Weniger, ok. Aber dafür vom feinsten! 10 Lokale, in denen Fleischtiger sich wie im Himmel fühlen.
1. Berlin
Klassiker, aber zeitgemäss
Der Ort Kein Etikettenschwindel: Wo heute in blauer Neonschrift «Fleischerei» draufsteht, war früher auch wirklich eine drin. Inzwischen beherbergen die liebevoll renovierten Räume im Prenzlauer Berg indes ein trendiges Restaurant mit typischem Berliner Flair. Die beige gekachelten Wände stammen noch aus der Originaleinrichtung, Schwarzweissfotos erinnern ans einstige Geschäft, und imposante Korblüster an der Decke sorgen für einen raffinierten Stilbruch.
Der Spezialität Die Speisekarte ist überschaubar, aber das Wesentliche ist drauf. In der halboffenen Küche werden traditionelle Berliner und deutsche Fleischgerichte neu interpretiert, darunter das berühmte Brandenburger Schweinsschnitzel, das auf jeden Fall einen Besuch wert ist.
Das Tüpfchen auf dem i Die Weinkarte mit ihrem Fokus auf Österreich komplettiert das kulinarische Erlebnis perfekt. Ach ja, und die Dessertkarte: eine hocherfreuliche Angelegenheit. Gut für alle, die es tatsächlich schaffen, noch etwas Platz zu lassen.
Schönhauser Allee 8, Berlin.
2. Verbier
Das Auge isst mit
Der Ort Ein Paradies für Fleischtiger in windigen Höhen: Das ist es, was das Köchepaar Thomas Vado und Aline Ménétrey mit seinem neuen Restaurant Taratata im Soussol des Hotels Bristol vorschwebte: Der Empfangstresen ist auch eine Fleischtheke, die Wände machen auf Tropenwald, das Maskottchen ist ein Ara, dessen tierische Freunde sich in der ganzen Einrichtung tummeln … Hier werden Sehzäpfchen wie Geschmacksknospen gleichermassen stimuliert!
Die Spezialität Rindfleisch ist König. Tatar, Entre-côte und Co. werden von Saucen und Beilagen hofiert, die dem Meisterwerk Tribut zollen. Originelles Detail: Bevor man sich an die Arbeit macht, wählt man aus einem Holztrückli sein Lieblingsmesser aus.
Das Tüpfchen auf dem i Während die Grillmaster zaubern, lassen sich ihre Kollegen hinterm Tresen auch nicht lumpen. Schon auf der Website gibts einen Vorgeschmack darauf, mit wie viel Expertise und Lust hier Cocktails – u. a. wiederentdeckte Klassiker aus mehreren Jahrhunderten – zubereitet werden.
Route des Creux 4, Verbier
3. Genf
Zieh das Messer aus dem Tisch!
Der Ort Das von industriellen Codes und traditio-nellen Brasserien inspirierte Beef ist eine Restaurant gewordene Hommage an das Rindfleisch in all seinen Formen. Die nackten Tische erinnern an Schneide-bretter, karierte Servietten und Schieferplatten anstelle von Tellern müssen als Tischdeko reichen. Und das Opinel-Messer zückt man direkt aus der Tischplatte!
Die Spezialität Alles vom Rind, bien sûr, und zwar von allererster Qualität! Die Philosophie des Hauses lautet: Iss weniger, aber dafür besser. Neben Simmen-taler Fleckvieh, Blonde de Galice und australischem Wagyu gibts eine Auswahl an seltenen Sorten aus ausgesuchten Betrieben. Ebenfalls herrlich: der gebackene Markknochen zur Vorspeise.
Das Tüpfchen auf dem i Für ein Extra an Geschmack und Zartheit wird das Fleisch im Josper-Grill zuberei-tet, einer Mischung aus offenem Holzkohlegrill und Backofen. Das 1969 in Barcelona entwicklte Tool gilt als der Rolls-Royce unter den Glutgarern.
Rue Adrien-Lachenal 26, Genève.
4. Paris
Nose to tail à la parisienne
Der Ort Bidoche heisst übersetzt so viel wie «zähes Stück Fleisch». Ein ziemlich cooles Understatement von Gastgeber Alexandre Bottée de Toulmon, der in einem früheren Leben Banker war, dann aber eine Metzger-laufbahn einschlug. Eine weise Entscheidung: Sein Restaurant, das auf der «Eat better»-Philosophie beruht, also auf eine kompromisslos traditionelle, lokale, maximal tierfreundliche Herangehensweise ans Essen setzt, lässt dem ganzen Oberkampf-Quartier das Wasser im Mund zusammenlaufen. Von aussen meint man, vor einer üblichen Metzgerei zu stehen. Innen drin aber, da wartet ein Raum, der von den beliebten Speakeasy-Konzepten aus den USA inspiriert ist.
Die Spezialität Die Speisekarte punktet mit Bazadaise-Rind, einer ganz speziellen Rasse aus dem Département Gironde. Das gibts in ganz Paris nur hier.
Das Tüpfchen auf dem i Gut Fleisch will Weile haben. Botteé de Toulemon lässt es darum drei Wochen lang abhängen – zarter gehts nimmer! Ausserdem werden die Tiere Nose to Tail verwertet. Wenns also kein Filet mehr hat, dann muss man halt was anderes wählen!
Rue Jean-Pierre-Timbaud 7, Paris.
5. Zürich
Old-School bis zum Service-Outfit
Der Ort Es hat einen Touch von Rock’n’Roll, dieses coole Steakhaus, das auch eine Metzgerei ist. Hinter dem schweren schwarzen Vorhang am Eingang von Williams ButchersTable wartet eine maskuline Old-School-Einrichtung mit viel schwerem Holz, cognac-farbenem Leder, Kupfer und Vintagemöbeln. Der Style wird sogar bis in die Outfits des Servicepersonals durchgezogen, das überm Hemd ärmellose Westen trägt und auf dem Kopf Béret, Melone oder gar Zylinder.
Die Spezialität Statt von der Karte, wählt man sein Fleisch (gern auch mehrere Stücke) direkt an der Theke aus, wobei man von einem Metzger kompetent beraten wird. Wer gern mal etwas Unkonventionelles kostet, ist hier an der richtigen Adresse. Ins Glas kommen die raffinierten Weine von Mitinhaber Daniel Caro.
Das Tüpfchen auf dem i Lassen Sie sich am namens-gebenden langen Metzgertisch vis-à-vis der Fleisch-theke platzieren. Die spratzelnden Stücke werden auf Sharing-Platten serviert, und für einen gelegentlichen Schwatz mit dem Metzgermeister ist das auch ideal.
Neumünsterstrasse 34, Zurich.
6. London
Als wäre mitten auf dem Land
Der Ort Mitte des 19. Jahrhunderts erbaut, hat sich dieses ehemalige Pub im Stadtbezirk Islington seinen ursprünglichen Charme bewahrt. Man meint, man sitze in einer Küche irgendwo weit auf dem Land.
Die Spezialität Ein authentischer, rustikaler Ort, dieses The Pig and Butcher. Was in den gross-zügig gefüllten Tellern landet, stammt, wenn immer möglich, aus der Region. Das Fleisch, von A bis Z vor Ort verarbeitet, kommt von sorgfältig ausgewählten Bauernhöfen; so kann man hier auch Raritäten wie Iron Age Pig probieren, eine Kreuzung aus Haus- und Wildschwein. Die Liebe zum Detail ist auch in der Weinkarte zu erkennen, die Tropfen von Familien-Weingütern und Genossenschaften auflistet. Aber klar: Was mal ein Pub war, das führt auch reichlich Bier im Sortiment. Hier kann man aus fast fünfzig Sorten wählen!
Das Tüpfchen auf dem i Die Speisekarte ändert sich von Tag zu Tag, je nach den Lieferungen der Bauern. Ideal für alle, die diesen Ort zu ihrer Herzensbeiz machen möchten.
Liverpool Road 80, London.
7. Turin
Industrie-Charme und familiär
Der Ort Die neue Adresse in Turin will ein Ort der Begegnung sein und setzt auf eine grosszügige offene Fläche in industriellem Look. Einblick in die Technik an der Decke, polierter dunkler Steinboden, pragma-tische Möbel. Die dominierenden Farben sind Rot und Schwarz. Die Inspiration dazu? Langsam zum per-fekten Garpunkt kommendes Fleisch, natürlich!
Die Spezialität Die Vision von We Grill – Il Bistrot del macellaio ist es, den Gästen das Feeling eines unbeschwerten Grilltreffens mit der Familie oder
mit Freunden zu bescheren. Ob kleine oder grosse Tafelrunde, alle versammeln sich erst mal vor der Vitrine und suchen sich ihr Lieblingsstück aus. Dann übernimmt der Grillmeister, und man selbst hat nur noch eine Aufgabe: entspannen und geniessen!
.
Das Tüpfchen auf dem i Sie wollen doch lieber zu Hause grillieren? Kein Problem. Bestellen Sie Ihr Fleisch online – und der Chefkoch gibt Ihnen gern Zubereitungstipps für köstlich gelungene Kompositionen.
Via Sandro Botticelli 79/P, Turin.
8. Lausanne
Blaue Stunde im Schloss
Der Ort Der Sound des direkt am Ufer des Genfer-sees gelegenen Château d’Ouchy? Das Spratzeln von gebratenem Fleisch! Mittelpunkt des modern ent-spannten, aber doch eleganten Schlossrestaurants 57° Grill ist die offene Küche. Am marmorierten Tresen auf hohen Hockern sitzend, kann man zusehen, wie die Köche vor knallblau gestrichener Kulisse das tun, was sie am besten können.
Die Spezialität Live Cooking nennt sich das, wenn das, was man sich von der Karte ausgesucht hat, direkt vor einem in ein kleines kulinarisches Meister-werk verwandelt wird. Egal ob am Spiess oder auf dem Rost zubereitet, das Fleisch ist von höchster Qualität und stammt aus der Schweiz: Rind von der Alp oder Geflügel aus dem Greyerzerland wird bei 57 Grad gebraten, jener Temperatur, bei der Rindfleisch nach-weislich perfekt gegart wird.
Das Tüpfchen auf dem i Das Grillkonzept wird bis zum Dessert durchgezogen. Zum Glück: Die Bio-Ananas vom Spiess ist eine Offenbarung!
Place du Port, Lausanne
9. Prag
Wiedererweckter Kultort
Der Ort Ein lange Pause, und das nicht mal corona-bedingt! Sechs Jahre lang war das Čestr zu, weil «sein» Stadtviertel im Stadtzentrum nahe des Wenzelsplatzes neu gestaltet wurde. Nun bietet der Fleischtempel im Operngebäude wieder zu Tisch – inmitten einer Ein-richtung von moderner Schlichtheit, die aber, dank viel Licht, Holz und liebevoller Deko, durchaus gemütlich ist.
Die Spezialität Der direkte Kontakt zu den lokalen Rinderzüchtern zeigt sich schon im Restaurant-Namen: Čestr ist eine Abkürzung für die Rasse Český strakatý (tschechisches Fleckvieh, gewissermassen die Cousine des Simmentaler Fleckviehs). Die Speise-karte bietet eine zeitgemässe Interpretation tschechi-scher Fleischspezialitäten. Neu ist das transparente Kabäuschen, das es ermöglicht zuzusehen, wie die Fleischstücke darin langsam gegart werden.
Das Tüpfchen auf dem i Küchenchef Pavel Brichzin hat Gekochtes, Geschmortes und Gedünstetes im Repertoire. Aber sein Herz schlägt fürs Grillieren auf dem Holzkohlegrill – mit Zugabe böhmischer Kräuter.
Legerova 57/75, Prague.
10. Paris
An allerbester Lage
Der Ort Die Beaupassage im 7. Arrondissement ist der Sternerestaurant-Schmelztiegel nicht nur von Paris, sondern von ganz Frankreich! Das Polmard – im Parterre göttliche Metzgerei, im ersten Stock Restaurant – passt sich da nicht nur qualitativ, sondern auch optisch perfekt ein. Elegant, zurückhaltend, mit Fokus auf die Farbe schwarz … Lage verpflichtet!
Die Spezialität Das Rindfleisch, das gut 90 Prozent des Angebots ausmacht, stammt von der Blonde d’Aquitaine, der Lieblingsrasse des Metzgers. Serviert wird es auf alle erdenkliche Arten – aber besonders eindrücklich sind die gereiften Stücke, die man sich
zu zweit teilt.
Das Tüpfchen auf dem i Um die bestmögliche Kon-servierung des Fleisches zu gewährleisten, hat die Familie Polmard eine Technik entwickelt, bei der das Fleisch in seinem optimalen Reifestadium eingefro-ren wird. Auf -120 Grad gekühlt und anschliessend vakuumiert, wird es konserviert und behält seinen kräftigen Geschmack und seine Zartheit – sogar über mehrere Jahre!
Boulevard de Raspail 14, Paris.
Die Reifung ist ein sehr wichtiger Prozess
Christian Grünwald
Chefredaktor von „A la carte“ und bei „The World’s 50 Best Restaurants“ für die Schweiz, Österreich, Ungarn und Slowenien zuständig.
Fleisch hat es grade etwas schwierig, imagemässig betrachtet…
Gerade deshalb ist es wichtig, die Herkunft der Produkte und ihre Hersteller zu kennen. Fleischessen ist Vertrauenssache. Wir sprechen viel über die Bedeutung des Terroirs, und die Konsumierenden sollten in der Lage sein, dieses auf ihrem Teller wiederzuerkennen. Vor diesem Hintergrund gibt es in Europa seit langem Konzepte für Metzgerei-Restaurants, die immer weiter ausgearbeitet werden.
Restaurants stellen auffallend häufig rohes Fleisch im Speisesaal aus.
Dies ist ein Ansatz, der zum immer beliebter werdenden Konzept der offenen Restaurantküche passt. Was so offen sichtbar aufliegt, dem begegnet man auch vertrauensvoller in seinem Teller. Ausserdem erlaubt eine offene Auslage den Kundinnen und Kunden, die Schönheit der Natur und des unverarbeiteten Produkts zu bewundern.
Auch Reifeschränken begegnet man je länger, je mehr.
Die Reifung ist ein sehr wichtiger Prozess. Wenn er richtig durchgeführt wird, gibt das dem Fleisch eine gewisse Qualitätsgarantie. Wenn Sie die Klassiker mögen, ist es immer besser, wenn das Fleisch mindestens einen Monat lang gereift ist.
Was offen sichtbar im Speisesaal aufliegt, dem begegnet man auch vertrauensvoller in seinem Teller.
Welches war das beste Stück Fleisch, das Sie in letzter Zeit gegessen haben?
Das war im Restaurant Asador Extebarri* in Axtondo im spanischen Baskenland. Wir sassen zu dritt am Tisch und genossen ein Stück ge-
reiftes Rindfleisch, das der Chefkoch Bittor Arginzoniz auf einem selbst entworfenen Grill über Holzkohle für uns zubereitet hatte. Ein Hoch-genuss!
*Das Restaurant Asador Extebarri rangiert in der Liste The World’s 50 Best Restaurants 2021 auf Platz 3.