Wie man einen Rosé erhält? Indem man blauhäutige Trauben direkt nach der Ernte presst, wie bei Weisswein gärt der Saft anschliessend. Warum macht man es nicht umgekehrt? Also weisse Beeren mehrere Monate lang in einem geschlossenen Behälter gären lassen? Seit 6000 Jahren und auch heute noch machen es die Georgier so – für ihren «Orange Wine». Auf Château de Praz, einem historischen Weingut im freiburgischen Vully, wo Antoine Bovard und Marylène Bovard-Chervet ein Dutzend Hektar biologisch bewirtschaften, arbeitet ein Önologe aus Georgien: Ucha Gogichadze. Vor zwei Jahren liess er zwei «Kvevri» einfliegen. Die Tonkrüge mit einem Fassungsvermögen von 900 Litern wurden im Garten des Schlosses vergraben. In ihren Bäuchen wurden 2022 Freiburger und 2023 Traminer untergebracht.


Die beiden emblematischen weissen Rebsorten des Vully sind seit zehn Jahren Gegenstand einer Qualitätscharta. Während die Internationale Organisation für Rebe und Wein (OIV), die seit Kurzem in Dijon angesiedelt ist, den «Weisswein mit Mazeration» anerkennt, hat man sich in Praz für die über sechs Monate lange georgische Methode entschieden. Einzige Abweichung: Man bevorzugte die ganzen Beeren, aber ohne den Stiel. Dann wurde der Inhalt gepresst und im Sommer in Flaschen abgefüllt. Das Ergebnis: Der Gewürztraminer hat seine blumige und muskatartige Seite verloren und komplexe Aromen von Bienenwachs, Zitrusschalen, kandiertem Ingwer und Büschelibirne entwickelt. Eine kupferfarbene Kuriosität, die eine Verbindung zwischen der Antike und der Postmoderne herstellt. Der «nackte Wein» wurde von der New Yorker Journalistin Alice Feiring bereits 2011 gelobt, zwei Jahre bevor die «georgische Methode» in den Kreis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen wurde.

Traminer 2023, 32 Fr./75 cl, www.chateaudepraz.ch