Text Katrin Roth

Reine Kopfsache

Für eine Wallemähne braucht es eine gesunde Kopfhaut. Gesichtspflegemarken erweitern jetzt ihr Sortiment um Produkte für den Schopf.

Egal, ob minimalistisch veranlagt oder ein Fan intensiver Beauty-Rituale: Die meisten von uns investieren oft mehr Zeit und Geld in die Haut als in die Haarpflege. Expertinnen und Experten auf dem Gebiet fordern schon länger ein Umdenken.

«Vielen ist nicht bewusst, dass gesundes Haar mit gesunder Kopfhaut beginnt, wobei diese oft andere Bedürfnisse hat als das Haar», sagt Diana Gambella-Bouchinha, Education Manager bei Keune Haircosmetics AG. Zur ganzheitlichen Pflege des Haares braucht es nach Einschätzung von Fachleuten eine auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmte Multi-Step-Routine, wie wir sie aus der Gesichtspflege schon lange kennen. Frei nach dem Motto «Haircare Is The New Skincare» haben darum in den vergangenen Monaten insbesondere Luxusbrands mit Hautpflegefokus ihr Sortiment um eine Reihe innovativer Haarpflegeprodukte erweitert – hört der Kopf doch nicht beim Gesicht auf.

Doch sind all diese Neuheiten und die damit verbundenen zusätzlichen Aufwendungen wirklich nötig? «Absolut», findet Florence Maraval, Brand Director der 2018 lancierten Haarpflegemarke Hair Rituel by Sisley, der elf Jahre Forschung zugrunde liegen. «Die Faktoren, welche die Schönheit und Jugendlichkeit des Haares beeinträchtigen – ob genetisch, umweltbedingt oder verhaltensbedingt –, sind dieselben, die auch die Haut schädigen.»

Ablagerungen jeglicher Art auf der Kopfhaut können sich demnach genauso negativ auf die Gesundheit des Haares auswirken wie auf die Gesundheit der Gesichtshaut. «Die Kopfhaut weist eine viel grössere Dichte an Haarfollikeln auf als die Gesichtshaut. Sie ist ein fruchtbarer Boden für das Haar. Die Qualität der Haarfaser, ihre Stärke und ihre Fähigkeit, Licht zu reflektieren, hängen von der Gesundheit der Kopfhaut ab», sagt auch Frédéric Bonté, Direktor der wissenschaftlichen Kommunikation bei Guerlain. «Um die Schönheit des Haares zu behandeln, muss man an der Wurzel ansetzen. Hier spielt das Fachwissen von Hautpflegemarken eine grosse Rolle.» Der gleichen Meinung ist Tiffany Masterson, Begründerin von Drunk Elephant: «Unser Körper ist mit Haut bedeckt, auch unser Kopf.» Jeder Inhaltsstoff, welcher der Gesichtshaut guttut, kann darum auch am Körper sowie auf dem Kopf verwendet werden, so Masterson.

Neu erwachtes Interesse

In vielerlei Hinsicht ist die Erweiterung des Sortiments von Hautpflege-Brands mit jahrelanger Erfahrung auf diesem Gebiet durchaus sinnvoll, zumal eine unzureichende Pflege der Kopfhaut zu ähnlichen Problemen führen kann, wie wir sie von einer gereizten Haut im Gesicht kennen – angefangen von Spannungsgefühlen, verstopften Follikeln über Schuppenbildung bis hin zu Juckreiz und Trockenheit.

Ein weiterer wichtiger Anstoss für diese Entwicklung kommt vonseiten der Kundschaft. «Während der Covid-Krise haben wir ein neues Interesse an gesunden Haarwurzeln bzw. gesunder Kopfhaut erlebt. Damit einhergegangen ist ein expandierendes Segment der Premium-Haarpflege mit ausgefeilten Routinen», erklärt Frédéric Bonté von Guerlain. «Frauen haben während der Pandemie gelernt, einen Gang zurückzuschalten und die Grundpflege wieder in den Mittelpunkt ihrer Routine zu stellen», bestätigt Nuxe-Begründerin Aliza Jabéz, die überzeugt ist, dass «ein Moment der Pflege und des Wohlbefindens» Selfcare ist.

Damit die Haarseren, -shampoos, -öle und -masken überhaupt ihr volles Potential entfalten können, sollte die Kopfhaut regelmässig von Ablagerungen befreit werden: sei das mit einem professionellen Detox-Produkt, wie sie bei Hairstylisten im Salon zum Einsatz kommen, oder als sanftere Variante aus dem Detailhandel. Ob eine solche Behandlung nötig ist und welche weiteren Pflegeschritte es im Einzelfall braucht, lässt sich gemäss Diana Gambella-Bouchinha von Keune am besten mit einer Analyse bei einer Fachperson ermitteln.

Da grundsätzlich alle Regeln für eine gesunde Haut auch für die Kopfhaut gelten, empfehlen sämtliche Expertinnen und Experten neben einem auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmten Ritual auch einen ausgewogenen Lebenswandel mit genügend Schlaf, einer abwechslungsreichen Ernährung sowie möglichst wenig Stress. Und das schaffen wir alle, egal, wie viel Zeit und Geld wir in die Pflege der Haare investieren möchten oder können.