat, war dieser Geheimcode wahrscheinlich eher eine Marketingmassnahme: Die Londoner Filiale von Duvelleroy, die auch Königin Victoria belieferte, soll eine Broschüre mit den Codes dieser angeblichen Sprache herausgegeben haben, um ihren Produkten eine mysteriöse Note zu verleihen.

1765 – Das Pamphlet mit den angeblichen Geheimcodes des Fächers.


In der Schweiz hat der Maler und Graveur Johannes Sulzer, der sich nach einer Karriere als Goldschmied in Paris in Winterthur niederliess, besondere Stücke geschaffen, von denen heute zwölf im Schweizerischen Nationalmuseum aufbewahrt werden. Die Fächer bilden im Scherenschnitt kleine Szenen aus dem Leben ab und sind mit seiner persönlichen Note verschönert worden, das heisst mit etwas Silberstaub, der dem Stoff das Aussehen von Seide verleiht.


Als aristokratisches Symbol erlebte der Fächer während der Revolution von 1789, als die Accessoires des Hofes aus der Mode kamen, seinen Niedergang. Als die Gräfin von Berry 1829 einen Ball in den Tuilerien veranstaltete, feierte er jedoch schon wieder sein Comeback. In Paris gab es daraufhin immer mehr Fächermacher. Zu ihnen gehörten Alexandre, Kees und Duvelleroy. Das Accessoire erlebte Höhen und Tiefen bis in die Roaring Twenties, als Modelle aus Federn den Rhythmus der Charleston-Schritte bestimmten. Die Sammler rissen sich um die Modelle, die von den Malern des Impressionismus und der Nabis, darunter Paul Gauguin, entworfen wurden.

1829 – Der Fächer verschwand mit der Französischen Revolution, tauchte aber 1829 bei einem Ball in den Tuilerien wieder auf.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Fächer zum ultimativen Verbündeten bei Hitzewellen wurde, geriet er in den 1980er-Jahren wieder in Vergessenheit und wurde nur noch von Paradiesvögeln in Nachtclubs eingesetzt. Modezar Karl Lagerfeld machte den Fächer zu einem seiner Lieblingsaccessoires: «Es war die Zeit des Studio 54», erklärte er. «Es gab keine Klimaanlagen, alle rauchten, die Luft war unerträglich. Ich hatte die Idee, einen Fächer zu benutzen, und er wurde sehr schnell unverzichtbar …»

1991 – Karl Lagerfeld mit Topmodel Linda Evangelista und seinem Lieblingsobjekt..

Heute ist der Fächer demokratisiert, modernisiert und in zig Varianten erhältlich. Er findet sich sowohl in Frauen- als auch in Männerhänden und erlebt einen neuen Aufschwung. Eloïse Gilles bedauert jedoch: «Heute gibt es in Europa nur noch ein Dutzend Personen, die in der Lage sind, Modelle für die grossen Modehäuser anzufertigen.» Sie lässt ihre Prêt-à-porter-Modelle in Spanien und besonders extravagante Bestellungen von einem der wenigen Handwerker in Frankreich anfertigen, die noch die Techniken des Fächermachens beherrschen.


Dennoch scheint der Erfrischung bringende Fächer eine glänzende Zukunft vor sich zu haben – als stilvolle Art und Weise, auf die Klimaerwärmung zu reagieren.