Die Stadt im Piemont hat eine royale Geschichte. Im Winter lohnt es vor allem, sich vor ihr zu verneigen.
1.Buntes Treiben
Der Ort Das Konzept hat sich bereits in mehreren italienischen Städten (Mailand, Florenz, Rom) verbreitet und begeistert sowohl die Einheimischen wie auch die Touristen. Der Hotspot erinnert an den Chelsea Market in New York oder das Ferry Building in San Francisco. In zahlreichen Bars, Restaurants und Geschäften werden unter einem Dach lokale Spezialitäten angeboten. Dabei wurde grossen Wert auf das Design gelegt – ideal also für den Einkauf von Delikatessen oder zum Verschnaufen und um dabei das rege Treiben zu beobachten.
Nicht verpassen Im Gegensatz zum Mercato Centrale in Mailand, der im Bahnhofsgebäude eröffnet wurde, befindet sich der von Turin auf dem grössten Marktplatz Europas. Frische Pasta, Käse, Fisch, Pizza … shoppen wie die Einheimischen – und das auch noch bis spät abends. Der Mercado Centrale hat am Wochenende sogar bis Mitternacht geöffnet. Man merkt: In Turin geht die Liebe für die Stadt durch den Magen!
2. Königlicher Ausblick
Der Ort Auf einem der Hügel Turins, nur zehn Kilometer vom Stadtzentrum entfernt, steht die barocke Basilika Superga, die der berühmten Schuhmarke ihren Namen gab. Ja, genau, das sind jene Seglerschuhe aus Stoff, mit denen man auf Gummisohlen durch den Sommer hüpft. Sie eignen sich auch bestens, um zur Basilika zu gelangen. Auf einer Höhe von 760 Metern hat man eine atemberaubende Aussicht auf die Stadt und die Alpen. In der Basilika befindet sich zudem die königliche Krypta, in der die Herrscher von Savoyen und Sardinien begraben sind. Eine hübsche altmodische Zahnradbahn bringt Besucher vom Vorort Sassi direkt zum Fusse des majestätischen Gebäudes.
Nicht verpassen Ein Ausflug in die ländliche Gegend um Turin ist ein Muss, gibt es doch so viel zu entdecken. Neben der Basilika beherbergt die Region die ehemaligen königlichen Residenzen, die Ferienorte der königlichen Familie und die Parks der Savoyens (siehe Box unten).
3. Nicht schütteln, nicht rühren
Der Ort Das Caffè Al Bicerin ist eine historische Institution, die ihren Namen dem typischen Getränk der Stadt verdankt, das hier erfunden wurde: Bicerin ist eine Art heisse Schokolade, die mit Espresso und Rahm verfeinert wird. Alle Zutaten sind übereinander- geschichtet. Es ist ein No-Go, das Getränk umzurühren! Das Café ist im Jahr 1763 gegründet worden und hat schon etliche berühmte Gäste empfangen – vom Schriftsteller Alexandre Dumas bis zur Schauspielerin Susan Sarandon. Der Bestsellerautor Umberto Eco hat es sogar in seinem Roman «Der Friedhof von Prag» erwähnt.
Nicht verpassen Nach dem Bicerin dürfen die berühmten «Pastiglie Leone» nicht fehlen. Die kleinen Bonbons gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen (Veilchen, Kirsche, Vanille, Spritz usw.). Sie sind ebenfalls eine Turiner Spezialität und kommen in hübschen Vintagedosen aus Papier oder Blech daher. Das perfekte Souvenir also für alle Daheimgebliebenen, die nicht das Glück hatten, Turin entdecken zu können.
4. Schwebende Kunst
Der Ort In Turin konkurrieren zwei Gebäude darum, die Stadt zu repräsentieren: einerseits die 167 Meter hohe Mole Antonelliana und andererseits das Lingotto, die ehemalige Fabrik des Automobilherstellers Fiat. Auf dessen Dach befindet sich die frühere Teststrecke, die heute moderne Kunstinstallationen beherbergt – alles very instagrammable. Stararchitekt Renzo Piano entwarf dort den «Scrigno» (den Schrein), eine schwebende Stahlstruktur, in der die private Kunstsammlung des Fiat-Gründers Gianni Agnelli und seiner Frau Marella ausgestellt ist. Insgesamt umfasst die Sammlung 25 Werke, die das kunstbegeisterte Paar im Laufe der Zeit zusammengetragen hat, darunter Werke von Picasso und Manet. Herzstück der Pinacoteca sind sieben Gemälde von Henri Matisse.
Nicht verpassen Im obersten Stockwerk des Lingotto befinden sich auch ein Café mit Aussicht auf die Teststrecke sowie ein Bereich, der die Geschichte dieses einzigartigen Orts erzählt. Die Pinacoteca Agnelli ist dienstags bis sonntags geöffnet
5. Die grüne Lunge der Stadt
Der Ort Der Vergleich ist naheliegend: Der Park Valentino ist der Central Park Turins, er ist nämlich weit mehr als nur eine grüne Oase. Er ist ein lebendiger Ort, in dem zahlreiche Aktivitäten und Festivals stattfinden. Zudem beherbergt er einige prächtige Gebäude, darunter das Castello del Valentino, um das die Pferde der Carabinieri weiden. Wenn das Wetter schön ist, werden die vielen Bars, die Kioske und die kleinen Cafés zu beliebten Treffpunkten. Genau wie in New York kommen die Einheimischen hierher zum Joggen oder für eine Yoga- oder Pilates-Stunde im Schatten der grossen Bäume. Zudem kann man die eleganten Ruderboote beobachten, die sanft über den Po gleiten.
Nicht verpassen Au sud du parc, au bord du Pô, se dresse un «véritable» village médiéval. Tout y est: pont-levis à l’entrée, créneaux et meurtrières, donjon et ruelles sombres, magasins qui vendent épées et boucliers… Un délice pour les enfants (notamment), reliquat surprenant de l’Exposition générale artistique et industrielle italienne de 1884.
6. Lokaler Minimalismus
Der Ort Das Boutiquehotel «Opera35» liegt an der schönen Via della Rocca, etwa auf halbem Weg zwischen dem Park Valentino und dem Platz Vittorio Veneto. Das Haus im Belle-Epoque-Stil wurde 1864 von der Familie Barbaroux erbaut und später in ein Kloster umgewandelt. Heute ist es ein Viersternehotel, das 2019 vom lokalen Architekten Davide Dutto vollständig renoviert wurde. Farben und Materialien sind minimalistisch gehalten. Unbehandeltes Holz setzt in den Gemeinschaftsräumen Akzente und eine grosse Glaswand verwandelt den ehemaligen Ausgang zum Kutschenhof in eine lichtdurchflutete Lobby. In den warmen Monaten wird der Innenhof zu einer gemütlichen Ruheoase. Das Hotel wurde so umweltfreundlich wie möglich gestaltet und alle Produkte, die zum Frühstück oder an der Bar angeboten werden, stammen von lokalen Kleinproduzenten.
Nicht verpassen Nur wenige Gehminuten entfernt befindet sich die schicke Boutique San Carlo dal 1973, die an den berühmten Conceptstore 10 Corso Como in Mailand erinnert.
www.opera35.com, www.sancarlodal1973.com
7. Zum Apero, bitte einen…
Der Ort Turin ist die Hauptstadt zahlreicher kulinarischer Köstlichkeiten, darunter heisse Schokolade, Vitello tonnato, russischer Salat (!), Grissini, Gelato und … Wermut! Um das beste Schlückchen Wermut zu geniessen, gehen die Einheimischen zu Affini. Es gibt drei Filialen (vier, wenn man die neu eröffnete im Mercato Centrale mitzählt, die jedoch nur alkoholfreie Getränke anbietet), aber die Filiale im Viertel San Salvario ist die historische Hauptadresse. Der Barkeeper ist ein Meister der Zubereitung dieses aromatisierten Weins, dem man hier Mistelle hinzufügt, einen mit reinem Alkohol angereicherten Traubenmost.
Nicht verpassen Zu viel Auswahl auf der Getränkekarte? Kein Problem, die Bar Affini nimmt am Event «L’ora del Vermouth» teil: Für Entscheidungsschwache die perfekte Gelegenheit, drei Variationen zu probieren, die grosszügig von vielen kleinen Häppchen begleitet werden.
8. Kunst statt X-Mas-Kitsch
Der Ort Während einige Städte ihre Einkaufsstrassen in der Weihnachtszeit mit Schneeflocken und blinkenden Schlitten schmücken, verwandelt sich Turin zwei Monate vor Weihnachten in eine Open-Air-Galerie für zeitgenössische Kunst. Für die 27. Ausgabe von «Luci d’Artista» werden fast 20 Installationen in Gassen, auf Plätzen oder an Fassaden von öffentlichen Gebäuden der Stadt gezeigt. Die Werke stammen von renommierten lokalen und internationalen Kunstschaffenden wie Joseph Kosuth oder Daniel Buren. Allein die Installation «Cosmometrie» auf der Piazza Carignano oder der fliegende Teppich auf der Piazza Palazzo di Città sind einen Besuch wert.
Nicht verpassen Der Beginn des Events fällt mit der «Artissima» (von 1. bis 3. November) zusammen, Italiens grösster Messe für zeitgenössische Kunst in der ehemaligen Fiat-Fabrik Lingotto. 189 italienische und internationale Galerien nehmen an der diesjährigen Ausgabe teil.
www.lucidartistatorino.org, www.museocinema.it
9. Date mit Mumien
Der Ort Das Museo Egizio ist eines der ältesten Museen der Welt, das sich ausschliesslich mit der antiken ägyptischen Kultur befasst. Es befindet sich im Herzen der Stadt, zwischen den Plätzen San Carlo und Carignano, und gehört zu den meistbesuchten Museen Italiens (Tickets also besser im Voraus kaufen). Das Rotterdamer Büro OMA gestaltet es derzeit um. Prachtstücke der Ausstellung sind etwa die riesige Sphinx-Statue, die fünf Tonnen schwere Statue des Pharaos Sethos oder der Tempel von Ellesija, der in den 1960er-Jahren als Teil eines UNESCO-Projekts vor Hochwasser gerettet wurde. Das Museum gilt als vorbildlich hinsichtlich der Art und Weise, wie es seine Artefakte erworben hat. Es besitzt über 219 Mumien und Sarkophage von Tieren sowie 24 menschliche Mumien.
Nicht verpassen In der Galerie der Könige sind in einer imposanten Ausstellung einige der schönsten und monumentalsten Statuen des Museums zu sehen. Das Ägyptische Museum ist täglich von 9 Uhr bis 18.30 Uhr geöffnet (Mo von 9 Uhr bis 14 Uhr).
10. Sternstunde der Gastronomie
Der Ort Das Restaurant Del Cambio gegenüber dem Palazzo Carignano, in dem sich einst der erste Sitz des Parlaments des Königreichs Italien befand, ist eine Institution in Turin und sogar mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Hinter der majestätischen Fassade wird eine moderne und einfallsreiche Küche geboten, der Service ist aussergewöhnlich und die Weinkarte zum Niederknien. Camillo Cavour, Mitbegründer der italienischen Nation und erster italienischer Ministerpräsident, speiste hier zwischen zwei Terminen – das Personal zeigt auf Anfrage übrigens gerne, an welchem Tisch genau. Im dazugehörigen Café-Bistro «Farmacia del Cambio» beisst man in das vermutlich beste Gipfeli der Stadt oder nippt wahlweise an einem Glas Franciacorta.
Nicht verpassen Alles sieht zum Anbeissen aus, aber der kreativ angeordnete piemontesische Salat ist ein Signature-Gericht des Chefs Matteo Baronetto. Er bietet mit mehr als 20 verschiedenen Aromen ein wahrhaft unvergessliches Geschmackserlebnis.
Als Italien einen König hatte
Die Beziehung der Italiener, und insbesondere der Turiner, zum Erbe des Hauses Savoyen ist kompliziert. Die Familie regierte nicht nur über die Region, sondern auch über Sizilien und Sardinien, bis Viktor Emanuel im Jahr 1861 der erste König Italiens wurde. 1938 unterzeichnete sein Nachfahre Viktor Emanuel III. die Rassengesetze des Mussolini-Regimes – was dazu führte, dass fast 9000 Juden und Jüdinnen deportiert wurden. 1946 führte ein Referendum zur Errichtung der Italienischen Republik – und zur Flucht aller männlichen Angehörigen der Königsfamilie ins Exil. Bis 2002 durfte kein Savoyer nach Italien zurückkehren. Symbolisch für diese Distanz der Italiener zum Hause Savoyen steht auch das private Begräbnis von Viktor Emanuel von Savoyen, das im Februar dieses Jahres stattfand. Zahlreiche administrative Hürden erschwerten die Beisetzung des letzten italienischen Kronprinzen in der Basilika Superga.
Um ein königliches Erbe zu finden, das frei von Kontroversen ist, muss man also weit in die Vergangenheit zurückblicken. In Turin und in der Umgebung gibt es jedoch zahlreiche königliche Residenzen, die prächtiger nicht sein könnten: Landhäuser, Paläste und prunkvolle Gärten. Seit 1997 sind fast 22 dieser Zeugnisse der barocken Kunst und Architektur als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt.
Elf der Gebäude befinden sich in der Stadt selbst, darunter der Palazzo Madama und die königlichen Museen. Das imposanteste ist ohne Zweifel das riesige Schloss Venaria Reale mit seiner 50 Hektar grossen Gartenanlage. Der Architekt Amedeo di Castellamonte liess sich beim Bau vom französischen Schloss Versailles inspirieren. Das Gebäude wurde seit der Wende zum 20. Jahrhundert vernachlässigt und erst 2007, nach acht Jahren Renovierungsarbeiten, wiedereröffnet.