In Elie Saabs Entwürfen kann man jetzt auch Platz nehmen: die Interiorlinie Maison spiegelt seine Couture wider. Saabs Pariser Wohnung kommt dagegen maskulin daher.
Die Frage, warum es genau diese Wohnung sein musste, erübrigt sich, sobald man sie betritt. Goldenes Herbstlicht strahlt durch geöffnete Flügeltüren. «Ich sehne mich immer nach Sonne», sagt Elie Saab. «Deshalb liebe ich die grosszügigen Fensterfronten, die in alle Himmelsrichtungen weisen.» Der imposante Blick auf den Eiffelturm war da nur noch das Tüpfelchen auf dem i.
Nachdem der libanesische Haute-Couture-Schneider 2005 definitiv als Mitglied in den Pariser Modeolymp aufgenommen wurde, suchte er für seine fünfköpfige Familie eine adäquate Residenz. Die Bronzeskulptur von Jean-Claude Hug im Entrée ist für ihn ein ganz persönliches Symbol des Erfolgs: «Als ich Anfang der 80er nach Paris kam, um Mode zu studieren, habe ich mich in einer Galerie genau in diese Skulptur verliebt. Damals war sie unbezahlbar für mich.»
Das Studium konnte dem jungen Schneidergenie nicht viel Neues lehren. Ausserdem wollte er als ältestes von fünf Kindern möglichst schnell seine Familie unterstützen und sein eigenes Geld verdienen. Er hängte das Studium an den Nagel, ging zurück nach Beirut und eröffnete mit gerade einmal 18 Jahren sein erstes Atelier. Ein voller Erfolg. In dem darbenden, vom Krieg gebeutelten Land waren seine verschwenderischen Traumroben genau die Realitätsflucht, nach der die Damen der Gesellschaft sich sehnten. Das Geschäft florierte, Saabs Taschen füllten sich und auch seine Wohnung: Er begann, Skulpturen und Objekte zu sammeln, vorrangig aus den 70er-Jahren. «Stellen Sie sich vor – just, als ich diese Wohnung einrichten wollte, wurde mir genau diese Skulptur angeboten. Und diesmal konnte ich sie mir leisten.»
Die 500-Quadratmeter-Wohnung – wobei der Begriff Palast passender wäre – befindet die sich in einem typischen Haussmann-Gebäude aus dem 19. Jahrhundert. Herzstück ist der zweigeteilte Salon und ein grosses, holzvertäfeltes Esszimmer. 2006 beauftragte er seinen Freund und Architekten Chakib Richani mit der Gestaltung. «Während meine Mode farbenfroh und verspielt ist, mag ich es zu Hause lieber dezent und nüchtern. Daher wollte ich keinen Dekorateur mit der Aufgabe betrauen, sondern einen Architekten», erklärt Saab.
Richani entwarf für die grossen Räume und stuckatierten Wände und Decken eine geometrische «Szenografie», in der die von ihm entworfenen Möbel als architektonische Installationen fungieren: Die schwarzen Sofas aus Flechtleder; der Beistelltisch aus schwarzen Einzelkuben; die Oversize-Stehlampen. Der hochglanzpolierte Esstisch aus Edelstahl, in dem sich abends die Kerzen und tagsüber die historischen Holzvertäfelungen ringsum spiegeln. Er musste mit einem Kran in die Wohnung gehoben werden.
Ein muskulöses, fast schon kühles, schnörkelloses Bühnenbild, in dem seine gesammelten Objekte besonders zur Geltung kommen: Skulpturen, Leuchten oder Zwitter wie der blitzblanke Edelstahlstuhl, halb Skulptur, halb Objekt, von Ron Arad. «Vermutlich brauche ich ein maskulineres Interieur als Antipode zu meiner Arbeit», sagt er. «Ich mag Klarheit und Ordnung, das entspannt mich.»
Dass seine Wohnung eher wie eine Repräsentationsstätte denn wie ein intimes Familienzuhause wirkt, kommt nicht von ungefähr: Sie ist alles in einem. Saab empfängt hier neben Freunden auch oft geschäftliche Gäste und sehr gute Kunden. Tatsächlich erlaubt sich der Couturier selbst im Privaten keine Nachlässigkeit. «Ich bin auch zu Hause immer korrekt gekleidet, gegessen wird am Tisch, nicht auf dem Sofa und erst recht nicht im Bett», sagt er lachend. Das Interieur erlegt ihm eine gewisse Disziplin auf.
Anders sieht es bei seiner neuen Interior-Linie Elie Saab Maison aus: Sie ist das Pendant zu seinen prunkvollen Kleiderkollektionen. Hier eine mit riesigen Kunstdiamanten besetzte Leuchte, da ein Bett mit opulenten Textilien, dort ein Waschbecken aus Muranoglas. «Meine Wohnung spiegelt mich als Privatmensch wider, Elie Saab Maison steht für den Stil unseres Hauses.»
Längst ist Elie Saab Weltbürger, besitzt mehrere Residenzen im Libanon, in New York oder Genf, wo alle drei Söhne studiert haben. Sein ältester, Elie Saab jr., fungiert heute als CEO des Unternehmens. «Keines meiner Häuser oder Apartements ähnelt allerdings dem anderen, jedes nimmt auf seine Weise den Ort und die Architektur ringsum auf», sagt der Designer. «Nur die dezente Farbpalette, die ist überall gleich. Das liegt vor allem daran, dass ich Interieur immer als einen die Zeit überdauernden Wert begreife. Ich mache mir vorab sehr viele Gedanken, aber einmal eingerichtet, ändere ich höchstens noch Details. Im Grunde hat sich hier in Paris seit 2006 nichts verändert.»
Doch nicht alles kann unbeschadet dem Lauf der Zeit trotzen: Eine seiner Wohnungen wurde 2020 bei der Explosion in Beirut in Schutt und Asche gelegt. Saab arbeitete gerade einige Kilometer vom Hafen entfernt in seinem Studio – selbst dort zerbarsten die Fensterscheiben. «Eine Tragödie. Doch ich bin einfach nur dankbar, dass mein Team und meine Familie überlebt haben. Das ist das Wichtigste.»
Die Interior-Kollektion Elie Saab Maison
Seit zwei Jahren bietet Elie Saab auch Möbel und Wohnaccessoires an und erfüllte sich damit einen lang gehegtenTraum: «Wäre ich nicht Couturier geworden, wäre ich heute Architekt.» Die Möbel, Teppiche, Textilien, Leuchten und Objekte übersetzen den opulenten Modestil des Designers ins Interieur. Für die Umsetzung seiner Vision von zeitloser Eleganz verpflichtete er den Italiener Carlo Colombo als Kreativdirektor. Die Objekte von Elie Saab Maison werden in Italien produziert und vom Schweizer Unternehmen Corporate Brand vertrieben.