
Madeira wird auch das Hawaii Europas genannt: die portugiesische Insel bezaubert mit üppiger Natur und punktet das ganze Jahr über mit milden Temperaturen. Der perfekte Ort, um den Sommer zu verlängern.
Als portugiesische Entdecker zum ersten Mal Fuss auf die unbewohnte Insel im Atlantik setzten, rieben sie sich die Augen: alles voller grüner Wälder! Und so gaben sie ihr den Namen Madeira, das Wort für Holz. Zugegeben, nicht sehr fantasievoll, aber pragmatisch: Ist das Eiland doch dicht bewachsen. Das war vor mehr als fünf Jahrhunderten, einige Jahre bevor Christoph Kolumbus auf der anderen Seite des riesigen Ozeans Amerika entdeckte.
Wenn man sich dieser kleinen Insel in Höhe von Casablanca, etwa 700 Kilometer vor der marokkanischen Küste, nähert, fällt etwas zuerst ins Auge: Wie sie es trotz des allgegenwärtigen Immobilienbooms geschafft hat, ihren grünen Charakter zu bewahren. An der von der Sonne verwöhnten Südküste liegen der Flughafen (angeblich einer der gefährlichsten anzufliegenden der Welt) und die Hauptstadt Funchal, in der fast 95 Prozent der Madeirer leben. Der Rest der Insel ist naturbelassen und wartet nur darauf, von Abenteurern entdeckt zu werden.
Dabei ist Funchal der perfekte Ausgangspunkt: Madeira ist klein genug, um von hier aus alles zu erkunden. Die Altstadt, die Festung und das lebhafte Zentrum erinnern an Südamerika, inklusive tropischer Atmosphäre. Madeira trägt den Beinamen «die Blumeninsel», überall blühen Paradiesvogelblumen, Agapanthus, Orchideen, Proteas – die perfekte Destination für die Nebensaison, wenn es anderswo schon zu kalt ist.

Zu den Must-Sees gehört ein Abstecher zum Mercado dos Lavradores, dem Bauernmarkt, idealerweise an einem Freitag oder Samstag, wenn alle Kleinbauern in die Stadt kommen, um ihre Produkte feilzubieten. Übrigens die perfekte Gelegenheit, die traditionelle Tracht der Insel zu bewundern, zu der auch die Carapuça gehört, ein kleiner spitzer Hut. Er wird jedoch in den Schatten gestellt von der schier endlosen Auswahl an Obst- und Gemüsesorten.
Denn Madeira hat ein subtropisches Klima, das überraschend feucht ist, die Durchschnittstemperaturen liegen das ganze Jahr über zwischen 16 und 25 Grad Celsius. Unbedingt sollte man die Zimtäpfel oder Ananas-Bananen kosten – aber fragen Sie vor dem Verzehr nach der Zubereitung, denn sie sind unreif sehr scharf.
Als die ersten portugiesischen Entdecker Pflanzen aus ihren Kolonien mitbrachten, nutzten sie Madeira als Zwischenstation. Alles gedieh prächtig. Auch Zuckerrohr, das die Sklaven ernten mussten, die ebenfalls aus den Kolonien mitgebracht wurden … Übrigens beherbergt das Haus, in dem Christoph Kolumbus zwei Jahre lang gelebt haben soll (er heiratete die Tochter des Entdeckers der Insel), heute das Zuckerrohrmuseum.

Die Pflanze ist auf Madeira immer noch sehr präsent und eine der Grundzutaten des lokalen Getränks Poncha, das man in Massen geniessen sollte. Trotzdem hat die Banane dem Zuckerrohr den Rang abgelaufen. Über 3000 Kleinbauern bewirtschaften heute ihre eigenen Bananenplantagen, ihr ganzer Stolz. Madeira ist übrigens die einzige europäische Insel, die ihre Bananen auf den Kontinent exportiert, im Gegensatz zu den Azoren oder Teneriffa. Sie sind kleiner und süsser als die Bananen, die wir normalerweise in unseren Geschäften finden, und haben sogar ein eigenes Museum in Ponta do Sol, das als Baumschule und Forschungszentrum dient. Wie wäre es mit einem kleinen Bananenbier zum Abschluss des Besuchs?
Spaziergang im Himmel
Bei einem Spaziergang inmitten von Bananenstauden fühlt man sich wie in einem Dschungel, nur ohne Pumas und Affen. Spektakuläre Wanderwege folgen den berühmten Levadas, den lokalen Wasserkanälen, die noch heute das Wasser aus dem sehr regenreichen Norden in den trockeneren Süden der Insel transportieren. Von den neun Haupt-Levadas mit insgesamt mehr als 3000 Kilometern Länge sind einige leicht zugänglich, während andere Erfahrung und Schwindelfreiheit erfordern. Was sie eint: Alle sind ein echtes Highlight für Wanderer.
Trotz ihrer bescheidenen Grösse besitzt Madeira sieben Mikroklimas. Selbst bei einer einfachen Wanderung von etwa zehn Kilometern (zum Beispiel auf dem PR 13) gelangt man durch mediterrane Macchia, einen tropischen Wald und eine fast jurassische Weidelandschaft, bevor man den wunderschönen Wald von Fanal erreicht. Hier blicken mehr als hundertjährige, gigantische Lorbeerbäume auf die Menschen herab. Das Gebiet, das bis zur Wolkengrenze reicht, ist magisch: Immer wieder tauchen die Bäume hinter den Wolken auf, um ein paar Minuten später wieder zu verschwinden. Der Lorbeerwald von Madeira gehört seit 1999 zum Weltnaturerbe.

Das Landesinnere der Insel steckt voller Geheimnisse. Aber auch die Küsten – vor allem im Norden – begeistern. Mit ihren steilen Klippen und riesigen Felsen, an denen sich die Wellen des Atlantiks brechen, hat die Region etwas Dramatisches. Zwischen den Klippen befinden sich natürliche Becken, die als von Wellen und Strömungen geschützte Badeplätze dienen.
Einige wurden teilweise erschlossen, wie beispielsweise jene in Porto Muniz. Einziger Haken: Sie sind schnell überlaufen. Fans der «Star Wars»-Saga wissen übrigens, dass diese bezaubernde Landschaft als Kulisse für die Serie «The Acolyte» diente, die im Universum von George Lucas angesiedelt ist.
Von Funchal nach Paris
Die reiche Natur Madeiras führte im 19. Jahrhundert zur Geburt einer der ältesten und traditionellsten Handwerkskünste auf der Insel: des Korbflechtens. Zunächst nutzten die Einwohner Weidenruten, Schilfrohr oder die Rinde des Maulbeerbaums, später wurden Weidenbäume in den feuchteren Bergregionen angebaut, deren Zweige zu Körben verwoben werden. Leider ist die Kunst heute vom Aussterben bedroht, anders sieht es bei der Stickerei aus.
Die Madeirer versuchen, das lokale Know-how zu bewahren, das durch die internationale Konkurrenz bedroht ist. So beschäftigt das Haus Bordal im Herzen von Funchal heute fast
200 Stickerinnen (die jüngste ist allerdings über 60 Jahre alt), die eine ganze Palette an Produkten herstellen: von Haushaltswäsche bis hin zu Kleidung.
So schön, dass Chanel 2015 diese jahrhundertealte Institution für eine Serie von fein gestickten Kragen engagierte. Der royale Ritterschlag folgte, als Prinzessin Beatrice, die Tochter von Prinz Andrew und Sarah Ferguson, zu ihrer Taufe ein Kleid aus dem Haus Bordal trug. Mit seinen Sepia-Fotos, den historischen Werkzeugen und indigoblauen Holzstempeln erinnert es an einen Roman von Gabriel García Márquez.

Zimmer mit Aussicht
Übernachten: Ein ganzer Flügel des ohnehin schon wunderschönen «Savoy Palace» wurde vergangenes Jahr noch exklusiver gestaltet: Im «The Reserve» hat jeder Gast einen eigenen Butler, privilegierten Zugang zu allen Angeboten des Palastes (das Spa ist das grösste Portugals) und einen 180-Grad-Blick auf den Ozean. Einige Suiten verfügen über einen eigenen Pool. Zwei Restaurants – der «Jacaranda Club» und das «Nikkei» – sind exklusiv für die Gäste dieses Boutique-Hotels reserviert. www.savoysignature.com
Degustieren: Fisch, Schokolade, Bananen oder Yamswurzeln: Die Insel ist reich an Köstlichkeiten. Um diese zu entdecken, gibt es nichts Besseres als eine Führung mit Jaqueline, einer der Gründerinnen von Madeira Food on Foot. Neben Wissenswertem über Gastronomie erfahren die Gäste viel über die Geschichte und die Kultur Madeiras.
Besuchen: Für Stickarbeiten ist ein Besuch im Haus Bordal ein Muss, während Liebhaber von gutem Wein einen Abstecher zu Blandy’s in einem ehemaligen Kloster nicht versäumen sollten. Der berühmte Honigkuchen, der Bolo de Mel, kann in der Fabrica Santo Antonio gekostet und gekauft werden.