Bernard Tschumi, 79 Jahre alt, lebt zwischen Paris und New York und hat international viele Bauwerke realisiert. Trotzdem geben mehrere Objekte in der Schweiz und den angrenzenden Ländern einen guten Einblick in seine architektonische Vision.
Architektur ist eine aussergewöhnliche Tätigkeit, weil sie sowohl abstrakt als auch konkret ist.
Bernard Tschumi
Als Sohn des Architekten Jean Tschumi (der den Nestlé-Hauptsitz in Vevey und das Zederngebäude in Lausanne entwarf) wuchs Bernard Tschumi in der Hauptstadt des Kantons Waadt auf, bevor er in den 1970er-Jahren mit grosser Begeisterung die New Yorker Kunstszene erlebte. Diese Erfahrung lässt ihn an den historischen und theoretischen Referenzen seines Berufs zweifeln. Er erfindet das Bauen neu als Raum für Bewegung und Vielseitigkeit. Bernard Tschumi wurde mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt, darunter der französische Architekturpreis Grand Prix national de l’Architecture im Jahr 1996, und war Teil vieler Ausstellungen wie die hochgelobte Retrospektive im Centre Pompidou in Paris im Jahr 2014.
1.Griechische Linien – Akropolis-Museum in Athen, 2001-2009
Wie kann man die berühmtesten und wertvollsten Skulpturen des antiken Griechenlands gleichzeitig bewahren und ausstellen? Wie kann ein modernes Gebäude am Fuss der Akropolis integriert werden, einer der ältesten besuchbaren Stätten der Welt und ein archäologischer Ort, der teilweise noch erforscht werden muss? Bernard Tschumi entschied sich für eine äusserst nüchterne und klare Vision, die das Gebäude in die Landschaft einbettet. An einigen Stellen öffnen sich verglaste Böden und geben freie Sicht auf die Ausgrabungen und erinnern an deren grossen Wert. Das Gebäude zeugt von einer nahezu mathematischen Klarheit, die im Einklang mit dem konzeptionellen Geist des antiken Griechenlands steht.
Dionysiou-Areopagitou-Strasse, neben dem Dionysos-Theater, südlich der Akropolis
Im Sommer täglich geöffnet von 8:00 bis 22:00 Uhr (Montag bis 16:00 Uhr)
Im Winter von 9:00 bis 17:00 Uhr (Freitag bis 22:00 Uhr, Samstag und Sonntag bis 20:00 Uhr)
2. Moderne Archäologie – MuséoParc Alésia, Frankreich, 2003-2012
Der Ort der Schlacht zwischen Julius Cäsar und den Galliern im Jahr 52 v. Chr. im Zentrum Frankreichs ist ein bedeutender archäologischer Ort. Das Museum integriert sich auf eine bescheidene Art – zwei schlichte zylindrische Gebäude aus natürlichen Materialien – in die Umgebung und zeugt so von der deutlichen Absicht, die Geschichte sprechen zu lassen. Die Form des Gebäudes erinnert an alte Festungen, die technischen Einrichtungen sind teilweise in den Hügel eingebettet – sichtbar und unsichtbar zugleich.
1, Route des Trois Ormeaux, Alise-Sainte-Reine (21150), Frankreich
Geöffnet von 10:00 bis 19:00 Uhr im Juli und August
3. Künstlerisches Ufo – Konzertsaal des Instituts Le Rosey in Rolle, 2013
Aus Metall, Glas und Holz erinnert der Philharmonie-Konzertsaal, der mit der Privatschule Le Rosey verbunden ist, an eine fliegende Untertasse. Die durchgehende Kuppel schafft viel Transparenz und verbindet das Innere mit dem Äusseren auf eine beeindruckende Weise. Das Gebäude eignet sich jedoch auch für intimere Veranstaltungen, da es mehrere Arbeits- und Aufnahmeräume sowie eine Blackbox für kleinere Konzerte beherbergt.
Konzerthalle Le Rosey, Rolle, contact@roseyconcerthall.ch
4. Rekonstruierte Landschaft – Zoologischer Garten von Paris, Vincennes, in der Nähe von Paris, 2009-2014
Bei der Renovierung des 1934 errichteten Zoologischen Gartens stand das Wohlergehen der Tiere und nicht der Komfort der Menschen im Vordergrund. Die neuen Elemente wurden daher nach den jüngsten ethologischen Erkenntnissen gebaut. Die 5 rekonstruierten geographischen Zonen wurden nach dem Prinzip der landschaftlichen Nachahmung gestaltet, um sich in die natürliche Umgebung einzufügen. Die Besucher gehen einen 4 km langen Betonweg entlang, der sich harmonisch durch diese sehr inszenierte Anlage schlängelt. Das Gewächshaus ist der spektakulärer Höhepunkt des Zoos.
Parc Zoologique de Paris, Ecke Avenue Daumesnil und Route Ceinture du Lac, Paris, www.parczoologiquedeparis.fr, täglich und das ganze Jahr über geöffnet, Öffnungszeiten variieren je nach Jahreszeit
5 – Schmuckschatulle – Hauptsitz von Vacheron-Constantin, Genf, 2012-2014
Ein Motto? Kostbar! Plan-les-Ouates am Stadtrand von Genf sieht sich als aussergewöhnliche „Uhrenstadt“, doch der Vorort hat wenig Charme. Wie also kann man ihm mehr Charakter verleihen? Für die renommierte Uhrenmarke Vacheron-Constantin hat Bernard Tschumi ein Gebäude entworfen, das sowohl den Verwaltungssitz als auch die Manufaktur beherbergt. Der Architekt hat mit diesem Entwurf das Thema der Hülle erforscht: Eine Art doppelter Mantel umgibt schützend die Gebäude, die aus durchbrochenen Metallmodulen bestehen. Im Inneren, sichtbar hinter den Glaswänden, entfaltet sich ein Labyrinth von Gängen und Aufzügen. Rund um das Gebäude thronen Birken, Buchen und Felsenbirnen. Der Hauptsitz ist „wie ein Juwel in einer Schatulle“, erklärt Tschumi. Im Inneren gibt es ein Inventar von 1500 Uhrwerken aus der Zeit des 18. Jahrhunderts bis heute, 800 Werkzeugmaschinen, zahlreiche Möbel, Gemälde, Werkbänke und Uhrmacherwerkzeuge sowie einen beeindruckenden Bestand an Papier-, Bild- und audiovisuellen Archiven sowie Fotografien.
Vacheron Constantin, Chemin du Tourbillon 10, 1228 Plan-les-Ouates