In Luftiger Höhe um die Welt: Gondelstrecken, die man nie wieder vegisst.

1. Hongkong

Die mit dem eigenen Buddha

Die Gondelbahn Der Bau der Ngong Ping 360 zwischen 2004 und 2007 hatte durchaus etwas von einem Epos: Die aus Italien eingeflogenen Ingenieure mussten sich haufenweise innovative Lösung ausdenken, um Feuchtigkeit, Hitze und Dschungel zu trotzen. Aber es hat sich gelohnt. Heute schwebt die Seilbahn auf einer Länge von sechs Kilometern über die nahezu unberührte Natur des Lantau-Nationalparks. Nach zehn Minuten Fahrt, etwa auf halber Strecke also, taucht in der Ferne der majestätische Tian Tan Buddha auf: Die auch Big Buddha genannte Skulptur ist mit 35 Metern die grösste Bronzestatue der Welt.

Das Zückerli Bevor man die unzähligen Stufen zum Buddha erklimmt, durchquert man erst Ngong Ping, die Nachbildung eines mittelalterlichen chinesischen Dorfes aus Kunststoff und bemaltem Beton. Und nach der Kraxelei? Da stärkt man sich im Po-Lin-Kloster, das nur einen Steinwurf entfernt liegt. Aber Obacht: Das gereichte traditionellen Vegimenü verlangt nach etwas gastronomischer Risikofreude …

Ticket ca. 20 Fr., Fahrtdauer 24 Min., www.np360.com.hk
Kloster Po Lin, www.plm.org.hk

2. Nidwalden

Die für frischen Wind im Gesicht

Die Gondelbahn Das nennen wir einen Unique Selling Point: Im zweistöckigen CabriO der Stanserhornbahn fahren die maximal 60 Passagiere seit Sommer 2012 wahlweise windgeschützt oder oben ohne. Und weils unschön wäre, wenn Kabel die Sicht auf Pilatus und Co. trübten, hat der Weltmarktführer in Sachen Seilbahnbau, die Vorarlberger Firma Garaventa, die Transportvorrichtung so um die Kabinen herum verbaut, dass Letztere nicht wie gewöhnlich unter den Pfeilern durchschaukeln, sondern durch diese hindurchgezogen werden. Bis hoch auf 1898 Meter, von wo aus man bei guter Sicht (hier haben die Profis von Garaventa keinen Einfluss mehr) von den Alpen bis ins Mittelland, von der Jungfrau bis Les Diablerets, von den Vogesen bis zum Schwarzwald sieht.

Das Zückerli Clash der Generationen: Bevor in Kälti das CabriO übernimmt, muss man erst noch von Stans dort hoch. Und diesen Streckenabschnitt übernimmt ein herziges altes Standseilbähnli, das schon seit 1893 brav seinen Dienst tut.

Tickets ab 18.50 Fr., Fahrtdauer 25 Min., www.stanserhorn.ch

3. Venezuela

Die mit der düsteren Geschichte

Die Gondelbahn Die 1960 eingeweihte Meridabahn markierte die Ankunft Venezuelas in der Modernität. Und so lang und steil der Weg dahin war, so schaukelt man (12.4 km, 50 Min. Fahrt) auch auf den oft schneebedeckten Pico Espejo hoch, dessen Bergstation auf 4765 Metern bis 2008 die höchste der Welt war (dann übernahm die Dagu Glacier Gondola in China den Lead). Die Geschichte der Bahn ist freilich düster. Heftige Witterungseinflüsse und schlechte Wartung hatten am 24. November 1991 zur Katastrophe geführt: ein Seil brach, eine Gondel stürzte ab, zwei Menschen kamen zu Tode. Weil Hugo Chávez das Ding pünktlich zum 200-Jahr-Jubiläum der Unabhängigkeit Venezuelas 2010 wieder flott haben wollte (was nicht ganz klappte), ging die Schweizer Sektion der Doppelmayr/Garaventa-Gruppe ans Werk, flog mithilfe von Heliswiss 300 Tonnen Material hoch – und wartet bis heute auf die Begleichung der millionenhohen Rechnung.

Das Zückerli Herausforderung gesucht? In sechs Stunden kommt man zu Fuss von der Bergstation zum Pico Bolívar (4978 m), dem höchsten Gipfel Venezuelas.

Ticket 50 Dollar, Fahrtdauer 50 Min.

4. Bolivien

Die mit urbanen Ausmassen

Die Gondelbahn Mit aktuell zehn Linien und 30 Kilometer Gesamtlänge ist Mi Teleférico (deutsch: meine Seilbahn), welche die Nachbarstädte La Paz und El Alto in Bolivien überspannt, das grösste urbane Seilbahnnetz der Welt. Seit Präsident Evo Morales 2014 die erste Linie, die Línea Roja, eröffnete, dehnt es sich immer weiter aus – und macht die Metropole je länger, je bunter, weil jede Linie andersfarbene Gondeln bekommt. Damit haben die in den verstopften Strassen ewig verspäteten ÖV-Minibusse und die Trams, die es die steilen Hügel nicht hochschaffen, endlich ernsthafte Konkurrenz erhalten. Und die Firma Doppelmayr das grösste Projekt der Unternehmensgeschichte.

Das Zückerli Sie mussten beim Anblick von Mi Teleférico unwillkürlich an die letzten Sportferien denken? Das ist kein Zufall. Die Kabinen stammen nämlich von der Schweizer Firma CWA. Der sicht- und spürbarste Unterschied zu deren Skigondeln sind die Sitze aus Holz. Aber in Bolivien müssen die Dinger halt einen Ganzjahres-16-Stunden-Betrieb aushalten.

Tickets ab 40 cts, Fahrtdauer 3 bis 17 Min., www.miteleferico.bo

5. Kroatien

Die mit Aussicht wie vom Drachenrücken

Die Gondelbahn Die Seilbahn von Dubrovnik, die einen auf den 415 Meter höher gelegenen Berg Srd transportiert, bietet einen fantastischen Blick auf die bildschöne Altstadt und ihre Befestigungsmauern. Die 1969 eröffnete Anlage (die erste ihrer Art an der Adria!) war auch ein unglücklicher Zeuge des Kriegs in Ex-Jugoslawien: Nachdem die Bergstation während der Belagerung der Stadt 1991/92 zerstört worden war, nahm das orange Bähnli seinen Betrieb erst 2010 wieder auf. Da Dubrovnik zum Weltkulturerbe zählt, hielt man sich beim Wiederaufbau brav an die Originalpläne. Und so haben die Talstation und der einzige Pfeiler auf der Strecke ihr brutalistisches Aussehen behalten.
Die Bergstation ihrerseits passt sich farblich an den Sandstein des nahen napoleonischen Forts an.

Das Zückerli Oben auf dem Srd, der einst mit Eichen bewachsen war (das slawische Wort dubrava bedeutet Eichenhain), bietet der 1.25 km lange Spazierweg zur Festung Strinčjera ein atemberaubendes Panorama aus Stadt, Meer, Inseln … und «Game of Thrones»-Fans ergänzen gedanklich, was zu King’s Landing fehlt.

Ticket 6 Fr., Fahrtdauer 3 Min., www.dubrovnikcablecar.com

6. Kanada

Die mit dem Timing-Trick

Die Gondelbahn Die Peak 2 Peak entstand aus dem Traum zweier Unternehmer, den sie einst in Zermatt zu träumen begannen. Hugh Smythe und Paul Mathews tüftelten gerade an der Entwicklung der Skigebiete von Whistler Mountain und Blackcomb Peak nördlich von Vancouver, als ihnen beim Überfliegen der Kleinmatterhornbahn die Idee kam, das 4.4 km lange Tal zwischen «ihren» Bergen zu überbrücken. Doppelmayr/Garaventa und der Brugger Stahlseilhersteller Fatzer AG machten den Traum 2008 wahr. Zwischen der «Talstation» (auf 1870 m) unterhalb des Gipfels des Whistler Mountain (2181 m) und der «Bergstation» (1834 m) am Blackcomb Peak (2436 m) besteht ein Höhenunterschied von nur 36 Metern, aber die freie Spannweite zwischen den Stützen misst 3024 Meter – was bis zum Bau der Zugspitze-Eibsee-Bahn 2018 Weltrekord war.

Das Zückerli 28 Gondeln (für max. 28 Personen) transportieren 2500 Berghungrige pro Stunde und Richtung. Da brauchts ausgeklügeltes Timing, will man zwischen den 26 rot gestrichen eine der zwei silbernen erwischen: Nur die haben einen Glasboden …

60 Fr., Fahrtdauer 11 Min., www.whistlerblackcomb.com

7. China

Die mit dem Loch im Fels

Die Gondelbahn Hoch, höher, noch höher … Die Tianmen-Bergbahn ist mit ihren 7455 Metern Länge weltweit unerreicht. Ein halbe Stunde gondelt man über die von saftigem Grün überwucherte Karstlandschaft, die dem Klischeebild vom Ewigen China sehr, sehr nahe kommt … Und die Ewigkeit ist auf dem Tianmenshan, dem «Himmelstor-Berg», tatsächlich ein Stück weit zu Hause, schliesslich stammt das Kloster auf seiner Spitze aus der Tang-Dynastie, wurde also vor über 1000 Jahren erbaut! Um es zu erreichen, musste man früher die spektakuläre Strasse der 99 Kurven hochfahren – bis der französische Seilbahnbauer Pomagalski (POMA) 2005 den Auftrag seines Firmenlebens fertigstellte.

Das Zückerli Von der Zwischenstation führen 999 Stufen (die Zahl symbolisiert ewiges Leben) zum Himmelstor hoch, einem natürlichen Fenster im Berg, durch das auch gern mal Wingsuit-Flieger sausen. Seit 2016 klebt zudem ein Skywalk mit Glasboden an einer senkrechten Felsbiegung. Nichts für Schwachmaten. Nervenaufreibender, als drauf zu wandeln, ist nur, zu googeln, wie das Ding gebaut wurde …

Ticket 33 Fr., Fahrt 30 Min, www.tianmenshan.com.cn

8. Wallis

Die für gehobene Ansprüche

Die Gondelbahn Dieses vom italienischen Kult-Designstudio Pininfarina entworfene Gondel-Quartett ist wie geschaffen für alle, denen das Beste gerade gut genug ist: Der im Herbst 2018 eröffnete Matterhorn Glacier Ride – die höchste 3S-Bahn der Welt, notabene – zwischen Trockener Steg und Klein Matterhorn kann dank vier mit Swarovski-Kristallen besetzten und beheizten Sitzen ausgerüsteten Spezialkabinen zum Crystal Ride up-gegraded werden. Ihr eigentliches Geheimnis lüften sie nach rund drei Minuten Fahrt, wenn sich der verdunkelte Glasboden plötzlich klärt und die Sicht auf die 170 Meter tiefer gelegene Gletscherlandschaft freigibt.

Das Zückerli Noch ein paar Superlative gefällig? Mit der auf 3883 m gelegenen Bergstation ist die Glacier Ride die höchste Gondelbahn Europas. Vom Gipfel des Klein Matterhorns aus sind sagenhafte 38 Viertausender und 14 Gletscher zu sehen. Ausserdem sind die Wände der Tal- und Bergstationen mit Solarpanels bedeckt, die das Tageslicht durchlassen.

Tickets ab 10 Fr., Fahrt 10 Min. In der Wintersaison nur auf Anfrage. www.matterhornparadise.ch

9. Brasilien

Die, mit der schon 007 fuhr

Die Gondelbahn Er gehört zu den vier ältesten Seilbahnen der Welt, die Teleférico do Pão de Açúcar. Seit 1912 befördert sie die Einwohner Rio de Janeiros und ihre Besucher fleissig auf den Gipfel des Zuckerhuts, zunächst über die Badenden am Roten Strand hinweg, dann über dem feuchten Dschungel, bevor einem die Sicht auf den Atlantik, die Buchten und Hügel von Rio bis zur Copacabana den Atem raubt. Die 1972 in Betrieb genommenen Gondeln im Sixties-Look wurden 2008 ersetzt – aber wohlwissend um die enge Verbundenheit der Cariocas mit ihrem Bondinho (Bähnchen) bat die Stadtbehörde die Verantwortlichen von der Schweizer Firma CWA, beim Design der neuen Gondeln nicht zu stark vom Kultmodell abzuweichen.

Das Zückerli Erinnern Sie sich an die Szene in «007: Moonraker», in welcher der Beisser von seiner Kabine zu jener von James Bond springt und nach dem obligaten Gerangel in die Talstation donnert? In Wahrheit ist der Bondinho eine der sichersten Einrichtungen, die es gibt. Sein Riesenmotor steckt sogar die Spannungssprünge des brasilianischen Stromnetzes locker weg.

Ticket ca. 20 Fr., Fahrtdauer 5 Min., www.bondinho.com.br

Paris hat bald die erste urbane Seilbahn Europas

Welche Vorteile hat Seilbahnverkehr im urbanen Raum?

Zunächst einmal ist eine Seilbahn viel schneller realisiert als ein Zug- oder U-Bahn-Projekt und beansprucht im Vergleich eine minimale Bodenfläche. In einer Stadt, die vom Verkehr verstopft ist, können diese Variablen entscheidend sein. Ferner ist es eine bequeme Art der Mobilität. Und nicht zuletzt können Hindernisse wie ein Fluss einfach überwunden werden.

Wann ist ein städtisches Seilbahnprojekt gelungen?

Wenn sie an die bereits vorhandene Infrastruktur anknüpft, zum Beispiel an einen grossen Parkplatz oder ans bestehende ÖV-Netz. In Koblenz zum Beispiel wurde die Seilbahn für die Bundesgartenschau später von der Stadt übernommen und sogar von der Unesco abgesegnet. Die Region gehört ja zum Weltkulturerbe.

Il reste du chemin pour que les télécabines urbaines soient prisent au sérieux en Europe.

Und wie überzeugt man Behörden und Anwohner?

Erfolgreiche Projekte sind da sehr hilfreich. Ich denke etwa an jenes zur Überquerung der Themse im Rahmen der Olympischen Spiele in London. Oder an jenes, das derzeit in Paris entsteht und einen ganzen Teil der Region Île-de-France mit dem bestehenden ÖV-Netz verbinden wird.

Gondeln in der Stadt? Seltsam …

Wir Schweizer assozieren Gondeln automatisch mit Skigebieten. Moderne städtische Kabinen bieten ihren Fahrgästen wie im Bus oder Tram über Bildschirm und Lautsprecher stadtrelevante Informationen und sind für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich.

Aber kein Städter schätzt es, wenn plötzlich Leute an seinem Fenster vorbeigondeln …

Dafür gibt es technische Lösungen. Scheiben können mit Folien sowohl permanent als auch temporär blickdicht geschaltet werden.

Christophe Grob

Head of Sales / Marketing bei CWA, Olten, einem der weltweit führenden Hersteller von Seilbahnkabinen