Im Oversize-Look, dekonstruiert, aus echtem Fell oder Synthetisch – die Lammfelljacke lässt uns im Winter nicht kalt.

Die verbannung des politisch unkorrekten Pelzes hätte auch das Ende dieses ikonischen Kleidungsstücks einläuten können – zumindest bei der jüngeren Generation. Entgegen aller Erwartungen entpuppt sich die gewendete Lammfelljacke jedoch als widerstandsfähig und war in überarbeiteter Form an den meisten Herbst-/Winter-Schauen 2022/23 zu sehen.

Bunte Wolle bei Hermès und Paul Smith, Oversize-Schnitte bei Loewe und Y/Project oder eine Fliegerjacke mit Kapuze bei Kenzo. Ob echtes oder falsches Fell, die Designschaffenden interpretieren das unverkennbare Kleidungsstück auf ihre eigene Art und Weise. Ivan Benjamin, Vizepräsident von SwissFur, erklärt: «Die Shearling Jacket ist eine Mischung aus Leder und Wolle. Die Haut stammt oft von Lämmern, weil sie leichter und geschmeidiger ist als die von Schafen. Die Tiere stammen meist aus der Toskana, Frankreich oder Spanien.»


Die Jacke ist leicht, hält warm und passt sich allen Stilen an: Das Wort Shearling bezeichnet junge Lämmer, die nur einmal geschoren wurden. Dominique Harnois, Gründerin der Académie du Luxe, die in Montreux und Paris Weiterbildungen für Fachleute anbietet, überrascht das Comeback keineswegs: «In unserer hektischen Zeit entspricht dieses Kleidungsstück genau dem Bedürfnis nach Komfort, Wärme und Schutz. Es ist ein Cocooning-Kleidungsstück par excellence und die neuen Designs – weiter geschnitten, praktischer, manchmal mit Kunstpelz – entsprechen perfekt dem aktuellen Geschmack.»


Die Verwendung von tierischen Materialien sieht die Expertin differenziert: «Es gibt eine starke Ablehnung gegenüber Pelzen wie Nerz oder Hermelin, die aus Farmen stammen. Auch weil sie als Machtsymbole wahrgenommen werden. Dagegen werden Häute vom Kalb oder von der Ziege, die auch für Lederwaren verwendet werden, noch toleriert.»

Erstmals wurden Tierhäute in der Urzeit und während der ersten Eiszeiten getragen. Nach der Rückkehr von der Jagd trennten die Neandertaler das Fleisch von den Häuten, um aus dem Leder isolierende Bodenmatten und Kleidungsstücke herzustellen. Während damals noch «Trophäen» wie Wolfshaut verwendet wurden, markierten die selbstgemachten Jacken aus Schaffellen die Anfänge des Hirtenwesens im Mittelalter. In jener Zeit, als sich die Oberschicht mit Fuchs oder Hermelin schmückte, trugen Bauern Mäntel aus Schaf- und Ziegenwolle, um die Heide zu durchstreifen.

Damals allerdings noch mit der Wolle nach aussen. Im Laufe der Jahre wurden die Wasch- und Trocknungstechniken immer besser, sodass zunehmend elegantere Stücke hergestellt werden konnten. Im viktorianischen England, der Heimat von zahlreichen Schafsgattungen, schützten Shearling Jackets sowohl die Arbeiter als auch die wohlhabenden Schichten.

Liebling von Piloten und Stars

Die warme Wolle und das weiche Leder bieten einen hohen Tragekomfort inklusive perfekter Wärmeisolierung. In den 1920er-Jahren hatte der amerikanische Fallschirmspringer Leslie Leroy Irvin die Idee, aus den Materialien eine Bomberjacke zu entwickeln, die den Temperaturen in den kabinenlosen Kampfflugzeugen der Royal Air Force standhalten konnte.

Die legendäre Jacke bestand aus naturbelassenem, gewendetem Schaffell und war an den Handgelenken und am Kragen mit Wolle besetzt, damit die Kälte nicht eindringen konnte. Die Irvin Sheepskin Flying Jacket verbreitete sich in vielen Ländern, während die Amerikaner später einige Verbesserungen für verschiedene Pilotenprofile einführten: Kategorie A aus Leder, Seide oder Baumwolle für normale Flieger und Kategorie B aus Schafswolle für Bomber und Jäger im Winter.


Ursprünglich von Kriegshelden getragen, wurde das gewendete Lammfell zum beliebten Kleidungsstück der Stars: Marlon Brando und James Dean zeigten sich damit auf der Bühne und in ihrer Freizeit. In den 1960er-Jahren kleideten sich Hippie-Mädchen in lange afghanische Mäntel aus langhaarigem Schaffell, und in den 70er- und 80er-Jahren trugen Robert Redford und Alain Delon kanadische Dreiviertel- oder Trenchcoat-Versionen, bevor die Beliebtheit der Mäntel nachliess. In den 2000er-Jahren markierte der Erfolg des UGG-Stiefels, der zunächst von australischen Surfern getragen wurde, das Comeback des Materials.


Die Designer haben es modernisiert, Ikonen der Strassenkultur und Filmstars tragen es, weil es authentisch, ikonisch und populär zugleich ist.