Benoît Peverelli ist ein blitzschneller Fotograf. Das ist selten der Fall bei denjenigen, die das Spektakel der Mode festhalten. Wenn der 54-jährige Schweizer eine Serie shootet – und die Leser dieses Magazins kommen oft in den Genuss seines wachen Auges –, zückt Peverelli plötzlich wie beiläufig seine Kamera, während er spricht, und schwups ist das perfekte Bild im Kasten.
Es ist zweifellos seine Intuition für Kompositionen, die etwas unkonventionelle Art, das einzufangen, was niemand sonst sieht, der Instinkt eines Fotoreporters (er begann seine Karriere bei der Genfer Lokalpresse), die ihn zum Haus- und Hoffotografen hinter den Kulissen der Chanel-Modenschauen machten. Von 2010 bis zur letzten Show des grossen Karl Lagerfeld im März 2019 folgte ihm Peverelli (rituell gekleidet in eine lange Tunika über engen Jeans) wie sein Schatten vom Laufsteg zur Anprobe, von der Prêt-à-porter über die Haute Couture bis hin zu den Cruise-Kollektionen.
Ein erstes Buch, das schnell vergriffen war, erschien 2018 mit einem Vorwort von Karl Lagerfeld. Die neue Version, die vom Kunstverlag Steidl herausgegeben wird, ergänzt die Erstauflage mit den letzten Saisons des kreativen Karl, hält den Übergang fest, den Virginie Viard vollzogen hat. Auf 2130 Bildern (!) entsteht so ein intimer Einblick in das vergängliche und zugleich ewige Konstrukt Mode. So viel Talent, so viele Details, so viele Lächeln, so viele zweifelnde Blicke, so viele Organzablumen … Peverelli sieht sein Buch als Dankeschön an all die Ateliers, all die Handwerker, die es «ertragen haben, dass er ihnen auf die Pfoten schaut». Es ist das Zeugnis einer Ära.
CHANEL – Fittings and Backstage, 4 Bände, 1460 Seiten, auf Englisch, ca. 219 Fr., Verlag Steidl.