Parfumhäuser setzen mit Varianten von klassikern auf altbewährtes, das zugleich neu ist. Eine DuftAnalyse.
Rund ein Jahr war es der persönliche Signature-Duft seiner engen Vertrauten und Muse Audrey Hepburn, bevor Hubert de Givenchy sich 1957 entschied, das Parfum auf den Markt zu bringen. «Je vous l’interdis» – zu Deutsch: «Ich verbiete es Ihnen!» –, soll die Schauspielerin scherzhaft gerufen haben, als ihr der französische Modeschöpfer von seinem Plan erzählte. Das Veto zeigte insofern Wirkung, als Monsieur de Givenchy den Einspruch seiner Freundin zum Namen seines ersten Parfums machte. In Anlehnung an die Entstehungsgeschichte wurde der Duft zum Symbol von Verwegenheit, vermarktet als Kitzel des Verbotenen. «Mit ‹L’Interdit› verführt Givenchy dazu, einen Schritt jenseits des Konventionellen zu gehen und sich der grenzenlosen Freiheit hinzugeben», hiess es in Anspielung auf die Anfänge des Parfums darum auch zur 2018 lancierten Neuinterpretation des Klassikers, von dem es mittlerweile zahlreiche Varianten gibt.
Flankers – der Begriff für Flankendeckung beim Sport – nennt man in der Fachsprache die olfaktorischen Spin-offs von Parfums, die gemäss Marc Daniel Heimgartner, Olfactive Innovation Manager bei Luzi Fragrance Compound, erstmals in den 90er-Jahren entwickelt wurden: «Es handelt sich um eine Art Zusatzduft mit vielen Rohstoffen in ähnlicher Zusammensetzung wie der Originalduft.» Der für einen Flanker charakteristische Hauch einer Neuheit kann durch das Hinzufügen neuer Ingredienzien oder durch eine andere Konzentration entstehen. In den meisten Fällen basieren Flankers auf dem ursprünglichen Duftschema, in welchem für die neue Deklination eine bestimmte Note verstärkt wird.
Mit anderen Flankern zielt man aber auch bewusst darauf ab, neue Käuferschichten zu erreichen. Das Hinzufügen von Oud etwa ist eine Möglichkeit, um vor allem Kundinnen und Kunden im mittleren Osten anzusprechen. Mit dem Abschwächen einer bestimmten Duftnote, was zu mehr Leichtigkeit führt, wird wiederum die Aufmerksamkeit eines jüngeren Publikums erregt. Eine dritte Kategorie von Flankern besteht aus Düften, bei denen einzig der Name und die Verpackung an den Ursprungsduft erinnern, wie zum Beispiel bei «Dior Hypnotic Poison» oder «Chanel Coco Mademoiselle». Und manchmal, so Heimgartner, entstehen Flankers auch ganz pragmatisch als Folge neuer regulatorischer Anforderungen an Inhaltsstoffe. «Das zwingt die Hersteller von Parfums zur Überarbeitung einer Formel und führt bisweilen zu einem optischen Relaunch.»
Von den 3000 bis 5000 jährlich lancierten Duftneuheiten fallen daher die meisten unter die Kategorie der Flankers. Denn genau wie in der Mode ändern sich auch bei Parfums die Vorlieben der Käuferinnen und Käufer. Insbesondere das Aufkommen von meist relativ stark dosierten Nischendüften zwinge die grossen Brands dazu, eine konzentriertere Version mit langer Haltbarkeit zu lancieren, erklärt Heimgartner. «Alles hängt von der Nachfrage und den Wünschen eines Brands ab», bestätigt auch Parfümeurin Sonia Constant in einem Interview anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des Damenduftes «For Her» von Narciso Rodriguez. «Es gibt ‹verjüngte› Versionen älterer Verkaufsschlager, aber auch ‹virilisierte› (männliche Ausprägungen, Anm. d. Red.) Formeln weiblicher Düfte und umgekehrt.» Obwohl theoretisch unzählige Flankers entwickelt werden könnten, beschränkten sich die meisten Brands auf drei bis fünf Varianten pro Duftserie. «Gewisse Dufthäuser entwickeln aber auch jedes Jahr zusätzlich eine limited Edition, und dann kommt man schon mal auf 30 Flankers innert 15 Jahren», sagt Heimgartner.
Erkennbar sind Flankers neben der duftenden Nähe zum Original vor allem an der Form der Flakons sowie am Namen, wie Mathieu Arsac, Marketing Director der Shiseido-Group Schweiz und Österreich, sagt: «Wenn man auf einem bestehenden Namen aufbaut, kann man auch die gesamte Linie vermarkten.» Die Einführung einer komplett neuen Duftlinie mit einem neuen Namen erfordere hohe Investitionen, um den Bekanntheitsgrad zu steigern. «Unter dem Gesichtspunkt der Investition und des Marketings ist es darum einfacher, aus einem bestehenden Parfumnamen Kapital zu schlagen und eine Franchise zu schaffen.»
Neue Inhaltsstoffe, alte Narrative
Da meist kommerzielle Motive zum Ausbau einer Duftfranchise führen, haben Flankers in der Fachwelt bisweilen nicht den besten Ruf. Den Vorwurf von fehlender Kreativität und Originalität lässt Parfümeurin Sonia Constant aber nicht gelten: «Es ist eine anspruchsvolle Aufgabe, den Geist und das ursprüngliche Universum des Parfums zu bewahren, indem man ihm einen anderen Blickwinkel verleiht und die Komposition in eine neue olfaktorische Richtung lenkt.» Chanels In-house-Parfümeur Olivier Polge etwa hat bei der Entwicklung des neuen «Chanel Eau Fraîche Eau de Parfum» nach eigenen Aussagen bewusst subtile Änderungen vorgenommen, um die Eindrücke des Eau de Toilette zu verstärken: «Die Herausforderung bestand darin, die Intensität des Duftes zu erhöhen, die Basisnoten hervorzuheben und ihm Tiefe zu verleihen, ohne seine frische Qualität zu verlieren.»
In der neusten Abwandlung des Lancôme-Klassikers «Idôle» wiederum kamen moderne Technologien zur Intensivierung des Damendufts zum Einsatz, wie Shyamala Maisondieu von der Aromen- und Parfümmanufaktur Givaudan erklärt: «Wir haben ein neues Verfahren zur Extraktion von Vanillin aus Reis entwickelt, das reichhaltiger und facettenreicher ist, und das ist die neue Ingredienz, die wir in ‹Idôle Now› verwenden.» Auch die Nachfolger von Hubert de Givenchy setzten beim neuen «L’Interdit Eau de Parfum Rouge Ultimune» durch die Integration von Kakaoschale auf einen neuen Inhaltsstoff. Unverändert geblieben hingegen ist das Narrativ hinter dem Duft, welcher – ganz im Sinne der Anfänge – als ultimative Verführung angepriesen wird, die jeden Widerstand zwecklos macht.
For her
Die Inspiration zu seinem ersten Duft „For Her“ mut Blumen- und Pudernoten lieferte Stilikone Carolyn Bessette-Kennedy, mit der Narciso Rodriguez befreundet war. Der Name sei zwar eine Widmung, aber alle Düfte dieser Linie seien als Unisex-Parfums zu verstehen, erklärte der Modeschöpfer.
Lancôme
Begonnen hat die Geschichte von „Idôle“ als blumig-duftende Aufforderung an eine neue, starke Generation von Frauen zur gegenseitigen Ermutigung. Um die Geschichten dieser Gemeinschaft zu würdigen, wurde das Sortiment laufend ausgebaut als „Duft der Zukunft“ in verschiedenen Ausprägungen.
Armani Beauty
„Sì“, zu Deutsch „Ja“, sei das machtvollste Wort der Welt, sagt die italienische Designerlegende Giorgio Armani, der mit der gleichnamigen süssfruchtigen Damenduftserie seine weibliche Kundschaft dazu ermintern möchte, „Ja“ zu sagen: zur Leidenschaft, zur Freiheit, zur Liebe – und zu sich selbst.
Mugler
Durch die Formel mit Gourmande-Noten habe man mit der Lancierung von „Angel“ eine neue Duftkategorie erschaffen, sagen die Hersteller über das nach Süssspeisen riechende Parfum aus den 90er-Jahren. Bis heute gehören die Varianten des Duftklassikers im ikonischen Sternen-Flakon zu den Bestellern in den Parfümerien.
Givenchy
Der olfaktorische Nervenkitzel und der Reiz des Verbotenen spiegeln sich in der Duftkollektion von „Givenchy L’Interdit“ durch unterschiedliche, aber immer kontrastreiche und sinnliche Kompositionen aus weissen Blumen sowie dunkleren Noten.
Bulgari
Alle Omnia-Parfums des Schmuckbrands Bulgari sind je einem farbigen Edelstein gewidmet, dessen Aura durch raffinierte Duftformen eingefangen werden soll. Entsprechend vielfältig ist das Duftspektrum der Omnia-Serie.