Luxus ist, wenn Man die ganze Welt mal für eine Weile hinter sich lassen kann. Immer mehr Anbieter in der Schweiz locken mit exklusiver abgeschiedenheit.

Es gibt Reisedestinationen, die muss man sich regelrecht erarbeiten. Die von der Schweizer Sportschuhmarke On Running im Engadin errichtete Mountain Hut zählt definitiv zu dieser Kategorie. Nachdem man einer Reihe von Zügen und Bussen genommen hat, wartet noch eine nette Zwei-Stunden-Wanderung auf einen, bevor man sein Ziel auf 2500 Meter Höhe mitten im Nirgendwo erreicht hat. Oder sollte man eher sagen: inmitten von allem? Direkt vor der Hütte ein See, dessen Blau mit dem des Himmels verschmilzt, dahinter die majestätischen Berge … Was will man mehr?

Doch gemach. Besagte Traumkulisse eröffnet sich nur jenen Auserwählten, die von On eingeladen wurden, eine Nacht in den firmeneigenen luftigen paar Quadratmetern zu verbringen. Das Tiny House, das im Sommer 2019 über dem kleinen Dorf Maloja in der Nähe von St. Moritz errichtet wurde, besteht ausschliesslich aus recycelbaren Materialien, wird von Solarzellen mit Strom und von einer nahegelegenen Quelle mit Wasser versorgt, mit einem Holzofen beheizt und verfügt über eine Trockentoilette. Der Luxus liegt hier woanders: in der Gewissheit, ein einzigartiges Privileg zu geniessen. Posts und YouTube-Videos in allen Sprachen belegen, wie glücklich es machen kann, Holz hacken zu müssen, um sich zu wärmen; Wasser zu holen, das zwischen zwei Felsen hervorsprudelt, um sich etwas zu essen zu kochen und sich am Morgen waschen zu können; geduldig einen Teller Pasta auf dem Ofen zuzubereiten … Und dafür den Computer und das Handy zu vergessen und in der unendlich erscheinenden Stille einen Gang runterzuschalten.

Mission: Back to Basics

«Ausnahmslos alle, die zur Hütte hochstiegen, sind mit einem Lächeln wieder hinuntergekommen», berichtet Romain Gisselbrecht, Kommunikationschef von On. «Offenbar hat das einfache Leben seinen Reiz!» Nach einer pandemiebedingten zweijährigen Zwangspause soll das Projekt deshalb möglichst bald wieder zum Leben erweckt werden. Ein smarter Schachzug. Denn die On Mountain Hut steht unbestreitbar für eine neue Sehnsucht: sich – und wenn es nur für eine Nacht oder ein paar Tage ist – auf die Grundbedürfnisse zu besinnen. Alles Alltägliche hinter sich zu lassen. Fern von Lärm und Hektik auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, um sich wieder mal richtig zu spüren …

In dieser verrückten Zeit, in der das Social Distancing zu einer Lebenskunst geworden ist, machen immer mehr abgelegene Orte aus der Not eine Tugend. Véronique Kanel, Sprecherin von Schweiz Tourismus, bestätigt: «Der Trend zu ‹Cocooning›-Unterkünften ist vor etwa zehn Jahren aufgekommen. Man will etwas Aussergewöhnliches erleben, der Natur näher sein und den Menschenmassen entfliehen.» Bedürfnisse, die durch die Pandemie noch dringlicher geworden sind. «Der Wunsch, in den Ferien weit weg von allen Bildschirmen und anderen Reisenden zu sein, wird nun noch einmal stärker geäussert.» Die Nachfrage ist so gross, dass Schweiz Tourismus jetzt bei einer Buchungsplattform für einsame Alphütten (alp.holidaybooking.ch) mittut und dieses Jahr die Aktion «Million Stars Hotel», die unkonventionelle Unterkünfte mit freiem Blick in den Sternenhimmel anbietet, weiterzieht.

In der Schweiz gibt es gleich mehrere Pioniere, die sich die Mission «Back to Basics» schon auf die Fahne geschrieben hatten, als der Trend noch in den Kinderschuhen steckte. Die Öko-Luxus-Herberge Whitepod mit ihren futuristischen, aber gemütlichen Cocons, die 1400 Meter über dem Walliser Dorf Monthey an der Bergflanke kleben, bietet seit 15 Jahren die etwas andere Art von Entspannung an. Und das Ehepaar Buchs, das die Leitung seines Hotels Bella Tola in Saint-Luc (VS) unlängst an seine Tochter übergeben hat, hat vor rund zehn Jahren ein abgelegenes Maiensäss saniert, in dem sich erholungsbedürftige Gäste aufs Wesentliche besinnen können – freilich in einer wunderschön ausgestatteten Almhütte. «Eigentlich war das Maiensäss für uns privat gedacht», erzählt Anne-Françoise Buchs, «als Ort, wo wir unsere Batterien aufladen können. Aber wir hatten so selten Gelegenheit, dort Zeit zu verbringen, dass wir es schliesslich unseren Gästen zur Verfügung stellten. Und die liebten dieses Angebot!» Letzten Sommer stand das Maiensäss – sicher auch Corona sei Dank – praktisch nie leer. «Der Luxusbegriff hat sich deutlich hin zu mehr Authentizität verschoben», sagt Anne-Françoise Buchs.

Und so kann man inzwischen aus einem immer breiteren Angebot wählen. Wie wärs zum Beispiel mit einem kleinen Chalet weit weg von den Skipisten (etwa in Zermatt oder in Veysonnaz)? Selbst die grossen Luxusabsteigen sind auf den Zug aufgesprungen: Der «Vitznauerhof» in Luzern hat im Hotelpark einen Annex er-stellt, in den sich die Gäste zurückziehen können. Der Landgasthof Kemmeriboden-Bad in Schangnau im Emmental hat sich gar ein Iglu geleistet, in dem man, schön auf Schaffelle gebettet, die Welt da draussen ein stückweit vergessen kann.

Wer es abgelegen mag, aber nicht auf Design verzichten will, dem sei die «Anako Lodge» im auf 1700 Meter gelegenen La Forclaz im Eringertal ans Herz gelegt. Dieser kleine Weiler aus ehemaligen, smart renovierten Kornspeichern und Scheunen empfängt Paare oder Familien, die auf der Suche nach Ruhe sind. Vom Architekten Olivier Cheseaux umgestaltet, um dieses Walliser Kulturgut zu erhalten, bieten die Chalets ganzjährig einen schlichten Komfort inmitten einer herrlichen Landschaft. Kaum ist man durch die Tür, fühlt man sich wohl. Das Tempo verlangsamt sich, die Spannung verfliegt … Macht Lust, die nächste Auszeit im Slow-Life-Modus zu verbringen – stimmts?

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