Wahrer Luxus schreit nicht, sondern flüstert zu den Eingeweihten. Eine Anleitung, wie man seine Sprache spricht.
Manche würden sagen, dass die Quiet-Luxury–Bewegung im April dieses Jahres mit der Ausstrahlung der vierten Staffel der HBO-Serie «Succession» begann: Die Familie Roy verhandelte ihre Geschäfte mit absoluter Klasse. Die Mütze (Brunello Cucinelli) ist in einem dezenten Beige gehalten, das weisse Hemd (Loro Piana) verrät die edle Abstammung nur durch die Perfektion des Schnitts. Kein Markenname ist zu sehen, alles wird instinktiv wahrgenommen – für diejenigen, die Insider sind. Es gibt unzählige Instagram-Accounts, deren Betreiber sich einen Spass daraus machen, den Betrag zu schätzen, den jede Figur auf ihrem eleganten Rücken trägt, ohne dass der Anfänger etwas merkt. Absoluter Chic als stilvolle Antwort auf den Wahnsinn der schreienden Logos – die damit in eine Kategorie verbannt werden, die mit dem Kitsch flirtet.
Andere behaupten, dass alles mit Gwyneth Paltrow begann, die in einem Mantel von The Row über einem Kaschmirpullover und einem Rock von Prada während ihres medienwirksamen Zivilprozesses im März dieses Jahres im Gerichtssaal auftrat. Angeklagt wegen eines Ski-Zusammenstosses und der Selbstgefälligkeit verdächtigt, wollte sie ihr Privilegierten-Image brechen, indem sie eine fast normale Zurückhaltung an den Tag legte – für Menschen, die nicht für die Perfektion von Schnitten und Materialien empfänglich sind.
Andere wiederum führen die Bewegung auf eine Umfrage des Wirtschaftsmagazins «Forbes» aus dem Jahr 2006 zurück. Unter der Überschrift «How to say billionaire without uttering a word» («Wie man Milliardär sagt, ohne die Lippen zu öffnen») entschlüsselte der Artikel die Codes der Superreichen. Da sie nichts mehr beweisen müssen und mit ihrer schwarzen American Express bewaffnet sind, die ihnen die begehrtesten Türen öffnet, geben sie sich einer grauen und beigen Garderobe hin, die umso leichter zu kombinieren ist, je mehr das Beste mit dem Besten harmoniert.
Der Anti-Bling-Bling
Nichts davon ist falsch. Der diskrete Luxus spielt auch Klimabewussten in die Hände – sind ständig neue Looks doch launisch und wenig nachhaltig. Stattdessen sollte man lieber in hochwertige, minimalistische Stücke mit zeitloser Anziehungskraft investieren. Anti-Bling-Bling in gewisser Weise, im Gegensatz zu den beliebten und explorativen Designermarken, die mit gewagten Logos und auffälligen Mustern aufwarten. Die Anhänger des Quiet Luxury wollen weniger ihren Reichtum und ihren sicheren Geschmack projizieren, als vielmehr eine langlebige Garderobe schaffen, die von einem anspruchsvollen Stilverständnis zeugt. Für das ungeübte Auge bleibt sie wahrscheinlich unbemerkt. Ziel erreicht!
Bei diesem schicken Versteckspiel sind die Gewinner jene Marken, die sich seit langem mittels zeitloser Schnitte und aussergewöhnlicher Materialien positionieren. Die Rede ist von den Italienern Brioni, Brunello Cucinelli und Loro Piana. Auch die Schweizer kommen oft gut weg, vor allem wenn es um die Handgelenke geht: Uhrenmarken wie etwa Vacheron Constantin oder Patek Philippe. Aber Vorsicht! Auch die weniger exklusiven Labels mischen neu mit und jeder kann sich in einen weiten, beigen Mantel hüllen. Die Frage ist nur, welchen man auswählt. Unsere Tipps für Details, die den Unterschied ausmachen.
Der Mantel
Die Idee ist die eines Kokons, der den Körper umhüllt, anschmiegsam ist und bequem. Es sind die Details, die dieses Alltagskleidungsstück besonders machen: die Taschen, der Kragen, ein unerwarteter Ausschnitt oder ein Element im Inneren des Mantels. Es versteht sich von selbst, dass synthetische Materialien sich nicht für diese Übung eignen. Kamelwolle und mongolischer Kaschmir spielen ganz klar die Hauptrolle.
Der Anzug
Sowohl für das Frauen – wie für das Männermodell gilt: Der Anzug liegt nicht eng an, die fliessenden Stoffe, die schlichten Schnitte und Farben sprechen für sich. Die Schultern sind breit, aber die Ärmel mit chirurgischer Präzision geschnitten.
Der Pullover
Der Eindruck hängt von der Grosszügigkeit der Formen und Stoffe ab. Vergessen Sie Pullover aus synthetischen Materialien und tragen Sie stattdessen Naturfasern wie Kaschmir, Kaschmir-Seide-Mischungen oder die luxuriöseste aller Wollarten, die königliche Vikunjawolle – die Investition wird sich auszahlen! Kaufen Sie Strickmode etwas weiter, um einen hohen Tragekomfort zu gewährleisten. Während der V-Ausschnitt immer über einem weissen T-Shirt getragen wird, liegt der Rundhalsausschnitt gerne direkt auf der Haut an. Rollkragen nicht nach aussen umschlagen, sondern nach innen.
Die Accessoires
Ein Hoch auf die grossen Taschen aus Leder oder Leinen, die ihre breite Fläche nutzen, um ein durchdachtes Design oder eine gute Verarbeitung zur Schau zu stellen. Wie wäre es zum Beispiel mit dieser? Die Loewe Tote Bag lässt sich so zusammenfalten, dass sie wie eine flache Schachtel verstaut werden kann. Der lässige Look entsteht, weil die Tasche wie eine Verlängerung des Arms in der Hand liegt. So wirkt die Silhouette nicht so verkrampft wie beim Tragen über der Schulter. Schönheit, Intelligenz und Vielseitigkeit vereinen sich auch in diesem Hermès-Modell, das je nach Lust und Laune mit einem Riemen über der Schulter oder in der Hand getragen werden kann.
Die Hose
Der gewünschte Effekt: eine Silhouette mit kontrolliertem Volumen. Der Schritt sollte niedrig sein, um einen lässigen Effekt zu erzielen, aber Vorsicht: Die Hose muss gut geschnitten sein (kein Übermass, das die Schuhe verdeckt) und aus einem Stoff bestehen, der gut sitzt. Die Taille sollte möglichst eng anliegen und tief sitzen, aber nicht sackförmig sein. Auch Falten auf der Vorderseite sind nicht verkehrt, wie hier bei Zegna und Brioni.