Erfinder Jake Dyson verkörpert die Zukunft jenes Unternehmens, das aus lästiger Hausarbeit stilvolle Freizeitbeschäftigungen macht.
Pst! Stille und absolute Geheimhaltung: In den Laboren der Firma Dyson – die kaum als Haushaltsgeräteherstellerin bezeichnet werden kann, da ihre Staubsauger, Luftreiniger und Haartrockner vielmehr Objekte der Begierde sind – wird unter strenger Überwachung gearbeitet. Selbst der Pressesprecher durfte nur ein einziges Mal das Allerheiligste betreten, die berühmte NPI-Abteilung (New Product Innovation). Dort arbeiten die Ingenieure an Produkten, ohne die wir in zehn Jahren nicht mehr auskommen wollen. Seit der Einführung des weltweit ersten beutellosen Staubsaugers im Jahr 1993 hat sich das einst verschuldete englische Start-up zu einem multinationalen Konzern entwickelt, der nach wie vor in Familienhand ist und um den genialen Erfinder James Dyson kreist. Inzwischen ist auch sein Sohn Jake, ebenfalls ein Erfinder, zum Unternehmen gestossen. Eines Tages wird er es übernehmen.
Der bunte Staubsauger ist zum Symbol für Effizienz und kluges Design geworden. Er hat es in die grossen Museen geschafft und ist das Oberhaupt einer ganzen Familie an Smart-Home-Geräten, die Luft ansaugen oder ausstossen. Dyson hat sich auch in der Beleuchtungswelt ausprobiert, die Einführung eines komplett intern entwickelten Elektroautos wurde knapp verfehlt, dafür interessiert man sich nun für den Anbau von Erdbeeren in Aquaponik. Nebenbei bemerkt: die Einnahmen steigen ständig (rund 6, 23 Milliarden Franken im Jahr 2022) und Dyson und Dyson ist in 65 Ländern vertreten und hat
14 000 Mitarbeitende, von denen die Hälfte Ingenieure sind!
Der Besuch des Campus zwischen Bristol und Bath im Süden Englands ist trotz der strikten Sicherheitsvorkehrungen beeindruckend («Bitte nichts fotografieren» – «Auch nicht die Tafel, die an den Besuch der Königin am 7. Dezember 2001 erinnert?» – «Bitte, Madam!»). In Malmesbury, inmitten der grünen englischen Heckenlandschaft, schlägt das Herz des Unternehmens. Hier, am historischen Ursprungsort der Marke, wurden die ersten Staubsauger hergestellt, bevor die Produktionslinien nach Singapur verlegt wurden. Und genau hier entstehen noch immer Prototypen in wunderschönen Bauten, entworfen vom mittlerweile verstorbenen Architekten Chris Wilkinson. In denen studieren (arbeiten, essen und anfangs schlafen) die
274 jungen Leute des Dyson Institutes, einer privaten Universität, die sich der Innovation und der Praxiserfahrung in Unternehmen verschrieben hat. Die meisten Absolventen werden übernommen, kreative Köpfe hat es nie genug. Nur wenige Kilometer entfernt wurde 2017 auf einem ehemaligen Flughafen der Royal Air Force der Standort Hullavington eröffnet – mit Flugzeughangars, die in Labore umgewandelt wurden (einige davon noch im Originalzustand, da sie geschützte Fledermauskolonien beherbergen). Hier sitzt das «Gehirn» von Dyson, das Zentrum für Informatik und Robotik. Es ist die Domäne von Jake Dyson, der entschlossen ist, das Unternehmen in eine vernetzte Zukunft zu führen. Ein massiver Investitionsplan (mehr als drei Milliarden Franken über fünf Jahre) unterstützt die Strategie. Hier wurde auch der «Dyson 360 Vis Nav» entwickelt, der erste Super-Staubsaugerroboter für den Hausgebrauch, der gerade auf den Markt kommt. Was hat dieses kleine Ding, das selbstständig den Boden reinigt, seinen Konkurrenten voraus? Das Dyson-Team verdreht die Augen: Ist doch offensichtlich! Mike Aldred, Leiter der Robotikabteilung, erklärt: «Zunächst einmal bieten wir einen hervorragenden Staubsauger – mit mindestens doppelt starker Leistung im Vergleich zu anderen. Für uns ist das kein Gadget! Unser Roboter lernt, seine Umgebung zu kartografieren und auf Hindernisse zu reagieren.»
Er zeigt auf den Grossbildschirm, wo das mit Chips vollgestopfte Krabbeltier mit seinen 36 Augen im mit 100 000 Fäden ausgestatteten virtuellen Parcours immer besser wird. «Dank moderner Technologien kann ein Roboter in drei Testnächten das antrainieren, was bis vor Kurzem noch 15 Jahre gedauert hätte. Wir tüfteln viel an Techniken, die das Lernvermögen der Roboter beschleunigen.» In einer Ecke übt ein mechanischer Arm, Gegenstände je nach Beschaffenheit, Inhalt und Verwendungszweck sanft zu greifen. Ein zukünftiger Spielzeugaufräumer fürs Kinderzimmer?
Ein Geschirrspülmaschinen-Einräumer? Auf zum Chef, Jake Dyson!
Die neue Generation des Staubsaugers Gen5Detect Absolute befindet sich in der heissen Testphase.
Die neue Generation an Robotern markiert eine entscheidende Wende für das Unternehmen.
Richtig. Unsere Fachgebiete sind nach wie vor Sensoren, Motoren, Luftfilter, Akustik und Staubtrennung . Aus der Wechselwirkung kann jetzt eine Vielzahl neuer Geräte entstehen. Vor allem werden unsere Produkte bis 2030 noch eine Ecke besser werden, da sie alle vernetzt sein werden. Das bedeutet eine erhebliche Verbesserung für den Nutzer, da alles auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnitten wird. Und wir werden in der Lage sein, den Funktionszustand unserer Geräte aus der Ferne zu verfolgen. Künftig werden Sie etwa eine Nachricht bekommen: «Morgen wird Ihnen ein neuer Haartrockner geliefert.» Noch bevor Sie überhaupt wissen, dass es ein Problem mit dem alten gibt. Für den Kundendienst wird es ein enormer Fortschritt sein, genau zu wissen, wie Menschen ihre Geräte nutzen. Verbringen sie eine Stunde oder zwei Minuten mit Staubsaugen? Lassen sie ihren Hund im Bett schlafen? All diese Daten gilt es, zu berücksichtigen. Derzeit verkaufen wir 25 Millionen Produkte im Jahr, was erhebliche Kosten für den Kundendienst mit sich bringt, einschliesslich einer Menge Arbeit für unsere Ingenieure, die jeder Serviceanfrage nachgehen. Mit der erwarteten Expansion unserer Märkte ist dieses Modell nicht haltbar. Letztlich geht es darum, ein Vertrauensverhältnis zu den Verbrauchern aufzubauen.
Besserer Service, besseres Geschäftsmodell …
… und verbesserte Lebensdauer der Produkte, die wir dank dieser individuellen Betreuung gewährleisten können. Derzeit bieten nur Luxus-Elektroautomarken wie BMW so etwas an.
Wie steht es um den Datenschutz?
Wir sammeln nur Daten, die direkt mit der Effizienz des Geräts zu tun haben und den Komfort für unsere Kunden optimieren. Dadurch können wir beispielsweise überprüfen, wie viel Staub bei jedem Durchgang aufgesaugt wird. Haben Sie unsere animierte Tabelle gesehen, die weltweit die Luftverschmutzung aufzeigt? Dank unserer Luftreiniger sehen wir in Echtzeit, wie die Situation ist. Mit unserer Sensordichte verfügen wir über genauere Daten als Regierungen. Als die Feinstaubbelastung in New York am höchsten war, konnten wir unseren Kunden Tipps zur optimalen Nutzung schicken. Und wenn wir unsere Kopfhörer mit eingebautem Luftfilter vor dem Mund rausbringen, werden wir eine globale Karte erstellen, Strasse für Strasse. Diese Daten sind für unsere Weiterentwicklung überaus wertvoll.
Wie sieht es in der Schweiz mit der Luftqualität aus?
Wir haben 60 000 Sensoren in der Schweiz, davon 40 000 Luftreiniger, deren Signale alle auf Grün oder Blassgelb stehen – ausser in Baar (ZG), wo wir im orangene Bereich sind. Zweifellos wegen der Autobahn.
Ihre Mitarbeitenden tragen Namensschilder mit Slogans wie «Entschlossen, die Nummer eins zu werden» oder
«Nie aufhören, innovativ zu sein». Reichen Wörter, um die Motivation zu erhalten?
Wir haben nie das Gefühl von Freiheit verloren, das meinen Vater einst antrieb, als er den beutellosen Staubsauger erfand. Sein Innovationsdrang war unaufhaltsam, selbst nachdem mehrere Unternehmen, darunter Hoover, sein Projekt abgelehnt hatten. Diese Dyson-Verrücktheit, diese Magie ist geblieben. Ein Beispiel dafür ist unser Elektroauto, an dem wir zwei Jahre lang gearbeitet haben und das sich letztlich als wirtschaftlich nicht rentabel erwiesen hat. Wir haben das nie als Misserfolg betrachtet! Der Prozess hat uns zu einer Menge neuer Ideen geführt, zum Beispiel in Bezug auf Batterien. Der Prototyp steht übrigens in unserer Cafeteria. Junge Leute, die bei uns anfangen, wissen, dass sie hier ein unglaubliches Entwicklungspotenzial haben, das motiviert. Ganz zu schweigen von den verrückten Kostümpartys, die wir schmeissen! Die stärken die Beziehungen zwischen dem energiegeladenen Jungvolk und den erfahrenen Mitarbeitenden, die seit 30 Jahren bei uns arbeiten.
Bevor Sie zu Dyson kamen, gründeten Sie Ihr eigenes Unternehmen für innovative Leuchten.
Ja, ich habe zehn Jahre lang mit meinem zwölfköpfigen Team an der Optimierung der LED-Technologie gearbeitet. Durch die Kühlung des Schaltkreislaufs kann man die Lichtqualität so modulieren, dass sie das Tageslicht nachbildet. Zudem beträgt die Lebensdauer einer solchen LED-Glühbirne mindestens 60 Jahre. Ich habe es geliebt, mich mit allen Aspekten des Unternehmens vertraut zu machen. Ich hatte wahrscheinlich mehr Spass, als es hier manchmal der Fall ist. Ich stiess 2016 zu Dyson, weil mein Vater mir schon seit ein paar Jahren damit im Nacken sass. Die Zeit war reif: Dyson diversifizierte und war sehr an meiner Technologie interessiert. Ich sah die Chance, meine Lampen dank Dysons Software-Know-how in eine neue Dimension zu katapultieren. Ausserdem war das Unternehmen so riesig geworden, dass ich kaum hinterhergekommen wäre, wenn ich noch länger gewartet hätte.
Der Luftreiniger von Dyson ist ein moderner Hinkelstein fürs Wohnzimmer.
Bereuen Sie es?
Manchmal sehne ich mich danach zurück, selbst bei einer Verkabelung Hand anzulegen. In meinem neuen Haus habe ich mir eine Werkstatt eingerichtet – ich bin von London weggezogen, um näher an Bath zu wohnen –, aber es gelingt mir immer noch nicht, Zeit freizuschaufeln. Nicht einfach, wenn man zwei Töchter allein grosszieht. Trotzdem geniesse ich jeden Moment das Privileg, mit so vielen klugen Köpfen zusammenzuarbeiten.
Ist es wichtig, dass die Firma im Familienbesitz bleibt?
Das ist grundlegend! Wirtschaftlich gesehen, weil wir uns vor keinen Aktionären verantworten müssen – das schafft auch eine geistige Unabhängigkeit. Wir können Risiken eingehen, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Ich denke da etwa an die Beatmungsgeräte, die wir während der Coronapandemie entwickelt haben und die von den Spitälern letztlich nicht benötigt wurden. Der andere Grund ist emotional: Ich möchte dieses kreative Erbe fortführen. Der Name ist der unserer Familie, er darf nicht missbraucht werden.
Ihr Bruder, ein leidenschaftlicher Musiker, ist ebenfalls im Verwaltungsrat, Ihre Schwester ist in der Mode tätig – was ist mit der dritten Generation?
Jeden Monat informieren wir die gesamte Familie über laufende Projekte. Es gibt sechs Enkelkinder, das älteste ist 22 Jahre alt. Alle sind sie sehr kreativ. Ich glaube, sie erkennen, wie wunderbar es ist, Teil einer Familie zu sein, die so viel Freiheit geniesst, aber auch, wie schwer die Verantwortung wiegt. Momentan besteht die Idee einfach darin, die Tür offen zu halten. Wir werden sehen, wer sich berufen fühlt. Was mich betrifft, so plane ich, meine 12- und 14-jährigen Töchter nach Asien mitzunehmen, um ihnen die Produktionsketten zu zeigen, wo Hunderte von Mitarbeitenden an der hochwertigen Verarbeitung unserer Produkte werkeln. Das ist ein Aspekt, den sie in England nicht kennengelernt haben und der die Gründe sehr greifbar macht, weshalb ich eine Woche im Monat in Singapur verbringe.
Der neue Kopfhörer, der in der Schweiz nächstes Jahr lanciert werden soll, hat einen Luftfilter, um durch stickige U-Bahn-Gänge zu streifen. Er filtert die Abgase von Autos in den Innenstädten.
Leiten Sie sie in Richtung Mathematik? Schliesslich rufen Sie zu mehr weiblichen Talenten im Ingenieurwesen auf.
Der letzte Jahrgang am Dyson Institute bestand zu 41 Prozent aus Frauen. Im Vergleich zum nationalen Durchschnitt von 15 Prozent in Ingenieursstudiengängen nicht schlecht. Eine meiner Töchter hat ein besonderes Talent für Musik, aber ich glaube, dass alle kreativen Bereiche miteinander verbunden sind. Wir werden sehen, wohin ihre Leidenschaft sie führt. Meine ältere Tochter hat gerade aus der Schule ihre erste eigene Erfindung mitgebracht: einen Doppelpizzaschneider. Sie hatte erkannt, dass dies der beste Weg ist, gleichmässige Stücke zu schneiden, ohne dass die Klinge abrutscht. Da steckt viel Potenzial drin!
Als James Dyson nach ganzen 5127 Versuchen endlich den berühmten ersten beutellosen Staubsauger herausbrachte, waren Sie 21 Jahre alt. Erinnern Sie sich an diesen Moment?
Ich war natürlich stolz! Als ich anfing, an der St. Martin School Industriedesign zu studieren, hatte niemand je von James Dyson gehört. Doch im dritten Jahr hingen plötzlich überall riesige Poster von ihm. Er wurde als Held gefeiert, der einzige britische Designer, der seine Erfindungen auch selbst herstellte. Dieser plötzliche Ruhm verblüffte mich. Mein Vater war schon immer eine beeindruckende Persönlichkeit, ein Exzentriker, der ständig an elektronischen Geräten herumfummelte und unpassende Socken trug. Ich fand es ziemlich schick, einen Vater zu haben, der sich von den Krawattenträgern unterschied. Meine Mutter ist eine unglaubliche Stütze an seiner Seite. Ich glaube nicht, dass er ohne sie all diese Risiken auf sich genommen hätte.
Sicher nicht immer einfach, als Familie zu arbeiten, vor allem nicht, wenn der Vater so eine Persönlichkeit ist.
Ich strebe nicht nach Ruhm und Ehre. Mein Vater und ich sind uns nicht immer einig, aber ich habe keine Zweifel an der Zukunft des Unternehmens. Die von diesem Multitasking-Genie eingeführte Kultur der Kreativität ist heute fest verankert – weit über seine Person hinaus. Die Herausforderung besteht darin, weiterhin zu kreieren und Innovationen zu schaffen. Aber es wird meinem Vater schwerfallen, loszulassen … falls er es überhaupt jemals tun sollte.
Der neue Roboterstaubsauger Dyson 360 Vis Nav, der gelernt hat, die Fussleisten zu schonen oder unters Bett zu kriechen.
Dyson hat das Kunststück vollbracht, lästige Hausarbeit in stilvolle Freizeitbeschäftigung zu verwandeln und nützliche Geräte in Objekte der Begierde. Wie wichtig ist das Design?
Paradoxerweise ist das Design von zentraler Bedeutung, dabei war es nie das Ziel des Hauses, schöne Dinge zu erschaffen. Wir folgen einer puristischen Designphilosophie, die Form folgt der Funktion. Unsere Geräte sind so gestaltet, dass ihre Funktion klar erkennbar ist, ohne jegliche dekorativen Elemente. Dadurch entsteht eine sehr geometrische Ästhetik mit einfachen, ineinander übergehenden Linien. Und da unsere Produkte mit Spitzentechnologie hergestellt werden, betonen wir diese Wertigkeit, indem wir bestimmte Elemente einfärben und auf eine hochwertige Verarbeitung achten, um eine sinnliche Handhabung zu gewährleisten.
Ihre Geräte sind zu regelrechten Statussymbolen geworden.
Es ist normal, dass unsere Produkte überdurchschnittlich teuer sind, da die Technologie für ihre Entwicklung ebenfalls viel teurer ist. Wir denken viel über die Interaktion von Menschen und Robotern nach: Werden sie den Staubsauger wie einen besseren Besen im Schrank verstecken oder ihn stattdessen als modernistische Statue im Wohnzimmer inszenieren? Werden sie ihm gerne beim Saugen zusehen oder ihn so programmieren, dass er in ihrer Abwesenheit arbeitet? Unter unseren Kunden sind beide Sichtweisen vertreten. Ich ziehe gern den Vergleich zu Luxusautos: Das ästhetische und emotionale Verhältnis ist ähnlich.
Wie stehen Sie zum Luxus? Soweit ich weiss, fahren Sie einen schönen tannengrünen Sportwagen …
Ich mag es, wenn die Gegenstände in meinem Leben effizient, organisiert und perfekt auf ihren Zweck zugeschnitten sind. In diesem Sinne habe ich eine minimalistische Vorstellung von Schönheit. Und ich bin in keiner Weise markenorientiert.