1895 begann Glatz mit handgefertigten Regenschirmen, heute ist das Unternehmen ein international gefragter Hersteller für massgeschneiderte Sonnenschirme.

Seit 130 Jahren und vier Generationen folgt die Familie Glatz derselben Maxime: der Zeit stets einen Schritt voraus zu sein. Das 1895 von Albert Glatz gegründete Unternehmen mit Sitz in Frauenfeld fertigte zunächst Regen- und Trachtenschirme, später dann Sonnenschirme – und zwar einige der besten weltweit.

COO Rolf Keller begrüsst uns im neuen Hauptsitz, den Glatz letztes Jahr bezogen hat. Auf rund 8000 Quadratmetern sind unter einem Dach Forschung und Entwicklung, Produktion, Verwaltung sowie ein Schulungszentrum vereint. Sichtlich stolz führt Keller durch die luftigen Räumlichkeiten – denn die Herstellung von Sonnenschirmen braucht Platz.

Wir beginnen unseren Rundgang im Herzstück der Firma: der Näherei. «Die Überzüge unserer Schirme werden individuell nach Kundenwunsch gefertigt. Dafür verwenden wir hochwertige Polyacrylstoffe, die wir aus Spanien, Italien und Österreich beziehen und einlagern – aktuell etwa 600 Rollen in 80 verschiedenen Farben.» Den Kunden stehen sämtliche Farbtöne sowie alle erdenklichen Kombinationen offen. Aus den Varianten von Farben, Formen und Gestellen lassen sich rund 20   000 unterschiedliche Sonnenschirme kreieren.

Und doch: «Die Mehrheit unserer Kundschaft entscheidet sich für unifarbene Modelle in neutralen Tönen.» Gerade Streifenmuster seien derzeit zwar wieder gefragter, machten mengenmässig aber nach wie vor nur einen kleinen Teil der Bestellungen aus.

Ist die passende Stoffrolle einmal ausgewählt, wird sie aufgespannt, und die Segmente werden anhand eines Schnittmusters elektronisch zugeschnitten. Damit der Schirm später überall perfekt gespannt ist, sind genau berechnete Hinter- und Kurvenschnitte erforderlich – genau dieses Know-how und diese Präzision machen die Qualität der Glatz-Näherei aus.

Gross- und Gartenschirme

Vor Beginn der Produktion bekommt jeder Schirm seinen eigenen kleinen Wagen zugeteilt: Was am Ende zusammengehört, bleibt zusammen, von Anfang an. «Sobald ein Schirm in Arbeit ist, soll er die nötigen Produktionsschritte so effizient wie möglich durchlaufen – das ist uns sehr wichtig.» Ein individuell gefertigter Gartenschirm ist in der Regel innerhalb von zehn Arbeitstagen versandbereit. Bei Grossschirmen beträgt die Produktionszeit – je nach Modell und Komplexität – zwischen zwei und vier Wochen.

Nach dem Zuschnitt folgen das Nähen des Saumes, das Zusammennähen oder Zusammenschweissen der einzelnen Segmente sowie das Anbringen der Befestigungselemente und Einzugshilfen. Der dabei verwendete Faden ist von spezieller Art. «Unsere Fäden quellen im Kontakt mit Wasser leicht auf, wodurch die Nähte bei Regen einen gewissen Grad an Wasserundurchlässigkeit erhalten.»

Für die kleineren Terrassen- und Gartenschirme endet die hausinterne Produktion an diesem Punkt. Die genähten Überzüge werden eine Etage tiefer geschickt, wo sie auf die fixfertig angelieferten Aluminiumgestelle eines Joint-Venture-Partners – man arbeitet seit über 30 Jahren zusammen – aufgespannt und für den Versand verpackt werden.

Die Aluminiumprofile für die Grossschirme werden zwar in Italien oder der Türkei gemäss den Konstruktionszeichnungen des Glatz-Designteams produziert, dann jedoch in Frauenfeld mit all dem ausgestattet, was sie benötigen: Verstrebungen, Befestigungselemente, Verkabelung, LED-Streifen, Heizelemente – je nach den Wünschen des Kunden.

«Pro Jahr produzieren wir zwischen 3000 und 4000 Grossschirme und rund 20  000 Gartenschirme. Besonders der Markt für Grossschirme wächst stark, die Masten sind in allen RAL-Farben erhältlich.» Die einst so beliebten Holzgestelle werden teilweise abgelöst. Keller erklärt: «Es wird immer schwieriger, geeignetes Material zu finden, Holz als Naturprodukt altert unter den Witterungsbedingungen nur bedingt gut. Derzeit arbeiten wir an der Entwicklung eines Holzimitats aus beschichtetem Aluminium, was sehr vielversprechend ist.»

Während sich Materialien, Designs und Kundenwünsche im Laufe der Jahrzehnte verändert haben, bleibt bei Glatz eines konstant: der Anspruch, Sonnenschirme nicht nur zu fertigen, sondern stetig weiterzudenken.

Rolf Keller

Der Thurgauer startete seine Laufbahn mit einer Lehre als Maschinenmechaniker, bildete sich zum Maschinenbautechniker HF weiter und studierte anschliessend Internationales Management. Nach einem CAS in Produktionsmanagement und rund 15 Jahren internationaler Tätigkeit als Projektleiter – unter anderem in Deutschland und Ungarn – kehrte er 2017 zurück in die Schweiz und übernahm die Position des Produktionsleiters bei der Glatz AG. Seit 2023 ist der zweifache Vater Teil der Geschäftsleitung als Chief Operations Officer.