Seit mehr als 130 Jahren stellt Morand Branntweine, Liköre und Sirupe in Martigny her. Von der Birne bis zum Schnaps wird alles im Wallis produziert.

Im paradies spielte ein Apfel die Hauptrolle, bei Morand dreht sich alles um die Birne. Bildet die Williamsbirne doch die Grundlage für den Verkaufsschlager der Destillerie. Seit vier Generationen befindet sich das Unternehmen im Familienbesitz – und ist stolz darauf, dass seine Produkte zu einem regionalen Kulturgut geworden sind. Das Gebäudeensemble im Herzen von Martigny beherbergt den Familiensitz, die Boutique sowie verschiedene Lagerhäuser. Eine hochprozentige Institution.


Schon früh am Morgen stehen die Besucher Schlange, um an der ersten Führung des Tages teilzunehmen. Wissensdurstig, alles über die Herstellung des legendären Birnenschnaps Williamine® zu erfahren – und vor allem, wie verhext noch mal die ganze Birne in die Premiumflasche kommt. Im Soussol der Brennerei, das einem Labyrinth gleicht, sprudeln die Fragen aus den Besuchern heraus. Die 60 Angestellten und CEO Fabrice Haenni beantworten sie nur zu gerne. Nachdem Morand fast 110 Jahre in Familienhand gewesen ist, verwaltet Haenni seit 2015 als erster externer CEO die Geschäfte. Der Walliser kennt die Geschichte und die Geheimnisse rund um die Herstellung in- und auswendig. Nur in eines wird selbst er nicht eingeweiht: in das Rezept der Grand-Saint-Bernard-Liköre, die den Grundstein für den Erfolg der im Jahr 1889 gegründeten Marke legten. «Es steht in einem schwarzen Büchlein und ist in einem Safe eingeschlossen, zu dem nur wenige Angehörige der Familie Morand Zugang haben.»

Die Grand-Saint-Bernard-Liköre, der grüne und der gelbe (auf Basis von Safran), sind Alpenkräutermischungen mit lokalem Honig. Sie werden noch immer mit historischen Destillierkolben produziert. Die Zeit scheint in diesem zentralen Raum seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts stillgestanden zu sein: Kupferkessel, unzählige Fläschchen auf Handwerksmöbeln, alte Fliesen. Hier werden die Pflanzen für den Absinth, den Génépi und für andere Getränke der Marke nach dem Rezept von Louis Morand destilliert. Der Walliser gründete die Brennerei vor fast 133 Jahren.

Lokale Birnen und weiches Wasser

Die berühmten Obstbrände der Marke, Williamine® und Abricotine, wurden in der 50er-Jahren von André Morand, Louis Morands Sohn und Nachfolger, entwickelt. Als erste Spirituosen des Hauses erhielten sie das AOP-Siegel für die geschützte Ursprungsbezeichnung. Ihr einzigartiges Aroma verdanken sie den sorgfältig ausgewählten Früchten: «Wir kaufen die Williamsbirnen von regionalen Produzenten, die Luizet-Aprikosen wachsen in unserem eigenen Obstgarten oberhalb von Saxon», erzählt Haenni.

Die Früchte werden von Hand ausgewählt und anschliessend püriert und fermentiert, um den Zucker in Alkohol umzuwandeln. In riesigen, im Boden versenkten Gärbottichen zeugt ein regelmässiges Gluckern vom chemischen Prozess, der darin stattfindet. «Das Destillat wird in die Speicherbehälter gefüllt und mit dem besonders weichem Wasser aus Martigny angereichert, um den Alkoholgehalt von 80 auf 43 Prozent zu senken», erklärt Haenni.

Doch – abgesehen von den Lockdown-Monaten der Corona-Pandemie – spürt auch das Haus Morand, dass weltweit weniger Alkohol konsumiert wird. So muss die Marke zwangsläufig ihre Geschäftstätigkeiten diversifizieren und weitere Märkte erschliessen. Die Weichen hierfür hat Jean-Pierre Morand gestellt: Das Herz des Anwalts schlägt wie das seiner Brüder und Cousins für das Unternehmen. Gemeinsam wollen sie die Firma für die kommenden Generationen vorantreiben: «Wir erweitern unser Sortiment an alkoholischen Getränken, vor allem für Mixgetränke. Auch die Auswahl an Sirupen wird ständig vergrössert und das Design der Etiketten erneuert. Wir wenden uns ausserdem neuen Bereichen zu.» So investierte Morand mit dem Kauf von Rosand in aromatische Kräuter, beteiligte sich an der Bergpflanzenheilkunde und Naturkosmetik von Jardin des Monts und an Swiss Boco, welche die Einmachgerichte von Chomel produzieren.


Und der Stolz der vierten Generation? Um zu helfen, produzierte sie zu Beginn der Pandemie dringend benötigte Desinfektionsmittel – bis heute. Das Familienunternehmen beschreitet kontinuierlich neue Wege. Passend zu ihrem Bestseller: Symbolisiert der Birnbaum doch Wachstum, Entwicklung und Nachhaltigkeit.

Louis Morand

Gründer Louis Morand war 22 Jahre alt, als er 1889 die Brennerei ins Leben rief, um Liköre aus lokalen Pflanzen, Wermut und Branntwein herzustellen. Ab 1921 übernahm sein Sohn André die Leitung und baute das Unternehmen aus, wobei er vor allem den Williams-Birnenbrand und die Sirupe auf den Markt brachte. 1958 trat sein Sohn Louis Morand, unterstützt von seiner Schwester Colette, die Nachfolge an. Sie bauten die Marken aus und verbesserten die Qualität noch weiter. Seit den 2000er-Jahren führt die vierte Generation die Geschäfte.