
Müde vom perfekten Kreis? Diese Modelle brechen aus ihm aus. die Quadratur des Kreises ruft zu mehr mut am Handgelenk auf.
Es gehört quasi zum Allgemeinwissen: Zwischen 80 und 90 Prozent aller Uhren auf dem Markt sind rund. Dafür gibt es – abgesehen vom harmonischen Anblick – mehrere Gründe. Zum einen sorgt ein runder Zifferkranz dafür, dass die Zeit aus allen Winkeln gut ablesbar ist. Zum anderen besitzen viele Uhren Zahnräder, die selbst runde Bewegungen erzeugen. Und last but not least geht das runde Design zurück auf die ersten Sonnenuhren mit ihren kreisrunden Skalen. Mit diesem Archetyp der Uhrmacherkunst geht man kein Risiko ein, vor allem nicht jenes, dass man sich an ihnen sattsieht.
Und doch! Es wäre schade, die sogenannten «Formuhren» zu übersehen. Sich mit ihnen zu beschäftigen, bedeutet, einen Blick in die Kunstgeschichte zu werfen und die Strömungen zu entdecken, die zu diesen extravaganten Stücken geführt haben: Die rechteckige Reverso war eine der ersten Uhren, die den Kreis verlassen haben, inspiriert vom Art-déco-Stil der 1930er-Jahre. Den Kreis zu brechen, bedeutet auch, sich intensiv mit der Vielfalt der Geometrie auseinanderzusetzen: Quadrat, Rechteck, Achteck … Das bedeutet für die Designer harte Arbeit: Winkel und Linien bereiten ihnen Kopfzerbrechen.
Welche Formen kommen einem bei Formuhren noch in den Sinn? Die Kissenform der Luminor von Panerai, das Tonneau von Richard Mille – inspiriert von einem Fass – oder das Oval der Reine de Neapel von Breguet. Diese gewagten Linien haben ihren festen Platz in den Kollektionen gefunden. Ein Modell mit neuer Form zu vermarkten, bleibt jedoch abenteuerlich, selbst bei einem «nur» quadratischen Zifferblatt.
Patek Philippe hat dieses Jahr die quadratische Cubitus vorgestellt und hofft, damit eine neue Tradition zu etablieren. Das Design ist für CEO Thierry Stern wichtig, der auch die jüngere Generation ansprechen möchte. Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben. Dennoch dauert es oft, bis Kunden neue Formen akzeptieren. Man denke an Audemars Piguet und den Launch der Code 11.59, deren Design 2019 zunächst kritisiert wurde. Die Ironie dabei: Es handelt sich um eine runde Uhr. Denn bei der Marke gilt die achteckige Royal Oak mit ihren acht sechseckigen Schrauben immer noch als absoluter Superstar.
Unsere Auswahl von 8 Uhren, die definitiv nicht rund laufen:

1. Dior, wie ein Edelstein
Die Uhr Gem von Victoire de Castellane ist ein fantasievolles Unikat, das sich von herkömmlichen Armbanduhren abhebt. Ohne rundes Zifferblatt oder klassisches Armband erscheint diese Uhr wie ein originelles Objekt, das die Grenzen des Möglichen auslotet. Die künstlerische Leiterin der Schmuck- und Uhrensparte von Dior hat in diesem Modell Geometrie zum zentralen Element gemacht. Statt eines Verschlusses hält ein fein gearbeitetes Schmuckarmband das achteckige Zifferblatt. Mit einem einfachen Handgriff kann man die Uhr anlegen, eine technische Raffinesse, die die Uhrmacher vor Herausforderungen stellte. Das Design aus rechteckigen Metallgliedern lässt die Uhr völlig frei am Handgelenk sitzen und sprengt die Konventionen traditioneller Damenuhren. Ihre schlichte, dennoch elegante Erscheinung spricht alle Generationen an, die sich die ultrafeminine Form zu eigen machen. Der Name «Gem» spielt sowohl auf das französische Wort «Gemme» (Edelstein) an als auch auf das phonetische «J’aime».
Dior Gem, Quarzuhrwerk, 27 mm, bis 30 m wasserdicht, 4400 Fr.

2. Piaget, ein Touch Extravaganz
Die 1960er- und 1970er-Jahre waren geprägt von originellen Uhrenkreationen. Unter dem Einfluss des Designers Jean-Claude Gueit verwandelte Piaget die Uhr vom reinen Zeitmesser zum Designobjekt. Neue Trageformen wie lange Ketten oder aussergewöhnliche Armbänder entstanden. Besonders die Trapezform wurde zu einem ikonischen Design der Marke, inspiriert von der berühmten Yves-Saint-Laurent-Robe. Das neue Modell Sixtie greift dieses avantgardistische Design auf: asymmetrisch und abgerundet, mit einem flexiblen Armband aus ineinandergreifenden Trapezgliedern.
Die extravagante Uhr bricht ganz bewusst mit Proportionen und Konventionen und strahlt subtilen Charme aus. Yves Piaget betont: «Bei Piaget ist eine Uhr vor allem ein Schmuckstück.» Kann man darin die Aussage herauslesen, dass die Zeit nebensächlich ist? Mitnichten! Wohl eher, dass die Schönheit des Stücks die Vergänglichkeit der Zeit vergessen lässt.
Piaget Sixtie, Quarzuhrwerk, 18-karätiges Roségold, 29 × 25,3 mm, bis 50 m wasserdicht, 30 400 Fr.

3. Cartier, wie eine Skulptur
Es ist nicht nötig, die Definition eines Lünettenrahmens oder eines Rändelmusters in der Uhrmacherei zu kennen, um zu verstehen, dass Cartier es geschafft hat, mit beidem in seiner neuen Uhr Tressage zu spielen. Das ist die schwarze Magie dieses Stücks, die Materialien und Formen transformiert. Gelbgold, ungewöhnliche Volumen, Materialkontraste: Hier finden sich alle Elemente des Vokabulars von Cartier wieder. Die Uhrenskulptur reiht sich ein in die Serie der Maillon-, Coussin- und Réflection-Uhren. Stücke, die mit Linien spielen und das klassische Design herausfordern, eine Disruption, die zur Spezialität der Marke geworden ist. «Die Freiheit der Kreation löst sich von den Konventionen, wodurch es möglich wird, mit der Spannung und der Sinnlichkeit von Texturen und Farben zu spielen», erklärt
Marie-Laure Cérède, Direktorin für die Schmuck- und Uhrmacherkreation bei Cartier. Die Tressage erforscht dieses Territorium auf eine neue Art.
Cartier Tressage, Quarzuhrwerk, Gelbgold und schwarzer Lack, 56,2 × 25,7 mm, wasserdicht, Preis auf Anfrage.

4. Richard Mille, Ergonomie leicht gemacht
Bei Richard Mille steht die technologische Herangehensweise im Zentrum jeder Kreation. Alle Uhren werden aus modernen Materialien und mit fortschrittlichen Verfahren gefertigt. Das Prinzip besagt, dass jede Uhr nach dem gleichen Ansatz wie der Bau eines Rennwagens konzipiert wird. Chassis, Motor und Karosserie sind vollständig aufeinander abgestimmt. Beim Anblick der RM 74-02 wird die Idee sofort klar: ein Gehäuse, das aus Goldblättern und Quartz TPT® gefertigt ist, und ein höchst komplexes Tourbillon-Uhrwerk. Doch zu glauben, dass die Marke nur auf einer einzigen Innovationslogik basiert, wäre falsch. Seit 2001 steht die Tonneau-Form im Mittelpunkt der hauseigenen Kreationen. Sie bietet doppelten Nutzen: eine starke künstlerische, sogar architektonische Dimension und vor allem optimalen Tragekomfort. Diese Geometrie ist im Laufe der Jahre zu einem der Symbole der visuellen Identität der Marke geworden.
Richard Mille RM 74-02 Automatic Tourbillon, Carbone TPT® Gold, 52,63 × 34,40 mm, Preis auf Anfrage.

5. Daniel Roth, ikonische Ellipse
Als es darum ging, die Marke Daniel Roth aus den 1980er-Jahren wieder aufleben zu lassen, kristallisierte sich eine einzigartige Form heraus: eine Kombination aus Kreis und Quadrat. Das Gehäuse begeisterte mit einer unverwechselbaren doppelten Ellipsenform. Als der Designer dieses 1988 entwarf, war es ein erhebliches Risiko, da die Uhrenindustrie sich gerade erst von der Quarzkrise erholt hatte. Dennoch wurde es ein Erfolg. Als La Fabrique du Temps Louis Vuitton die Marke 2023 neu lancierte, stand die einzigartige Form im Mittelpunkt. Die erste Kollektion umfasste 2024 ein Tourbillon, gefolgt von einem ultraflachen Modell, das Anfang 2025 erschienen ist. Das Gehäuse behält seine ikonische Form bei, mit minimalen Anpassungen: Ein zentrierte Godron sorgt für ein ausgewogenes Profil, abgerundete Bandanstösse für eine bessere visuelle Kohärenz und eine nach unten gebogene Form für eine höhere Ergonomie.
Daniel Roth Extra Plat Souscription DBBE01A1, Handaufzug, Gelbgold, 38,6 × 35,5 mm, wasserdicht bis 50 m, 20 Exemplare, 45 000 Fr.

6. Gerald Charles, das Lächeln des Lapislazuli
Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, eine Uhr zu tragen, die lächelt? Mit der berühmten Maestro von Gerald Charles wird dieser Traum Wirklichkeit. Diese Uhr, die nach einem Uhrmachergenie benannt ist, besticht durch ihr asymmetrisches Gehäuse. Ihre achteckige Form wird durch die Silhouette eines Lächelns auf sechs Uhr ergänzt. Statt gerader Linien finden sich hier einige der komplexesten Formen der Uhrmacherkunst. Für Designer und Uhrmacher ist es eine Herausforderung, Anzeigen wie Indizes oder Komplikationen unterzubringen. Der Legende nach ist diese Form von einer barocken Kapelle inspiriert, die vom italienischen Architekten Francesco Borromini entworfen wurde. Das neueste Modell verfügt über ein Zifferblatt aus Lapislazuli. Bei solch ungewöhnlichen Formen ist es eine Herausforderung, das Gleichgewicht zwischen Charakter und Ergonomie zu finden und die anspruchsvolle Bearbeitung des Edelsteins zu meistern.
Gerald Charles Maestro, Automatikuhrwerk, Stahl, 39 × 41 mm, wasserdicht bis 100 m, 20 100 Fr.

7. Patek Philippe, ein Würfel am Arm
Cubitus ist ein Name, der vielen bekannt ist. Einige denken dabei an den grösseren der beiden Knochen im Unterarm. Comicliebhaber hingegen erinnern sich an den rundlichen Hund, den der belgische Zeichner Dupa erfand. In der Welt der Uhrmacherkunst weckt der Begriff Assoziationen mit der neuen Uhr, die Patek Philippe Ende 2024 herausgebracht hat. Die letzte Kollektion, die die Marke einführte, war 1999 die Twenty-4. Das zeigt, wie selten solche Neuerscheinungen sind. Ihr gewagtes Design steht in der Tradition der Nautilus von 1976, die von den Bullaugen transatlantischer Schiffe inspiriert war. Die Cubitus dagegen orientiert sich an einem Würfel und vermittelt sofort den sportlich-eleganten Geist, den das Haus schätzt. Angegeben ist sie mit 45 mm am Handgelenk, wirkt aber deutlich dezenter. Wer eine erwerben möchte, wird vermutlich Geduld brauchen, die Warteliste ist lang.
Patek Philippe Cubitus 5821/1A, Automatikuhrwerk, Stahl, 45 mm (10h – 4h), wasserdicht bis 30 m, 35 000 Fr.

8. Audemars Piguet, Brutalismus auf dem Punkt
Audemars Piguet ist bekannt für die Royal Oak mit ihrem achteckigen Gehäuse. Seit 2020 bringt die Marke aus Le Brassus jedoch eine Linie heraus, die die Konventionen noch weiter aufbricht: die [RE]Master. Hier kommt die Edition 2, mit ihrem asymmetrischen rechteckigen Gehäuse, gefertigt aus der neuen Legierung Sand Gold mit 18 Karat. Die Uhr ist inspiriert von der Referenz 5159BA, die in den 1960er-Jahren auf den Markt gebracht wurde. In dieser Zeit entging kein Bereich, sei es Musik, Design oder Mode, einer disruptiven Welle. Audemars Piguet kreierte verschiedene Uhren, die von der brutalistischen Architektur inspiriert waren. Zwischen 1959 und 1963 surfte die Manufaktur auf dem Trend zu asymmetrischen Modellen und produzierte mehr als 30 Zeitmesser, von denen die meisten in weniger als zehn Exemplaren gefertigt wurden. Die [RE]Master02 zollt dieser Periode mit ihren unkonventionellen Ecken Respekt.
Audemars Piguet [RE]Master02, Automatikuhrwerk, Sand Gold 18 Karat, 41 mm, wasserdicht bis 30 m, limitiert auf 250 Stück, 41 100 Fr.