Die Uhrenmarke Vacheron Constantin bringt ein Modell auf den Markt, das die Klöppelkunst der venezianischen Insel Burano nachahmt – zarte Spitze in Gold und mit Diamanten. Virtuosität, gespeist aus historischer Inspiration und moderner Ästhetik.

„Willkommen, willkommen!“ Der Kurator des Spitzenmuseums von Burano, Andrea Bellieni, kann sein Glück kaum fassen, als er an diesem Spätherbstmorgen eine Gruppe internationaler Journalisten empfängt, die von Vacheron Constantin hierher gebracht wurden. Die Uhren der renommierten Marke sind eine Meisterleistung in Sachen Mechanik. Einen Einblick in die filigrane Arbeit zu erhalten ist eine Ausnahme. Die Sonne scheint auf die Lagune und beleuchtet die bunten Fassaden der Gebäude. Die Insel liegt nahe des Zentrums von Venedig – hier befindet sich die ehemalige Schule für Spitze, heute ist sie ein Museum.

Andrea Bellieni hält mit Inbrunst eine Rede auf Italienisch und auf Englisch, betont, wie schwierig es ist, die Kunst des Klöppelns für kommende Generationen zu bewahren. Diese zarte Verrücktheit, ähnlich einem Spinnennetz mit Blumenmustern. „Wir sind dankbar“, sagt er, „für dieses Schlaglicht, das die exquisite Handwerkskunst von Generationen von Frauen auf Burano wieder ins Rampenlicht rückt.“

Die unverhoffte Aufmerksamkeit kommt in Form einer aussergewöhnlichen Uhr daher. Sie interpretiert die Kunst der Spitzenklöppelei neu – mit Gold und fast 300 Diamanten. Mit der Einführung der Kollektion Egérie im Jahr 2020 wollte Vacheron Constantin seine Verankerung in der weiblichen Ästhetik bekräftigen. Ende des letzten Jahrhunderts hatte sich die Marke – auch ausgelöst durch die Begeisterung für schöne mechanische Uhrwerke und Komplikationen – vor allem für Herrenmodelle einen Ruf erarbeitet In den Archiven der Marke finden sich jedoch auch filigrane und goldene Damenuhren, die wunderschön verziert sind.

Insbesondere zur Zeit des Jugendstils und später des Art-déco gab es eine Fülle an solchen kleinen Delikatessen. Die Egérie Creative Edition knüpft an diese raffinierte Tradition an, überträgt sie aber in eine zeitgenössische Ästhetik, indem sie eine Vielzahl von Kunsthandwerker zusammenbringt: Die Graveure fertigten eine äussere Applikation aus Weissgold an, die so dünn ist, dass man sie nicht zwischen zwei Fingern halten kann, ohne sie zu verbiegen. Ausserdem hatten sie die Freiheit, sich bei jedem Stück ein wenig anders auszudrücken und jede winzige, haarfeine Verdrehung nach eigenem Geschmack und Ermessen zu fertigen.

Die Juwelenfasser verwendeten die Technik der Perlenfassung, bei der der Diamant zwischen winzigen Goldperlen eingefasst ist – die Fassung ist viel weniger sichtbar als  eine Fassung mit Krappen. Das dunklegraue, fast schwarze Emaille hebt den Plissee-Effekt hervor. Ihn gleichmässig zu erzeugen ist extrem schwierig. Das Plique-à-jour-Email, das den Mond mit einem opalisierenden Schimmer überzieht, ist von der Glasmalerei inspiriert. Der Hintergrund des Zifferblatts ist mit einem Tapisseriemuster versehen, das mithilfe einer Maschine aus dem frühen letzten Jahrhundert hergestellt wurde. „Dieses Modell strahlt viel Eleganz und Raffinesse aus und ist eine Hommage sowohl an die Spitze als auch an unser Kunsthandwerk. Diese Feinheit der Ausführung ist bemerkenswert“, freut sich Christian Selmoni, Direktor für Stil und Erbe bei Vacheron Constantin.

Wie poetisch die Verbindung zwischen der Uhrmacherei und Spitze ist! Das gewählte Blumenmotiv ist ein Klassiker der Burano-Tradition, die ihre Blütezeit Mitte des 18. Jahrhunderts erlebte. Im selben Zeitraum, 1755, wurde die Manufaktur von Vacheron Constantin in Genf gegründet. „Die Inspirationsquelle lag für unsere Designer auf der Hand. Wie die Uhrmacherkunst ist die Herstellung von Spitze eine jahrhundertealte Fertigkeit, die man bewahren muss. Das Echo zwischen unseren beiden Welten hat uns verführt.“

Während die Welt der Uhren weiterhin (und wieder!) junge Talente anzieht, ist dies bei der Klöppelkunst nicht der Fall. Im Spitzenmuseum, dem Museo del Merletto in Burano, werden zarte Wunderwerke ausgestellt, die man lieber auf Abendkleidern als in einer Vitrine sehen würde. Von Raum zu Raum erfährt man mehr über die Anfänge im 15. Jahrhundert, als Spitze noch eine Stickerei auf Textilien war, die dann zugeschnitten wurde. Erst später, im 17. Jahrhundert, zeichnete sich Venedig durch die „punto in aria“ aus, eine strukturlose Technik, bei der nur der Faden das Muster zusammenhält. Als Arbeit von Nonnen und Jungfern waren die Kragen und Manschetten oft für den Klerus bestimmt. Und so ist es nicht ungewöhnlich, dass aus dem Baumwollfaden Szenen aus der Passion Christi entstanden sind.

Als die Aristokratie ebenfalls Gefallen an diesem kostbaren Schmuck fand, eroberten die floralen Motive alle Bereiche des Designs: modische Textilien wurden mit ihnen bedruckt, in der Architektur wurden ihre Voluten abgebildet. Angesichts der Preise, die die luftigen Stickereien erzielten, zögerten der Sonnenkönig und Colbert nicht, Spitzenklöpplerinnen aus Burano zu entführen, um eine eigene französische Industrie aufzubauen, die sich vor allem in Calais ansiedelte. Erst die Französische Revolution setzte der Begeisterung für die Handwerkskunst ein Ende.

Das Museum in Burano war früher eine Schule: Sie wurde 1872 von Königin Margarete von Savoyen und ihrer Hofdame, der Gräfin Andriana Marcello, eröffnet. Damals ging es darum, die Nadelarbeit wiederzubeleben, um den Fischerfamilien ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen. Die Königin stellte sogar Motive aus ihrer eigenen Sammlung zur Verfügung. Bis zu 600 Mädchen versammelten sich – das Mittagessen wurde offeriert – und versuchten, die Motive und Handgriffe zu erlernen, die verloren zu gehen drohten. Die Bemühungen zahlten sich aus – zumindest für einige Zeit. Von 1900 an gewann mit der zunehmenden Leidenschaft für angewandte Kunst auch die Spitze wieder an Bedeutung.

Heute treffen sich noch immer sechs Klöpplerinnen regelmässig im Museum und schwingen die Nadeln, bis sie klackern. In diesem ganz besonderen, weichen Licht Venedigs, wenn die Sonne sich diffus in den Fassaden und dem Wasser spiegelt. Die „Lehrerinnen“ sind bereits über 80 Jahre alt und unterrichten eine Handvoll begeisterter Frauen – darunter ein 10-jähriges Mädchen, das von allen für seine Geschicklichkeit gelobt wird. Ihre Nonna Maria ist 86 Jahre alt. Sie lernte das Klöppeln, als sie gerade einmal 6 Jahre alt war, zwei Jahre lang wurde sie sieben Stunden am Tag unterrichtet. Ihre Augen leuchten, wenn Besucher sich nach ihrer Arbeit erkunden, etwa nach dem goldenen Schmetterling, der gerade unter ihren Fingern entsteht.

Aus einer grossen Schultasche zieht sie runde oder quadratische Deckchen und Piquot-Bordüren, die von durchsichtigen Plastikbeuteln geschützt werden. Trotz ihrer Fingerfertigkeit braucht sie einen, manchmal sogar zwei Monate, um ein zartes Gespinst zu fertigen. Nostalgiker würden ihr am liebsten alles unter den Fingern wehkaufen – aber wie passen die Schönheiten aus einer anderen Zeit zu modernen Einrichtungen? Maria selbst tut sich schwer damit, ihre Arbeit aus der Hand zu geben: „Mein Herz blutet jedes Mal, wenn ich mich von einem Stück trenne“, sagt sie lächelnd. „Ich habe so viel Zeit mit jedem einzelnen Stück verbracht…“. Die Andriana Marcello-Stiftung, deren Vorsitzende Marina Marcello, die Enkelin der Dame de Compagnie, ist, bemüht sich darum, die poetischen Arbeiten zu vermarkten. Das Modehaus Dior bestellte kürzlich handverzierte Servietten für ein Galadinner im Teatro La Fenice. Hin und wieder kommen auch Künstler vorbei. Die Spitzenklöpplerinnen hoffen, dass ihre Arbeit wieder in Mode kommen wird, wie es im Laufe der Jahrhunderte schon mehrmals der Fall war. Sie halten durch, geben ihre Kunst weiter, schwingen die Nadel, das zylindrische Kissen auf den Knien verkeilt, als Unterstützung für ihre Fadenmuster.

Was die Uhr betrifft, die von dieser schönen Geschichte inspiriert ist: Sie wird so bedächtig wie eine Spitzendecke hergestellt. Die Egerie Creative Edition ist nicht limitiert, aber angesichts der zu koordinierenden Kunsthandwerker kann man nicht mehr als zehn Exemplare pro Jahr erwarten. „Das ist in der Tat die Kapazität der Manufaktur“, sagt Christian Selmoni. Aber wird sie zwangsläufig weibliche Handgelenke schmücken? Mit einem Durchmesser von 37 mm ist die Grösse unisex. Passt sowohl zum Ballkleid wie auch zum strengen Herren-Smoking. Einfach Spitze, eben!

Das Museum in Burano

Die Uhren Kollektion von Vacheron Constantin