Praktisch, ergiebig, nachhaltig: Feste Kosmetikartikel sind im Trend. Auch Luxusmarken sind auf den Geschmack gekommen.

Flüssige Beauty-Produkte sind toll – bis sie einem im Bad aus der Hand gleiten und das Fläschchen auf den Fliesen zerschellt. Oder ein lose Verschlusskappe dazu führt, dass es in der Handtasche ausläuft. Oder man sich an der Sicherheitskontrolle am Flughaften davon trennen muss, weil der pflichtbewusste Mitarbeiter das Ding trotz einer geballten Charme-Offensive beschlagnahmt … Es gibt aber Abhilfe bei all diesen Pannen: Kosmetika in fester Form. Sie sind robust, ergiebig, lang haltbar und im Handgepäck willkommen. Dass sie derzeit hoch im Kurs stehen, verdankt sich aber einem weiteren Pluspunkt: ihrer erstklassigen Ökobilanz.


Es fing mit den Seifen an. Nachdem Flüssigseife lang als das Nonplusultra der täglichen Hygiene gegolten hatte, gerieten die in ihr enthaltenen Konservierungsmittel in den Fokus. Damit begann das grosse Comeback der guten alten Seifenstücke, die – vor allem, wenn man sie «nackt» kauft – in Sachen Nachhaltigkeit kaum zu schlagen sind. Dass sie zudem an eine jahrtausendealte Handwerkstradition anknüpfen, kam dem Marketing auch nicht ungelegen. Altehrwürdige Seifensiedereien hatten plötzlich Hochkonjunktur, und sogar die grossen Luxushäuser flirteten mit den schäumenden Mödeli.


Kein Wunder: Die Schönheitsindustrie kommt heute nicht umhin, mit dem Faktor Nachhaltigkeit zu rechnen. Und weil sich Verpackungen sehr ungünstig auf den ökologischen Fussabdruck eines Produkts auswirken, versucht man sich zu mässigen und zu recyceln, wo immer es geht. Im Jahr 2018 wurden laut dem Marktforschungsinstitut Euromonitor International allein in den USA fast 7.9 Milliarden Einheiten Hartplastik für Schönheits- und Körperpflegeprodukte produziert, wovon über 90 Prozent im Abfall landeten (Quelle: «Allure»). Andere Schätzungen gehen davon aus, dass die Kosmetikindustrie bis zum Jahr 2050 bis zu 12 Milliarden Tonnen Plastikabfall verursachen wird.


Wer dem entgegenwirken will, ist mit fester Kosmetik gut beraten. Sie braucht meist weit weniger Verpackungsmaterial und ist bis zu einem Drittel ergiebiger. Pionier auf dem Gebiet ist das britische Unternehmen Lush, wo man seit den 90ern auf unverpackte Produkte setzt – wenn auch aus anderen Gründen, als man vermuten könnte. Mitbegründerin Rowena Bird erzählt: «Anfangs konnten wir uns Verpackung schlicht nicht leisten. Ausserdem wollten wir das Geld nur für beste Inhaltsstoffe ausgeben, also fingen wir an, unverpackte Artikel zu verkaufen. Die Kundschaft schien damit einverstanden, und so machten wir weiter.» Das Konzept hat sich bewährt: Nach wie vor gehören die festen Shampoos zu den Bestsellern im Lush-Sortiment – Tendenz steigend, wie Bird sagt.


Shampoo war eines der ersten in fester Form erhältlichen Beautyprodukte – neben den Alaunsteinen, auf die Deo-Puristen seit geraumer Zeit schwören (auch wenn das darin enthaltene Aluminium nicht unumstritten ist). Zunächst nur in kleinen Manufakturen oder in Bioläden erhältlich, sind inzwischen auch Branchengiganten wie Garnier und Sephora auf den Zug aufgesprungen; dazu stossen hippe Newcomer wie die vegane Marke Rowse. Sicher, gemäss der Website Fashionnetwork macht festes Shampoo gerade mal 0.3 Prozent der weltweit verkauften Haarpflege aus. Allerdings ist der Wert 2020 geradezu explodiert – mit einem Zuwachs von 422 Prozent. So erstaunt es nicht, dass inzwischen auch die Luxusbranche in diesem Bereich mitmischt. Der französische Star-Coiffeur Christophe Robin hat ein festes Shampoo auf Aloe-Vera-Basis und eine Pflegespülung mit Hibiskus entwickelt. «Das Haar muss sich erst an das feste Format gewöhnen», sagte Robin unlängst in der deutschen «Vogue». «Aber bereits nach wenigen Wäschen spürt man den zusätzlichen Bonus von mehr Textur und Halt.»

Von der Feuchtigkeitspflege bis zum Parfum

Was für die Haare gut ist, kann für die Haut nicht schlecht sein. Und tatsächlich bieten feste Konsistenzen dank raffinierten Formeln inzwischen eine derart hohe Qualität, dass sie in die Produktepaletten der grossen Marken Einzug gehalten haben, zum Beispiel als Sonnenschutzstick beim japanischen Luxuskonzern Shiseido. Oder als Feuchtigkeitspflege bei MAC: Auf den Essential Oils Stick schwören laut National Make-up Artist Ingo Tschenett sogar Profis. «Die Inhaltstoffe wie Kamillen- und Grapefruitöl sind derart hoch konzentriert, dass es nur wenig Produkt braucht.»


Mittlerweile gibt es auch Mascara, Abschminkmittel und sogar Zahnpasta in fester Form. Und immer mehr auch Parfums, gerade von Luxus-Labels wie Le Labo oder Dyptique. Auch die zehn beliebtesten Düfte von Jo Malone London kommen nun in einer wachsartigen Konsistenz daher, die sich direkt mit den Fingerspitzen den kleinen Tiegeln entnehmen und nach Lust und Laune kombinieren lassen. So bekommt der Ausdruck «feste Gewohnheiten» in Sachen Pflegeroutine eine ganz neue Dimension. Ihre Handtasche wird es Ihnen danken. Und das Sicherheitspersonal am Flughafen sowieso.