Sie waren Schulfreunde, lange bevor sie beide Architekten, Partner (seit 1978) und weltweit bekannte Stars der Baukunst wurden. Mit jeweils 73 Jahren führen Jacques Herzog und Pierre de Meuron in ihrer Heimatstadt Basel noch immer eines der renommiertesten Architekturbüros der Welt mit über 400 Mitarbeitenden.

Wenn Ornament und Struktur eins werden, entsteht seltsamerweise ein neues Gefühl von Freiheit.

Sie scheuen sich nicht davor, vertikal zu bauen: Sie haben die wenigen Wolkenkratzer der Schweiz entworfen (den Roche Tower 1 mit 178m Höhe und den Roche Tower 2 mit 205m Höhe) und arbeiten derzeit am Tour Triangle im 15. Arrondissement von Paris, innerhalb des Ausstellungsgeländes Paris Expo Porte Versailles.

Das neuste Projekt ist für 2026 geplant und wird mit einer Höhe von 180m den Eiffelturm und den Montparnasse-Turm überragen. Das Gebäude wird ein Hotel, Geschäfte und eine Kindertagesstätte beherbergen. Das Architektenduo wurde im Jahr 2001 mit dem Pritzker-Preis ausgezeichnet und hat seitdem kräftig expandiert – mit seinen Niederlassungen in Paris, London, Hamburg, New York und Tokio. Die Handschrift von H&D lässt sich natürlich nicht allein auf die Höhe ihrer Gebäude reduzieren: Die Projekte sind immer ambitioniert und technologisch innovativ, mit einer sehr kreativen Verwendung von Materialien und einer poetischen Note. Gute Beispiele sind das Nationalstadion in Peking, das für die Olympischen Spiele 2008 in Form eines Vogelnests gebaut wurde, oder die aussergewöhnliche Transformation eines stillgelegten Kraftwerks im Zentrum von London in das Tate Modern Museum.

1. Wie ein Lagerhaus:  Museum Schaulager in Münchenstein, Schweiz, 2003

Fenster muss man in diesem Gebäude wirklich suchen. Man findet sie schliesslich in einem verglasten Band an der Fassade. Das Schaulager in der Gemeinde Münchenstein, in der Nähe von Basel, ist eines der herausragenden Werke von Herzog & de Meuron und war der Vorgänger von vielen faszinierenden Projekten, die folgten. Dieser selbstbewusste Bunker mit erdiger Optik und fünfeckiger Form ist in erster Linie ein Lager für Kunstwerke und bietet ideale Konservierungsbedingungen für die Sammlung der Emanuel Hoffmann-Stiftung.

Kein Schnickschnack, keine Verführungstaktik, sondern veredelter Utilitarismus. Fachleute haben freien Zugang zu den gelagerten Werken, aber auch die Öffentlichkeit kommt in diesem Jahr auf ihre Kosten, da der Ort mit einer grossen retrospektiven Ausstellung anlässlich des 20. Jubiläums zugänglich gemacht wird. Der Schwerpunkt liegt auf den jüngsten Anschaffungen im Zusammenhang mit dem Zeitbegriff der 1933 von Maja Hoffmann-Stehlin gegründeten Stiftung, die heute mehr als 650 Werke umfasst.

Ruchfeldstrasse 19, Münchenstein/Basel, www.schaulager.org

Ausstellung „Out of the box“ bis zum 19. November 2023. Öffentliche Führungen durch das Gebäude mit einem Überblick über die Sammlung finden jeden letzten Mittwoch des Monats um 17 Uhr statt (Anmeldung erforderlich).

2. Das veredelte Haus: VitraHaus, Weil am Rhein, Deutschland, 2006-2010

Man erkennt es schon von Weitem: Das ikonische Gebäude in Form von zwölf übereinander gestapelten Häusern im Herzen des Vitra Campus steht ganz in der Nähe von Basel, auf der anderen Seite der Grenze. Das Bauwerk umfasst ein Café und einen Shop sowie im Obergeschoss die Ausstellung der bedeutenden Stücke, welche die Geschichte des berühmten Möbelhauses erzählen.

Die einzelnen Gebäude dieses bekannten Produktions- und Ausstellungsgeländes sind geschickt miteinander verbunden. Im Inneren erinnern die Räume an häusliche Dimensionen mit spektakulären Aussichten aus verschiedenen Winkeln auf die umgebende Landschaft. Die Besichtigungsroute erfolgt fast organisch, wie ein Labyrinth mit Überraschungen. Von aussen beeindruckt die monumentale, sehr geometrische Erscheinung, die den Bau wie eine vertikale Kleinstadt erscheinen lässt. Nachts verschmelzen die Fassaden mit der Dunkelheit, während die verglasten Giebel von innen heraus leuchten und eine skandinavische Weihnachtsatmosphäre versprühen. Das Büro Herzog & de Meuron hat häufig auf das Stapelprinzip zurückgegriffen: Der Umriss des VitraHauses erinnert an die Betonskulptur, die das Basler Unternehmen im architektonischen Park von Jinhua, China, errichtet hat.

Vitra Campus, Charles-Eames-Str. 2, Weil am Rhein, www.vitra.com, VitraHaus, Café und Ausstellung täglich von 10-18 Uhr geöffnet.

3. Eine neue Stadt:  Feltrinelli Porta Volta, Mailand, Italien, 2008-2013

Als die Stiftung Giangiacomo Feltrinelli ihren Sitz in den Norden von Mailand verlegen wollte, schlug das Büro Herzog & de Meuron ein äusserst ehrgeiziges Projekt vor, welches das gesamte Viertel neu definieren sollte. Dort befanden sich früher die Stadtmauern aus dem 15. Jahrhundert, bekannt als Mura Spagnole. Die Mauer an der Ecke Porta Volta wurde Ende des 19. Jahrhunderts geöffnet und machte Platz für die Via Alessandro Volta, die zum historischen Zentrum führt.

Von dem ursprünglichen Tor sind nur noch zwei Strukturen erhalten, die sich in die heutigen Glas- und Metallgebäude integrieren. Der Bau von Herzog & de Meuron erinnert mit seiner schlichten Form, dem grosszügigen Volumen und den spitzen Dächern an eine ultramoderne Form der ländlichen Architektur der Lombardei. Er beherbergt ein Café, einen Lesesaal und vielseitige Räume für verschiedene kulturelle Veranstaltungen sowie die Büros der Stiftung. Die umliegenden Gebäude schlossen sich der gleichen Thematik an und bilden so eine zusammenhängende Einheit, bei der auch ausgedehnte Grünflächen nicht fehlen.

Giangiacomo Feltrinelli-Stiftung, Viale Pasubio 5, Mailand, www.fondazionefeltrinelli.it

4. Ricola Kräuterzentrum, Laufen, Schweiz, 1983-2014

Das Kräuterzentrum von Ricola ist mehr als nur ein Gebäude – es ist ein Manifest. Die bekannte Marke für Bonbons mit alpinen Kräutern wollte als Teil ihres Firmensitzes in Laufen einen Bau, der ihr Umweltengagement widerspiegelt. Das Büro Herzog und de Meuron (das die Familienfirma Richterich seit 1983 begleitet) schlug eine Konstruktion aus Lehm vor, die bis heute die grösste in Europa ist.

Der für den Bau dieses Zentrums, in dem jährlich 1400 Tonnen Kräuter verarbeitet werden, verwendete Lehm stammt aus einem maximalen Umkreis von zehn Kilometern. Die Dimensionen sind beeindruckend: Mit einer Länge von 110 m, einer Breite von 29 m und einer Höhe von 11 m kann man darin einen Block aus roher Erde oder eine echte Lehm-Kathedrale sehen – oder beides zugleich.

Ricola AG, Baselstrasse 31, Laufen, ricola.com

5.Die Elbphilharmonie, Hamburg, Deutschland, 2007-2017

Es ist einer der leistungsfähigsten Konzertsäle: Akustisch ist er so gestaltet, dass das Publikum das Symphonieorchester umgibt, statt es frontal anzuschauen. Das architektonische Projekt basiert auf einem ehemaligen Lagerhaus für Kakaobohnen im Hafen von Hamburg. Die Architekten Herzog & de Meuron entwarfen das Gebäude der Elbphilharmonie als Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft der Stadt, wobei sie die Backsteinvolumen des Lagerhauses erhalten haben. Auf dem Dach des ursprünglichen Gebäudes, 37m über dem Meeresspiegel, befindet sich eine 4000m² grosse Plaza, ein öffentlicher Raum, der einen Panoramablick auf den Hafen und die Stadt bietet und gleichzeitig als Foyer für die Konzertsäle dient.

Der Bau des gesamten Gebäudes war umstritten und die Kosten vervielfachten sich gegenüber der ursprünglichen Schätzung. Dennoch ist das Ergebnis absolut spektakulär und umfasst drei Konzertsäle, ein Hotel und private Wohnungen. Einheimische haben dieses neue Symbol des kulturellen Reichtums der Stadt schnell als „Elphie“ bezeichnet. Über dem Grundgebäude aus Backstein thront eine Glasstruktur, deren Spitze wie die Oberfläche des Meeres bei Seegang wellenförmig ist. Das symbolträchtige Gebäude erhebt sich über dem ehemaligen industriellen und Hafenviertel „Speicherstadt“, das zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und ein Wirrwarr aus Kanälen, Gassen und Brücken bildet.

Elbphilharmonie, Platz d. Deutschen Einheit 4, Hamburg, www.elbphilharmonie.de.

Die Plaza und die Panorama-Plattform in 37 Metern Höhe sind täglich von 10-24 Uhr geöffnet (Eintritt gegen Gebühr).