Auf der Schulter, in der KragenMitte, am Ärmel ... Nur nicht am Revers! Die Brosche ist wieder da. Aber so haben wir sie noch nie gesehen.

Suche die Gemeinsamkeit zwischen Queen Elizabeth II. und dem franko-amerikanischen Jungschauspieler Timothée Chalamet! Erstere ist 95, Letzterer 25; sie lebt in einem Schloss, schlichtet Familienzwistigkeiten und spricht zum Volk; er hat sich von Lily-Rose Depp getrennt und kämpft im Science-Fiction-Streifen «Dune», der dieser Tage herauskommt, gegen die Mächte des Bösen. Und doch! So weit diese zwei Heroen der Jetztzeit auch
voneinander entfernt sein mögen, so teilen sie zumindest eine ästhetische Leidenschaft: die Vorliebe für Broschen. Ihre Majestät trägt regelmässig ein Stück aus ihrer umfangreichen Sammlung, die auf rund hundert Exemplare geschätzt wird, spazieren – etwa jene diamantbesetzte Weissgoldschleife, die sie von ihrer Ururgrossmutter, Königin Victoria, geerbt hat. Timothée Chalamet nennt zwar keine derartigen Kleinode sein Eigen; doch die Brosche, die er letztes Jahr auf dem roten Teppich bei den Oscars an seine Bomberjacke gesteckt hatte, muss sich vor den Juwelen der Queen wahrlich nicht verstecken: Es war ein Stück von Cartier aus dem Jahr 1955, besetzt mit Diamanten und wunderschönen burmesischen Rubinen.

Albright hatte es drauf

Der Fall ist klar: Die Brosche erlebt ein spektakuläres Comeback. Gut so, bei all der Tristesse, die uns das reale Leben gerade beschert. Fackelträger der Bewegung sind natürlich die Stars. Wir erinnern uns an Lady Gaga, die bei der Amtseinführung von Joe Biden die Nationalhymne sang und zu dem Anlass eine riesige Brosche in Form einer goldenen Taube (von Schiaparelli) über ihrer linken Schulter trug. Der symbolische Aufruf zum Frieden war laut und deutlich – und illustriert schön die Tradition, mittels einer Brosche eine versteckte Botschaft zu transportieren. Madeleine Albright, die US-Aussenministerin während der Clinton-Ära, war bekannt dafür, bei diplomatischen Begegnungen auch ihre Broschen zum jeweiligen Verhandlungspartner sprechen zu lassen. Nachdem Saddam Hussein sie als «Schlange, die ihresgleichen sucht» bezeichnet hatte, trug Albright beim nächsten Treffen eine hübsche Schlangenbrosche überm Schlüsselbein.


Als sie später bei einem Gipfeltreffen zur Situation in Tschetschenien Wladimir Putin gegenüberstand, fassten die berühmten drei Affen der Weisheit – einer hält sich die Ohren zu, der zweite den Mund und der dritte die Augen – die Politik des russischen Präsidenten pointiert zusammen. Noch ein Beispiel gefällig? Die angriffslustige gelbe Biene auf ihrer Schulter, die Jassir Arafat signalisiert, sie sei bereit zu stechen, sollten die Gespräche nicht schneller vorankommen. Ihre Broschen fand die Diplomatin auf Flohmärkten, bei Juwelieren und in Souvenirläden; manchmal erhielt sie auch eine als Geschenk. Ihre Sammlung wurde in einer Ausstellung gezeigt, die um den Globus tourte und aus der 2009 das Buch «Read My Pins» (eine Anspielung auf den Ausdruck «Read My Lips») hervorging. Clever getitelt. Eine Anstecknadel funktioniert ein bisschen wie eine Botschaft auf einem T-Shirt – bloss feinsinniger. Eine witzige Art, aufrührerische Tweets zu kontern.

Harte Kerle, zarter Schmuck

Neben ihrem geerbten Talent, vergnügt (unbequeme) Botschaften zu übermitteln, besticht die neue Broschengeneration vor allem dadurch, dass sie auch an Männern gesichtet wird. Was diesem Accessoire die – seien wir ehrlich! – lang bitter nötige Portion Pep verleiht. Der Schauspieler Jared Leto trug ein funkelndes Doppel-G zur Show seines Freundes Alessandro Michele, dem künstlerischen Leiter von Gucci, der selbst gern Broschen entwirft. Köstlich etwa das mit Glasperlen und Pailletten bestickte Modell Bananya, das drei in Bananenschalen gehüllte Kätzchen dar-stellt. Auch der unerhört gut aussehende Herzog von Hastings aus der Netflix-Serie «Bridgerton», Regé-Jean Page, trägt im wirklichen Leben Perlenbroschen. Sogar drei aufs Mal: am dazugehörigen Jackett von Alexander McQueen. Und Antonio Banderas wurde mit einer elegante Blumengirlande auf dem Smoking gesichtet, die reizvoll mit seinen kantigen Gesichtszügen kontrastierte.


Mit anderen Worten: Die neuen Broschen laden dazu ein, mit ihnen zu spielen. Laut Mary-Ethel Simeonides, der sehr eleganten Pressesprecherin des Edeljuweliers Van Cleef & Arpels, sollte man nur eines nie – wirklich nie – tun: die Brosche am Revers tragen. «Vor allem, wenn Sie eine Frau sind. Es gibt nichts Langweiligeres», sagt Simeonides, die gern Blumenbroschen am unteren Ende ihrer Jackenärmel befestigt. «Eine Brosche zwischen Brust und Schlüsselbein ruiniert die Silhoutte. Experimentieren Sie stattdessen mit anderen Platzierungen.» Ein paar Schmetterlinge passen beispielsweise auf die Schulter, ganz so, als wären sie gerade dort gelandet. Ein Korb mit Obst? Hängt als delikater Happen am Rollkragen oder an der Schleife um den Hals.


Was jetzt zu tun bleibt? Das Familien-Schatztrückli zu durchwühlen und allfällige Schätze zu heben. Und sie dann vielleicht einem modisch unerschrockenen Herrn an die Jacke zu stecken.

Nature

Insekten sind ein Broschen-Klassiker. Diese kostbare Libelle von Van Cleef & Arpels lassen wir besonders gern auf uns landen. Weissgold, Saphire und Diamanten, 15 350 Fr.

Fantasie

Brustwarzen verstecken? Ach was, im Gegenteil! Dieses Exemplar von Schiaparelli samt integriertem Nippelpiercing hat mit sieben Zentimetern Durchmesser allerdings einen gewissen Platzanspruch. Vergoldetes Metall, ca. 600 Euro.

Königlich

Dieses edle Stück von Cartier könnte glatt aus dem Privatbesitz der Queen stammen. Platin, Gold, Diamanten, Rubin-Cabochon (ca. 30 ct). Preis auf Anfr.