Die Hauptstadt von Norwegen mausert sich zu Europas Tendcity. Tipps für ein erstes Date.

1. Oper

Was für ein Theater!

So siehts aus Das 2008 eingeweihte Opernhaus – weisser Marmor, Glasfassaden, Solarpanels zwecks Selbstversorgung – ist ein Juwel von Bauwerk, entworfen vom norwegischen Büro Snøhetta und ausgezeichnet mit zahlreichen Architekturpreisen. Vor allem aber ist es geradezu für diesen Standort geschaffen, mit seinem Dach, das zum Meer hin abfällt. Touristen und Einheimische zieht Den Norske Opera gleichermassen an – so viel zu den Unkenrufen, avantgardistische Architekten bauten an der breiten Öffentlichkeit vorbe

Wow! Das holzlastige Interieur ist organisch und heimelig. Ein toller Kontrast zur schnittigen Hülle! Falls Sie kein Ticket für eine Vorstellung erhaschen, nehmen Sie an einer Führung teil, um den Zuschauerraum und seine Akustik zu erleben. Sehr zeitgemäss: Zu jedem Sitz gehört ein Screen – mit Untertiteln in acht Sprachen.

Was tun? Im November reinterpretiert das Ballett «The Hamlet Complex Redux» Shakespeare, im Advent übernimmt der unsterbliche «Nussknacker».

Opernhaus, Kirsten Flagstads Plass 1, www.operaen.no

2. Nationalmuseum

Kultur am Laufmeter

So siehts aus Die grauen Schieferwände erstrecken sich entlang der Quais und fügen sich in die urbane Landschaft ein, als wären sie dort gewachsen. Anders als so manch anderer zeitgenössischer Bau, der sich als Monument aufdrängt, setzt das brandneue Nasjonalmuseet, das im Juni nach achtjähriger Bauzeit eröffnet hat, auf würdevolle Schlichtheit. Die Berliner Kleihues + Schuwerk Gesellschaft von Architekten hat das Kunststück vollbracht, eine der grössten Ausstellungsflächen Europas (90 Säle, 13 000 m2) fast schon unauffällig zu verpacken.

Wow! Die über 6500 Exponate reichen von der Antike bis in die Jetztzeit und umfassen Malerei, Mode, Keramik, Design … Das Wunder: Die verschiedenen Welten gehen einen harmonischen Dialog miteinander ein.

Was tun? Den Besuch gut planen, denn: Unmöglich, alles in einem einzigen Rundgang zu absolvieren. Und gönnen Sie Ihren Augen auch mal eine Pause auf der schönen Dachterrasse.

Brynjulf Bulls Plass 3. www.nasjonalmuseet.no

3. Bibliothek

Die Zukunft lesen

So siehts aus Wann waren Sie das letzte Mal in einer Bibliothek? Einer richtigen, wie anno dazumal, wo man nach Herzenslust in Büchern herumblättern kann? Die 2020 eröffnete Deichman Bjørvika bietet genau das – allerdings in einer futuristischen Umgebung: Man fläzt sich in weiche Sitzmöbel, schliesst seinen Laptop an einer der unzähligen (wirklich!) Steckdosen an und lässt den Blick zwischen Seiten, Screen und dem spektakulären Innenraum umherschweifen. Letzterer umfasst sechs Etagen, die sich alle zum überdachten Innenhof hin öffnen, in den das Oberlicht geometrische Schatten malt. Die Architektur stammt von Lund Hagem und Atelier Oslo; der namensgebende Carl Deichmann (1705–1780) war ein Fabrikbesitzer und Mäzen, zu dessen Stiftung inzwischen 24 Bibliotheken zählen.

Wow! Neben Büchern kann man auch diverse Musikinstrumente ausleihen. Und Filme, für die sogar Mini-Kinosäle zur Verfügung stehen.

Was tun? Ein mit Crevetten vollgepacktes Smørrebrød im Café essen und die Lichter überm Fjord bewundern.

Deichman BjØrvika, Vestlys Plass 1. www.deichman.no

4. Kunstmuseum

Kunstreiches Erbe

So siehts aus Das 2012 eröffnete Astrup Fearnley Museet für zeitgenössische Kunst war das erste der innovativen Gebäude, die heute die Ufer Oslos säumen. Der lichtdurchflutete Bau – ein Mix aus Glas, Holz und Stahl – erinnert an ein aufs offene Meer zusteuerndes Schiff. Stararchitekt Renzo Piano verpasste ihm Fenster wie Segel, ein Steg überspannt einen Meeresarm und verbindet den Teil, in dem Wechselausstellungen stattfinden, mit der Sammlung. Letztere baut auf die Privatkollektion des Schiffsmaklers Hans Rasmus Astrup (1939–2021) auf, nach dem das Museum benannt ist (neben der Schiffsmagnats-Familien Fearnley), und umfasst u. a. Werke von Jeff Koons, Damien Hirst und Cindy Sherman.

Wow! Sind da etwa ein paar Skulpturen ausgebüxt? Jedenfalls tummeln sie sich vor dem Museum. Speziell ins Auge stechen Louise Bourgeois‘ «Yeux» – riesige Augäpfel.

Was tun? Bis zum 12. Februar 2023 ist eine Einzelausstellung der New Yorker Künstlerin Rachel Harrison zu sehen. Schrill, bunt, poppig!

Astrup Fearnley Museum of Modern Art, Strandpromenaden 2. www.afmuseet.no

5. Kulinarik

Mutter Natur auf der Zunge

So siehts aus Die New Nordic Cuisine mit ihren strikt lokalen, biologischen, oft wilden Produkten ist aktuell einer der heissesten Trends auf dem Food-Planeten, und ihr Star in Oslo ist der mit drei Michelin-Sternen dekorierte Chefkoch Esben Holmboe Bang vom Restaurant Maaemo («Mutter Natur»). Das grosse Lokal im modernen Stadtteil Oslobukta ist dank hoher Decken, minimalistischer Einrichtung und Kunst an den Wänden nicht nur kulinarisch, sondern auch optisch ein Highlight. Weitere lohnenswerte Adressen: «Statholdergaarden», «Hot Shop», «Galt». Aber das «Maaemo» ist (noch!) einen Zacken raffinierter.

Wow! Weil das «Maaemo» derzeit überrannt wird, ist das Buchungssystem drakonisch: Jeden ersten Montag im Monat – für zwei Monate später

Was essen? Frische Königskrabben aus dem Fjord in Bouillon vom geräucherten Rentier, Kartoffelpuffer mit über Bierdampf gegarter Langustine und Ulmensprossen … Und zum Dessert? Eine Komposition aus Beeren mit Zimtgebäck.

Maaemo, Dronning Eufemias Gate 23, Degustationsmenü ab 400 Fr., www.maaemo.no

6. Hochhäuser

Strichcode in 3D

So siehts aus Auf dem Gelände zwischen Hauptbahnhof und Meer ist ein Viertel entstanden (und entsteht weiterhin), das aussieht, als wärs einem Comic entsprungen, so grafisch ist es. Daher auch sein Spitzname: Barcode-Projekt. Schnittige Brücken überspannen die Schnellstrasse, und den Architekten scheint es Spass zu machen, das Thema Hochhaus immer wieder neu zu interpretieren. Man schlendert mit in den Nacken gelegtem Kopf an den coolen Türmen vorbei und träumt von den Luxus-Apartments mit ihren riesigen Fensterfronten, die da oben in der Luft hängen … Die Höhe der Bauten war nicht unumstritten, aber so kann wirklich mal verdichtet werden: Wohnungen, Büros, Kommerz liegen über- statt nebeneinander, wodurch ringsum mehr Raum bleibt für Grünflächen. Und tatsächlich: Man fühlt sich hier seltsam wohl hier.

Wow! Während den Bauarbeiten kamen ganze neun Schiffswracks aus dem 16. Jahrhundert zum Vorschein.

Was tun? Barcode Street Food auschecken: Die tropisch anmutende Halle mit über einem Dutzend Foodständen wird freitag- und samstagnachts zum Club.

Barcode Street Food, Gate 14, www.barcode-streetfood.no

7. Munch-Museum

Zum Schreien grandios

So siehts aus Die neue Homebase von Kultkünstler Edvard Munch, im Herbst 2021 eröffnet, ist wegen des charakteristischen Knicks in der Fassade auf den ersten Blick in der Skyline auszumachen. Ein unkonventioneller Bau für einen ebensolchen Künstler? Passt! Dank dem
Madrider Architekturbüro Estudio Herreros verfügt das jetzige Munchmuseet über fünfmal so viel Ausstellungsfläche wie sein Vorgänger aus dem Jahr 1963. Gut so! Der Maler hat seiner Heimatstadt immerhin sagenhafte 26 000 Werke vermacht.

Wow! Klar, das Highlight ist und bleibt «Der Schrei» in seine verschiedenen Versionen – gemalte Beklemmung pur. Weniger bekannt ist indes die sonnige Seite Munchs: 1834 schuf er die monumentalen, leuchtend bunten Fresken für die Aula der Universität Oslo.

Was tun? Beim Rundgang genug Energie für den siebten Stock aufsparen, wo eine interaktive Installation Munchs Leben und Wirken auf Ekely nacherzählt, der Villa in der Nähe von Oslo, die 30 Jahre lang das Zuhause des weltberühmten Künstlers war.

Munchmuseet, Bjørvika, Edvard Munchs plass 1. www.munchmuseet.no

8. Halbinsel

Venedig 2.0

So siehts aus Auf dieser Halbinsel standen unlängst noch Werften – nun ist hier ein cooler neuer Stadtteil aufgepoppt. Dabei waren so viele hippe Architekturbüros am Werk, dass Tjuvholmen als Freilichtmuseum für moderne Baukunst durchginge. Kanäle und Brücken rhythmisieren den Spaziergang; überall gibts Cafés, Kunstgalerien und Zugänge zum Meer … Ein bisschen wie in Venedig ist das, einfach in Ultramodern

Wow! Wohl unter dem Einfluss des Astrup-Fearnley-Museums (s. Punkt 4), das die Balance zwischen Indoor- und Outdoor-Präsentation so vorbildlich vorgemacht hat, bietet dieses arty Viertel immer wieder Kunst unter freiem Himmel. Vom 3. bis zum 6. November z. B. wird der Hafen beleuchtet sein (sofern die Energiesituation es zulässt …).

Was tun? Im grandiosen Hotel The Thief (im Bild) übernachten (oder auch nur auf einen Drink vorbeigehen oder es sich im Spa gut gehen lassen). Was es mit dem namensgebenden Dieb auf sich hat? Er stiehlt uns die Zeit vor Ort – wenn auch auf höchst angenehme Weise!

The Thief, Landgangen 1, DZ ab 336 Fr. www.thethief.com

9. Freiluft-Sauna

Mehr Tempo beim Schwitzen

So siehts aus Treibt da etwa eine Sauna im Meer? Aber klar doch! Als die Behörden 2008 die neue Sauberkeit des Hafenwassers lobten und sich zugleich verpflichteten, den Zugang zu selbigem zu erleichtern, nahmen diverse Veranstalter (u. a. KOK, norwegisch für «kochen») sie beim Wort und schickten bald besagte Schwimmsaunas aufs Wasser. Darin schwitzt man nun neben dem Holzofen, um sich anschliessend direkt im Meerwasser abzukühlen. Wenn der Hafen nicht im Eis eingeschlossen ist, werden Rundfahrten angeboten.

Wow! Die meisten der schwimmenden Schwitztempel wurden aus Treibholz und sonstigem Recyclingmaterial gezimmert und setzen auf Solarenergie. So kommt man fast ohne Lärmemissionen vom Fleck.

Was tun? Mieten Sie eine der Schwimmsaunas als geschlossene Gesellschaft (max. 10 Personen). Vergessen Sie nicht, etwas zum Knabbern und zum Anstossen mitzunehmen! Wie? Der Winter kommt? Das Wasser ist kalt? Manchmal sogar von einer Eisschicht bedeckt? Ähm … na und?

KOK, www.koknorge.no

10. Trendhotel

Batterien aufladen

So siehts aus Dieses Hotel wurde von Reise-, Design- und Architekturfans in ganz Europa sehnsüchtig erwartet. Tataaa, nun ist es da! Im September im ehemaligen Hauptquartier der städtischen Elektrizitätsgesellschaft (nur einen Katzensprung vom Königspalast entfernt) eröffnet, versteht sich das «Sommerro House» quasi als Rundum-Aufladestation für urbane Vielbeschäftigte. Der Bau ist eine reizvolle Kreuzung aus neoklassizistisch-industrieller Architektur mit luxuriösen Art-déco-Elementen. Und innen drin? 231 Zimmer, sieben Bars und Restaurants, ein Eventsaal mit goldenen Sesseln und ambitioniertem Programm, ein Spa und Boutiquen. Mit anderen Worten: Kommet und geniesset!

Wow! Der – beheizte – Rooftop-Pool soll ganzjährlich zugänglich sein. Auch für Nicht-Hotelgäste!

Was tun? Nehmen Sie an einer Führung zu den Wandgemälden von Per Krohg teil. Die norwegische Künstlerikone der 1930er-Jahre hat das riesige Werk an der Rezeption ebenso gestaltet wie die Mosaiken im fantastischen Spa im Soussol, die daran erinnern, dass dies einst eine öffentliche Badeanstalt war.

Sommerrogata 1, Oslo, www.sommerrohouse.com

Eine Stadt entdeckt ihre Nähe zum Meer

Vor 20 Jahren bestand das Ufer von Oslo aus Werften, Silos und Lagerhäusern. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dort spazieren zu gehen (auf welchen Wegen?), geschweige denn auch nur einen Zeh in das nach Diesel stinkende Wasser zu tunken.


Und heute? Die durchgehende Uferpromenade erstreckt sich über neun Kilometer, die Industriehäfen wurden weit weg verlegt und haben Wohnvierteln mit Blick aufs Wasser Platz gemacht. Im Jahr 2000 beschloss die Stadtregierung, einen breiten Hafenstreifen langfristig aufzuwerten. Gemacht, getan: Nur zehn Gehminuten von der Altstadt entfernt stehen heute Apartmenthäuser, Restaurants beleben das Strassenbild. Öffentliche Gebäude, architektonisch reizvoll und in Sachen Energie und Verkehrszirkulation durchdacht, ziehen Touristen wie Einheimische an. Oper, Bibliothek, National- und Munch-Museum: Sie alle stellen nicht nur attraktive einzelne Leuchttürme dar, sondern sind auch als Verbund so clever konzipiert, dass man sich gern rund um sie herum aufhält. Das Zentrum ist fussgängerfreundlich, Velowege und öffentliche Verkehrsmittel sind aufeinander abgestimmt.

Nach 20 Jahren intensivem Make-over ist Oslo die aktuell coolste Hauptstadt Europas geworden.

Und vor allem: Das Auge lebt mit! Das öffentliche Mobiliar setzt auf solides Holz, das regelrecht zum Drüberstreicheln einlädt, mit einem ästhetischen Code, bei dem die Farbe Orange dominiert und Akzente aus Metall an die industrielle Vergangenheit der Docks erinnern. Das Meer ist ungezwungen und grosszügig ins Konzept integriert, mit öffentlichen Zugängen samt Leitern und Sprungbrettern; Kunst dekoriert die Promenaden, und Sitzgelegenheiten laden dazu ein, sich zum Plausch unter freiem Himmel zu treffen oder einfach Zeit allein zu verbringen – je nach Jahreszeit mit den Füssen im Wasser oder einem Tee to go in der Hand.