Wie in der Mode kooperieren auch Uhrenmarken immer öfer mit Kunstschaffenden oder Musikern. Denn die Branche weiss: die Gen Z tickt anders.

Die Geschichte geht zurück ins Jahr 2016. Kim Jones, damals Kreativdirektor bei Louis Vuitton, postet auf Instagram das Bild einer LV-Tasche mit einem Supreme-Aufkleber. Darauf zu lesen: «Whatever.» Von da an kommt die Maschine ins Rollen. Gerüchte werden laut, wonach die beiden Häuser eine potenzielle Zusammenarbeit unterzeichnet hätten. Provokation? Auf der einen Seite: eine High-End-Luxusmarke. Auf der anderen: ein Streetwear-Label, verwurzelt in der Skateboard- und Sneaker-Kultur. Was nach einer ungewöhnlichen Verbindung zweier gegensätzlicher Welten klingt, ist mehr als «cool» – yep, das Adjektiv ist kein Zufall. Früher hing der Erfolg einer Marke von der Handwerkskunst und einem historischen Erbe ab, heute muss ein Traditionsunternehmen auch frech und provokativ sein, um eine jüngere Kundschaft zu begeistern. Und so reitet die Uhrenindustrie auf der Kollaborationswelle mit.

Im Jahr 1984 sorgte ein Designer auf der Basler Uhren- und Schmuckmesse mit drei Uhren mit springender Stundenanzeige und den Gesichtern von Micky Maus, Minnie Maus und Donald Duck auf dem Zifferblatt für Aufsehen. Viele Aussteller warfen Gerald Genta damals vor, «den Beruf zu diskreditieren». Dabei erwies er sich als Vorreiter. Zunächst fanden seine Uhren kaum Absatz, heute sind sie Sammlerstücke und erreichen Verkaufspreise von mehr als 20  000 Franken. Kein Wunder, dass die Hommage-Edition, die Bulgari (heute Eigentümer der Marke Genta) 2021 lancierte, schnell ausverkauft war. «Wir haben nichts neu erfunden, sondern etwas fortgesetzt», erklärt Antoine Pin, Leiter der Uhrenabteilung von Bulgari. Er setzt auch in Zukunft auf «Collabs»: Nach der Octo Finissimo, die 2020 mit dem japanischen Architekten Tadao Andō realisiert wurde, bringt das italienische Haus dieses Jahr eine auf 1000 Exemplare limitierte Uhr mit der Sängerin Lisa der K-Pop-Gruppe Blackpink heraus.

«Das Interessante an einer Zusammenarbeit ist, dass sie Vorurteile und Barrieren überwindet. Sie sollte ebenfalls einen echten Mehrwert bieten.» So spricht die Octo mit ihrer architektonischen Eleganz Sammler an, die rare Stücke mit hochwertigem Material und neuem Design schätzen. Die Zusammenarbeit mit der koreanischen Sängerin und Tänzerin für die Kollektion Bvlgari Bvlgari zielt auf die 89 Millionen Abonnenten ab, die Lisa auf Instagram folgen. Der Einfluss der sozialen Medien ist nicht zu unterschätzen.

Kollaborationen sind ein grossartiges Mittel, neue Kundschaft anzuziehen: Junge Menschen, die immer weniger die Uhrzeit an ihrem Handgelenk ablesen, aber Stunden im Web und in sozialen Netzwerken verbringen – für 95 Prozent von ihnen die Hauptinformationsquelle. Laut der Studie «True-Luxury Global Consumer Insight», die von der The Boston Consulting Group durchgeführt wurde, werden 18- bis 34-Jährige im Jahr 2025 rund 50 Prozent des Luxusmarktes ausmachen, gegenüber 32 Prozent im Jahr 2019.

Interessant, nicht wahr? Im Visier: die Generation Z, wobei das Z für «Zoomen» steht. Jene Generation, die zwischen dem Ende des letzten Jahrhunderts und den frühen Nullerjahren geboren wurde. Sie ist die erste, die mit tragbaren Technologien aufgewachsen ist. Die jungen Erwachsenen lieben Überraschungen – und mögen die von Marken inszenierten Kollaborationen.

Verjüngungskur durch Mr. Spock

Guillaume Laidet gehört mit seinen 37 Jahren zu der vorherigen Generation. Millennials werden von Soziologen wie folgt definiert: ethisch bewusste Verbraucher, die zugleich neugierig sind und aufgeschlossen gegenüber Werbebotschaften. «Meine Generation, genau wie die Generation Z und sogar die sehr junge Generation Alpha, interessiert sich sehr für Uhren», meint der Uhrmacher-Unternehmer.

«Aber wir brauchten einen Lockvogel, super stylishe Uhren mit Vintage-Features, die von hoher Qualität und erschwinglich sind.» Laidet verjüngte zunächst die Marke Nivada Grenchen und jetzt Vulcain. In Zusammenarbeit mit Romain André alias Seconde / Seconde und dem Uhrenmagazin «Revolution» lancierte er die Cricket-Uhr neu. Sie spielt auf die Kultserie «Star Trek» an. Der Anblick der farbigen kleinen Hand auf dem Sekundenzeiger löst ein Gefühl kindlicher Freude aus.

Der Mix machts

Auf den ersten Blick haben das Universum von Mr. Spock und die Marke Vulcain nichts gemeinsam: andere Geschichte, Epoche, Philosophie, Kultur. Und dennoch haben sie sich gefunden. Das Gleiche könnte man vom Superhelden Black Panther und Audemars Piguet, von Kermit dem Frosch und Oris, von der Videospielfigur Mario und TAG Heuer sagen.

Mit Uhren verbindet man Präzision, Genauigkeit, Leistung. Die Popkulturfiguren hingegen bewegen sich in der Welt der Fantasie, des Humors, der Poesie. Das Ziel der «Collabs» besteht aber genau darin: die beiden Welten zusammenzuführen und so auf die 30- und jungen 40-Jährigen mit grosser Kaufkraft zu zielen, die mit diesen Ikonen aufgewachsen sind.Street-Art-Künstler, Designer, Stylisten und Sänger sind ausgezeichnete Imageträger für Uhrenhersteller.

Schaffen Sie es doch, dass selbst Fans, die nicht unbedingt Uhrenaffin sind, die teils eindrucksvolle Grenze zum technischen Bereich der Uhren überwinden. Die Marken ihrerseits gewinnen an Reichweite, denken mehr über ihre zeitgenössische Identität nach und sind flexibler gegenüber neuen kulturellen Codes. Die Mischung der Genres ist eine unkomplizierte Art, sich der Uhrmacherei zu nähern. Und – natürlich – den Markt zu stärken. Wobei dieses Argument nicht immer entscheidend ist, wie Antoine Pin von Bulgari betont: «Viele Kollaborationen sind mehr für das Image als für das Business.»

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