
Eine neue Generation von Einrichtungen, die medizinisches Fachwissen und Luxushotellerie vereinen, bietet Retreats an, die Langlebigkeit und Genuss verbinden. Reportage aus einem Palast des Wohlbefindens.
Vor dem Pool breitet ein majestätischer Mammutbaum seine Äste aus und beweist, dass man nur ausreichend Energie braucht, um der Zeit und selbst der Vergänglichkeit von Schönheit zu trotzen. Diese schönen Falten… Wir tasten die Rinde mit den Fingerspitzen: Vielleicht hat diese 220 Jahre alte Naturgewalt uns ein paar Lektionen fürs Leben zu vermitteln? Eingewickelt in einen weichen weissen Bademantel, stehen wir inmitten einer hügeligen Landschaft, eine Stunde von Rom entfernt. Willkommen in der Belle-Époque-Architektur des «Palazzo Fiuggi»!
Wie der Baum ist auch dieser Ort ein wenig magisch, denn die heilenden Kräfte des lokalen Quellwassers sind seit der Antike bekannt. Im Mittelalter kam Papst Bonifatius VIII. und in der Renaissance Michelangelo, um das reinigende Wasser zu trinken. Der Legende nach – natürlich! – konnte die Sixtinische Kapelle nur dank dieser belebenden Flüssigkeit fertiggestellt werden. Sie soll den Maler von seinen Nierensteinen befreit haben. Kein Wunder, dass 1913 in diesem Tal mit seinem privilegierten Klima ein grosses Thermalhotel namens «Palazzo della Fonte» eröffnet wurde: König Viktor Emanuel II. weilte hier, aber auch die High Society des vergangenen Jahrhunderts, von Pablo Picasso über Ingrid Bergman bis hin zu Luigi Pirandello und König Faruq. Seit 2021 setzt der prächtig renovierte Palast dieses Thermalerbe in eine futuristische Vision um: Hier entsteht ein Zentrum für Langlebigkeit, das die medizinischen Innovationen einer Klinik mit dem raffinierten Komfort eines exklusiven Hotels verbindet.
«Wir bieten eine Lebenseinstellung, ein Bewusstsein», schwärmt Andrea Prevosti, Direktor des Zentrums. «Diese einzigartige Erfahrung kann das Leben der Menschen verändern, dank eines personalisierten Programms, das auf vier Säulen basiert: dem besonders günstigen und inspirierenden Ort, der medizinischen Betreuung, der Förderung von Bewegung und dem Genuss einer gesunden Gastronomie. Man muss nicht leiden, um gut zu leben.» Der Erfolg dieses Ansatzes wird zum vierten Mal in Folge mit dem Titel «Bestes Wellness-Retreat der Welt» bei den «World Spa Awards» ausgezeichnet – einer Art «Goldene Palme» des Wohlbefindens.
Klinik gegen Hotel-Spa
Langlebigkeit! Das ist derzeit das höchste Ziel der gesamten Wellnessbranche. Dabei geht es nicht darum, das Leben zu verlängern, sondern sich eine hohe Lebensqualität bis ins hohe Alter zu erhalten. Und die Wege dahin sind vielfältig. Vor allem zwei Bereiche konkurrieren um die Kundschaft der Anti-Aging-Retreats. Auf der einen Seite stehen Spezialkliniken, die auf Spitzentechnologie setzen.
In diesem Bereich ist die Schweiz Vorreiterin, insbesondere mit der legendären «Clinique La Prairie» am Ufer des Genfersees, die seit 1931 eine Vorreiterrolle einnimmt. Sie hat sich mit ihrem hochspezialisierten Ansatz der Epigenetik, der Wissenschaft, die untersucht, wie unsere Gene durch unseren Lebensstil beeinflusst werden, einen Namen gemacht und strebt danach, dieses Know-how in die ganze Welt zu exportieren. Das Angebot für eine reife und (sehr, sehr) wohlhabende Kundschaft ist derzeit an sechs Standorten in Europa, Asien und am Golf verfügbar – 40 weitere Dependancen sind für das nächste Jahrzehnt geplant.
Die Konkurrenz schläft nicht: Hervorzuheben sind auch das Zentrum für Altersprävention der «Clinique de Genolier» in der Nähe von Nyon oder das «Buff Medical Resort», das vergangenes Frühjahr am Ufer des Bodensees eröffnet hat. Neben vielen anderen Innovationen des Resorts haben die Zimmer einen Luftdruck, der dem in einer Höhe von 4000 Metern über Meer entspricht. So soll die Zellregeneration angeregt werden.
Der andere Trend umfasst Hotels, die auf eine ruhige Umgebung setzen und ihr Spa-Angebot kontinuierlich ausbauen und spezialisieren. So erweitert das «Waldhotel by Bürgenstock» in der Nähe von Luzern gerade sein Angebot an Yogakursen und die Schwimmbadflächen. Michel Reybier, der als Aktionär des Swiss Medical Network einer der wichtigsten Akteure im Schweizer Gesundheitssektor ist, hat seinerseits das medizinische Know-how seiner Marke Nescens in das luxuriöse Umfeld von acht seiner Hotels eingebracht.
Ob «La Réserve» in Genf, der «Schweizerhof» in Zermatt oder «La Réserve» im französischen Ramatuelle – alle bieten neue ganzheitliche Behandlungen an, bei denen jeder seinen Frieden mit dem Älterwerden machen kann. Selbst die berühmte Hotelkette Aman erfindet sich mit ihren neuen «Zentren für Langlebigkeit» in Japan, Marokko oder Indien neu. Dabei geht es um traditionelle medizinische Behandlungen, aber auch um Meditation und Spiritualität. Mithilfe des Tennisspielers Novak Djokovic wurde gar ein spezielles Programm namens «Detox-Wege zur Langlebigkeit» entwickelt. Die Wege zu einem langen, gesunden Leben sind unergründlich …
Aber zurück zum «Palazzo Fiuggi» und seiner Definition von Gesundheit. Die Einrichtung balanciert geschickt an der Schnittstelle zwischen Klinik und Luxushotel. Die Kurgäste (Mindestaufenthalt drei Tage) werden von einem (Jung-)Brunnen empfangen, in dem Engelchen einen Fisch necken. Der Ton ist gesetzt: ein lächelnder Luxus, bei dem die wissenschaftlich basierten Treatments quasi vergoldet und mit Kristallkronleuchtern beschienen sind. Andrea, eine der Concierges, ist in einen weiten, mit Blumen bestickten Rock gekleidet, inspiriert von der traditionellen lokalen Tracht.
Ihre erste Tat: eine Trinkflasche zu reichen, die mit lokalem Hahnenwasser gefüllt ist. Sie gehört quasi zum Inventar während eines Aufenthalts. Man sollte immer eine zur Hand haben! Die Führung durch die 6000 Quadratmeter grosse Institution beginnt an der imposanten Prunktreppe, die an die Zeit erinnert, als Damen in Kleidern mit Schleppe diese hinabschritten.
Heute wandeln weisse Silhouetten durch die Gänge, diskrete Geister, die zwischen Whirlpool und Drainagemassage, zwischen Impedanzmessung und intravenöser Vitamintherapie hin und her eilen. Der Palazzo ist ein Hotel, ein echtes, aber nur für Kurgäste, die wieder zu sich selbst finden möchten. Sich um sich selbst zu kümmern, ist hier eine Vollzeitbeschäftigung.

Surfen auf der Welle der Solo-Ferien
Erster Schritt des Aufenthalts: die ärztliche Untersuchung. Wer keine konkreten Gesundheitsprobleme hat, sondern einfach nur Energie tanken und entgiften möchte, hat die Qual der Wahl zwischen verschiedenen Behandlungen. Man versteht, warum die meisten Kurgäste alleine kommen. Dieses Wellnessreiseziel verbindet den Aufenthalt mit echter Erholung und einer intensiven Betreuung, die dazu dient, einen neuen Lebensstil einzuleiten. Viele Gäste kommen von weit her, vor allem aus den Vereinigten Staaten. Seit die berühmte Fernsehproduzentin Oprah Winfrey sich in diesen Ort verliebt und dies in den sozialen Netzwerken kundgetan hat, strömen Ästheten auf der Suche nach Erneuerung von überall herbei. Denn ja: Der «Palazzo Fiuggi» ist auch äusserst instagrammable …
Aber legen wir das Handy beiseite, weg mit den Benachrichtigungen und dem blauen Licht! Wie es sich für das Land der verzauberten Gewässer gehört, liegt ein starker Fokus auf der Hydrotherapie, insbesondere auf einem dreistufigen Ritual mit Bädern: einem Schlammbad, einem Salzbad und einem Sprung ins kalte Wasser. Man bewegt sich im Wasser wie in Zeitlupe, so sehr trägt das Salz. Grosse, schwerelose Schritte, die an die ersten auf dem Mond erinnern. Willkommen in einer anderen Dimension – der Dimension der ultimativen Entspannung, mit einer Haut, die weicher als weich ist.
Wechsel der Kulisse und der Kleidung: Mit dem Tagesplan in der Hand geht es zur biomechanischen Untersuchung, um die Ungleichgewichte im Körper genau zu messen. Und schon bereut man, das Telefon im Zimmer gelassen zu haben: Der Fitnessraum ist zweifellos der schönste der Welt. Im ehemaligen Ballsaal stehen die High-Tech-Geräte unter einer Decke mit zarten Stuckverzierungen in der Farbe von frischer Butter. Bewegung unter Anleitung von erfahrenen Trainern ist ein wesentlicher Bestandteil der Retreats, der personalisierte Trainingsplan wird durch lange Morgenspaziergänge ergänzt. Einer davon führt zur Kartause von Trisulti, wo Mönche noch immer Kräuter mit phytoaktiven Eigenschaften trocknen. Abends findet man sie in den Tees wieder. Besonders beliebt ist eine Mischung für einen ruhigen Schlaf, die aus Lavendel, Kamille, Orangenblüte, Weissdorn, Lindenblüte, Baldrian, Melisse und Passionsblume besteht.
Apropos Essen! Wenn es einen entscheidenden Vorteil gibt, der einen Aufenthalt im «Palazzo Fiuggi» zu einem unvergesslichen Erlebnis macht, dann sind es die exquisiten Mahlzeiten. Und das unter den jahrhundertealten Fresken eines prächtigen Speisesaals! «Wir arbeiten an der Idee des Glücks», sagt der Direktor lächelnd. «Ohne Glück gibt es keine Gesundheit.» Der Künstler, der diese Philosophie auf den Teller bringt, heisst Heinz Beck. Feinschmecker aus aller Welt bewundern sein Können. Mit 62 Jahren hat sich der aus Bayern stammende Koch mit drei Michelin-Sternen für sein Restaurant «La Pergola» in Rom, wo er seit 2005 tätig ist, als Referenz in Italien etabliert.
Aber Becks Leidenschaft ist auch wissenschaftlicher Natur: Er ist ein Experte für oxidativen Stress und die entzündungshemmenden Eigenschaften bestimmter lokaler Kräuter (zum Beispiel des invasiven Portulaks). Als Küchenchef kreiert er im «Palazzo Fiuggi» köstliche saisonale Kompositionen, sei es in einer sehr leichten Version für diejenigen, die abnehmen möchten, oder in einem ausgewogenen Menü mit 1800 Kalorien pro Tag für das Langlebigkeitsprogramm. Sein Wolfsbarschfilet auf gelbem Tomatencoulis und seine mit türkischer Rose und Kardamom aromatisierte Randencreme? Ein Traum!
Der Maestro kommt mehrmals die Woche kurz vorbei, um sich mit seinem Team zu besprechen und verschiedene delikate und kostbare Destillate mitzubringen, die in seiner Laborküche in Rom hergestellt werden. Man muss ihn kaum dazu auffordern, damit er ausführlich über die Vorzüge der sanften Extraktionen spricht: «Man muss verstehen, was auf der Ebene der Nährstoffe und Moleküle geschieht», betont er, «um dann mit den Zutaten und Aromen spielen zu können.»
Ist es schon Zeit, die Oase zu verlassen? Schnell noch eine letzte Runde im Kneipp-Parcours drehen, diesem Labyrinth, in dem sich kaltes und warmes Wasser auf Hüfthöhe abwechseln. Man kommt mit leichten Beinen heraus, bereit, tagelang zu tanzen, monatelang …

Genuss als Heilmittel
Die Gastronomie von morgen verbindet Gaumenfreuden mit den neuesten Erkenntnissen aus der Ernährungswissenschaft. Küchenchef Heinz Beck ist seit 25 Jahren ein Pionier auf diesem Gebiet. Er arbeitet mit renommierten Wissenschaftlern zusammen, um herauszufinden, welche Antioxidantien vom Körper am besten verstoffwechselt werden können und wie die Vitamine in Lebensmitteln am effektivsten erhalten bleiben.
Es ist kein Zufall, dass er im vergangenen September als Redner am Longevity Forum in St. Moritz teilgenommen hat, das die führenden Experten dieses in der Medizin so beliebten Bereichs zusammenbringt. Zwei weitere Referenten aus dem Bereich Ernährung waren ebenfalls anwesend: die Köche Richard Ekkebus («Mandarin Oriental», Hongkong) und Norbert Niederkofler (bekannt für seine alpine Küche in Südtirol). Natürlich kann ein zusätzliches Kräutchen auf der Speisekarte nicht unbedingt ein Medikament ersetzen, aber vielleicht stärkt es das Immunsystem oder hilft beim Fettabbau.
Auch wenn dieser Ansatz in der Küche sehr verlockend ist, wird er vor allem in spezialisierten Einrichtungen praktiziert, da es mehr als nur Geschick erfordert, um die schonenden Extraktionsverfahren durchzuführen, die die Mikronährstoffe optimieren. Dabei kommen Rotationsdestillatoren und andere Hochgeschwindigkeitszentrifugen zum Einsatz. «Es ist alles eine Frage des Know-hows, damit die Inhaltsstoffe vom Körper in ihrer vollen Kraft aufgenommen werden können. Es gibt kein Geheimnis, nur viel Arbeit», meint Beck.

Heinz Beck
Wir haben auch Chefkoch Heinz Beck interviewt!

