Italienische Eleganz auf schweizer Boden: Das Tessin erfindet sich neu. Italianità einmal anders.

1. Klettern

Eine Postkartenidylle wie der Garten Eden

Das Versprechen Die steilen Gassen von Morcote hinaufzusteigen, erfordert einen langen Atem. Wer allerdings die Ufer am Luganersee erreicht und die 420 Stufen hinauf zur Kirche Santa Maria del Sasso kraxelt, wird mit einer wahren Postkartenidylle belohnt. Das von Lugano nur 15 Minuten Autofahrt entfernte Städtchen wurde nicht umsonst wiederholt zum schönsten Dorf der Schweiz gekürt. Warum genau? Nun, da wären die verwinkelten Gasten, mit Schwalbennestern bevölkerte Arkaden und Restaurants, in denen exquisites Risotto aus dem Käselaib serviert wird.

Die Überraschung Umgeben von subtropischer Vegetation versteckt sich in Morcote ein botanischer Garten, der Anfang des letzten Jahrhunderts vom Industriellen Hermann Arthur Scherrer angelegt wurde. Ein Pflanzenparadies, das der Ästhet und Weltenbummler am Hang des Hügels mit Pavillons ausstattete, die von Reisen in ferne Länder erzählen. Etwa ein japanisches Teehaus oder eine Villa aus Marokko.

Parc Scherrer, Morcote.

2. Staunen

Kulturelle Wundertüte

Das Versprechen Das Lugano Arte e cultura, kurz LAC, vom Tessiner Architekten Ivano Gianola entworfen und 2015 eröffnet, beherbergt Museen und Eventsäle. Wer bei Betreten des Gebäudes nach links abbiegt, darf sich auf das MASI freuen – das Kunstmuseum der italienischen Schweiz. Auf drei Ebenen verteilt, lockt die ständige Sammlung mit Werken von Monet und einer Ausstellung der zeitgenössischen feministischen Künstlerin Rita Ackermann. Damit nicht genug, punktet das LAC mit Highlights aus Klassik, Oper, Ballett und Theater und gilt als einer der kulturreichsten Orte der Schweiz.

Die Überraschung Ab ins MASI, das bis zum 2. Juli dem 1954 verstorbenen Schweizer Fotografen Werner Bischof eine Ausstellung widmet. Bischof, der für seine Kriegsreportagen in Schwarz-Weiss bekannt ist, träumte davon, Maler zu sein. Zu sehen sind seine weniger bekannten Farbaufnahmen aus allen Ecken der Welt: Landschaftsaufnahmen, Porträts,  Fotokunst … 

Ausstellung über Werner Bischof «Unseen Colour» bis zum 2. Juli 2023 im LAC, Lugano, www.masilugano.ch

3. Eintauchen

Museumsvilla am See

Das Versprechen Einst wohnte hier die Pariser Varietétänzerin und Mäzenin Picassos: Helene Bieber. Lange Zeit blieb die in den 1930er-Jahren erbaute Villa Heleneum geschlossen, heute wird das Anwesen dank der Bally-Stiftung wiederbelebt. Das Luxushaus mit Schweizer Wurzeln möchte einen Raum für Malerei, Skulptur-, Video-, Performancekunst und Mode schaffen. Die Leitung hat Vittoria Matarese, vormals Palais de Tokyo in Paris. In der Eröffnungsausstellung wird der See mit den Werken von rund 20 internationalen Kunstschaffenden in den Mittelpunkt gestellt.

Die Überraschung Die Villa Heleneum ist ein Schmuckstück für Ballys kulturelle Ambitionen. Jedes Zimmer hat Seeblick, das Gewässer breitet sich wie ein Gemälde vor dem Auge der Besucher aus. Eine zentrale Steintreppe, deren Stufen direkt ins Wasser führen, sorgt für einen fliessenden Übergang von Innen und Aussen.

Bally-Stiftung, Villa Heleneum, Lugano, Eröffnungsausstellung «Un lac Inconnu», zu sehen bis zum 24. September 2023,  www.ballyfoundation.ch

4.Schwelgen

Augen- und Gaumenschmaus

Das Versprechen Der Name ist Programm: Das The View bietet einen der schönsten Ausblicke auf den Golf von Lugano. Inmitten der Gipfel von Paradiso liegt das 2015 eröffnete Boutique-Designhotel, das zur Gruppe der Small Luxury Hotels of The World gehört und den See zum Leitmotiv kürte. Allgegenwärtig im Interieur, setzt man bei der Dekoration im Yachtstil auf Teakholzböden, die die 18 Suiten und die riesige Terrasse im Stil einer Schiffsbrücke verkleiden.

Die Überraschung Mit 16 von 20 Gault-Millau-Punkten hat das Restaurant im vergangenen Jahr seinen ersten Stern erhalten. Der äusserst zurückhaltende Chefkoch Diego Della Schiava, von GaultMillau zum Aufsteiger des Jahres 2022 im Tessin gekürt, leitet die Brigade. In der offenen Küche kann man immer mal wieder einen Blick auf ihn erhaschen. Dieser Italiener serviert eine Partitur, die der Einrichtung gerecht wird: schmackhaft, raffiniert und verspielt, von den faszinierenden Wolken-Amuse-Bouches bis hin zum süssen Schokoladen-Soufflé. Einfach yummy!

Via Guidino 29, www.theviewlugano.com

5. Abschalten

Im besonderen Hotelhimmel

Das Verprechen Das 2020 eröffnete Hotel an den Hängen des Monte San Salvatore, zwischen Weinbergen und Olivenhainen gelegen, kommt zwar lediglich mit drei Sternen daher, der Charme des renovierten ehemaligen Bauernhauses erschliesst sich aber sofort. Das Bigatt ist um einen Innenhof herum angelegt, im Raum der ehemaligen Weinpresse befinden sich heute ein Laden für lokale Delikatessen sowie eine kleine Kapelle, in der Sie im Handumdrehen Ihren Hunger stillen können. Sie haben die Wahl: Farniente unter Kamelien, Schwimmen im Pool mit Seeblick oder Siesta in den geschmackvollen Zimmern?

Die Überraschung Das Hotel und sein Restaurant werden von einer Genossenschaft geführt und von Mitarbeitenden betrieben, die sich in der beruflichen Wiedereingliederung befinden. Hier werden nicht nur die Menschen respektiert, sondern auch die Natur und die Jahreszeiten. Aus der Herbergsküche kommen Leckereien aus den angrenzenden Biogemüsegärten oder aus möglichst lokaler Produktion.

Bigatt Hotel & Restaurant, Lugano-Paradiso, Zimmer ab 150 Fr., www.hotelbigatt.com

6. Überragen

Gastronomie auf dem Gipfel

Das Verprechen Der Monte Generoso soll seinen Namen seinem fruchtbaren Gipfel verdanken. Die Natur kleckert tatsächlich nicht bei diesem Berg, der auf 1700 M. ü. M. eine der spektakulärsten Aussichten der Schweiz bietet. An einem seiner Hänge ist ein Dorf dank eines Albergo Diffuso wiederbelebt worden. Dieses aus Italien stammende Konzept verwandelt verlassene Dörfer in authentische Gastherbergen, die sich auf mehrere Häuser verteilen. In Scudellate im Muggiotal hat Oscar Piffaretti, der in der einstigen Schmugglerhochburg geboren wurde, eine Osteria, ein Hotel, eine Jugendherberge und ein Bed and Breakfast eröffnet, um Wanderer und Abenteurer zu beherbergen.

Die Überraschung Schon von den Ufern Luganos aus kann man die Fiore di Pietra entdecken, das neue architektonische Meisterwerk des Tessiner Stararchitekten Mario Botta. Das majestätische, auf einem Felsen stehende Gebäude bietet einen 360°-Blick. Im Inneren der achteckigen Steinblume befinden sich zwei Restaurants, zudem werden Events wie Sunset-Aperitif Facial Yoga veranstaltet.

www.montegeneroso.ch

7. Anstossen

Vom Garten ins Glas

Das Versprechen In den Gerichten des Küchenchefs dieses zeitgenössischen Restaurants steckt Magie: Er verbindet das Beste der französischen und italienischen Küche mit Gewürzen. Im zum Hotel Luganodante gehörenden Le Flamel wird Gemüse verarbeitet, das auf dem Dach wächst. Die Bar wird von jungen Mixologie-Profis geführt – mit Schnurrbart und Tätowierung. Es werden Cocktails aus Biozutaten kredenzt, die einige Stockwerke höher angebaut und zu Infusionen, Fermentationen oder Spirituosen verarbeitet werden. Möglich macht dies die hauseigene Destillerie.

Die Überraschung Man muss sich von der Fantasie des Küchenchefs und des Barkeepers mitreissen lassen und sich auf eine Reise durch das Degustationsmenü begeben, das von einem Pairing aus Cocktails begleitet wird. Subtile Kreationen auf der Basis von haus-gemachtem Kombucha, Kräuter-, Früchte- oder Kaffee-Infusionen verfeinern die Gerichte. Klingt ungewohnt? Ist es auch, aber es muss ja nicht immer Wein sein.

Flamel Bistrot und Mixologie, Lugano, www.luganodante.com

8. Anschauen

Wirklich grosses Kino!

Das Versprechen Seit über 75 Jahren lässt das renommierte internationale Filmfestival von Locarno alljährlich die Piazza Grande als grösstes Freilufttheater der Welt erstrahlen. Die Veranstaltung, die dem nationalen und internationalen Autorenkino gewidmet ist, zieht Stars und Filmfans aus der ganzen Welt an, um elf Tage lang Filmvorführungen und Feste am Seeufer zu feiern. Da das Grand Hôtel, eine glanzvolle Erinnerung an die Veranstaltung, noch nicht wiedereröffnet wurde (die Wiedereröffnung ist für 2025 geplant), hat das Festival das PalaCinema als Austragungsort auserkoren. Unter seinem Dach findet der Wettbewerb Cinéastes d’aujourd’hui statt, zudem gibt es hier neben der Zweigstelle des Schweizer Filmarchivs Räume für audiovisuelle Schulungen sowie Kinosäle.

Die Überraschung Zum ersten Mal in seiner Geschichte – und als erstes Festival! – setzt das Locarno Film Festival auf Inklusion und vergibt die Auszeichnungen in geschlechtsneutralen Kategorien.

76. Ausgabe des Locarno Film Festivals, 2. bis 12. August 2023, www.locarnofestival.ch

9. Degustieren

Garantiert bio, garantiert gut

Das Versprechen Nur wenige Serpentinen, und schon erreicht man das Dorf Arogno. Die Azienda Agricola Bianchi profitiert von der idealen Topografie: sonnige Hänge, auf denen Bienenstöcke, Olivenbäume, Obstbäume und vor allem jene Weinreben stehen, für die das biologische Weingut berühmt ist. 1988 wurde es von Alberto und seiner Frau Marcy Bianchi gegründet, heute  wird es von den Söhnen Martino und Gabriele geführt. Der Weinkeller, ein beeindruckender Betonwürfel, operiert dank Sonnenkollektoren und dem Prinzip der natürlichen Schwerkraft für seine Weinfässer autark.

Die Überraschung Joahanniter, Solaris, Merlot, Syrah und Chardonnay gehören zu den Rebsorten, die von den Bianchis angebaut werden. Für ihre Weiss- und Rotweine wurden sie vom Weinführer GaultMillau als Swiss Wine Rookie 2023 ausgezeichnet. Die jungen Winzer stellen auch einen Spumante Rosé namens Mara her, von dem ein Teil in Flaschen im Luganersee reift, bevor sie in sehr begrenzter Auflage als Mara del Lago verkauft werden.

Strada da Röv 24 in Arogno, www.bianchi.bio

10. Reisen

Grüner schippern

Das Verpsrechen Für viele mag es ein Detail gewesen sein, für alle Schiffspassagiere bedeutete es ein Aufatmen. Seit September 2021 sind der unangenehme Benzingeruch und der Höllenlärm auf dem Lago di Lugano passé! Seitdem wird die MNE Ceresio 1931 mit Strom betrieben, eine erste Initiative des Projekts Venti35, das die Elektrifizierung aller Tessiner Seen anstrebt. Das erste elektrisch betriebene Schiff gleitet in 25 Minuten in völliger Stille über den See, von Lugano über San Rocco bis zum alten Fischerdorf Gandria mit seinen schwindelerregenden Gassen.


Highlight Man muss sich Zeit nehmen (1 ½ Stunden), um von Gandria aus zu Fuss zurückzustiefeln – nicht ohne einen Blick auf die bezaubernde Barockkirche San Vigilo zu werfen. Der romantische Weg führt über den Olivenpfad, der eine atemberaubende Sicht auf den See bietet. Er schlängelt sich auf einer Anhöhe durch Wälder und Olivenhaine und wird von Lehrtafeln ergänzt, bei denen man über den Symbolbaum des Mittelmeers und seine Eigenschaften lernt.

Schiffslinie Green Line von Lugano – San Rocco – Gandria,  www.lakelugano.ch

Eine Region der Kontraste

Die Schweizerinnen und Schweizer lieben es, ins Tessin zu reisen. Was sagen Sie denjenigen, die meinen, schon alles zu kennen?

Das Tessin ist ein echtes Überraschungspaket! Aufgrund seiner Vielfalt gibt es stets Neues und Unerwartetes zu entdecken. Auf kleiner Fläche haben wir im Tessin die typische Alpenlandschaft neben Seen mit Palmenhainen, dazu quirlige Stadtzentren und ruhige Täler, in denen man die Hektik des Alltags vergisst: Sie können etwa lernen, Polenta zu kochen, oder mit der Swiss Wine Tour die Weine der Region verkosten. 

Trägt die jüngst eröffnete Villa Heleneum dazu bei, ein neues Publikum anzuziehen?

Definitiv. Die Eröffnung stärkt das kulturelle Angebot im Tessin. Mit ihrer Villa Heleneum hat die Bally-Stiftung einen Referenzort für Künstler geschaffen, einen multifunktionalen Ort der Begegnung.

Würden Sie uns drei gute Gründe verraten, warum es sich lohnt, sich diesen Sommer in den Süden aufzumachen und auf Entdeckungs- oder Wieder-entdeckungstour ins Tessin zu fahren?

Natürlich das Filmfestival von Locarno, das jedes Jahr die grossen Namen des internationalen Kinos auf der Piazza Grande versammelt. In den weniger bekannten Tälern wie dem Val Bavona und dem Valle di Muggio lockt die unberührte Natur, man kann verschiedenen Outdoor-Sportarten nachgehen und spannende gastronomische Angebote entdecken. Zudem findet vom 21. bis zum 24. September im Tessin erstmals das Eidgenössische Volksmusikfest statt. In Bellinzona werden dann neben der Musik auch die Traditionen, die Gastronomie und der Wein unseres Landes die unbestrittenen Stars sein. 

Angelo Trotta

Direktor von Ticino Turismo