Nichts gegen Blümchen und Herzen. Aber die neue Juwelier-Generation sucht sich ihre Inspiration lieber im Rock'n'roll und im Punk.

Diamonds are a girl’s best friend? Klar, Marilyn Monroe hatte schon recht, als sie im Film-klassiker «Blondinen bevorzugt» (1953) ihre legendäre knallpinke Robe montierte und verkündete, man(n) könne mit der Königin der Edelsteine schlicht nichts falsch machen. Allerdings wärs bedenklich, wenn in den knapp 60 Jahren seither nicht auch der eine oder andere Paradigmenwechsel stattgefunden hätte. Die Frau von heute mag vor der Tiffany-Auslage immer noch glänzende Augen bekommen – aber statt zu warten, bis ihr Prinz ihr etwas Schönes kauft, nimmt sie doch lieber eigenes Kapital in die Hand und beschenkt sich selbst. 

Und auch sonst weht ein frischer Wind. Die neue Schmuckmacher-Generation impft die gängigen Luxuscodes gern mal mit etwas Rock’n’Roll oder Punk. «Lang war der klassische Stil der namhaften grossen Marken das Mass aller Dinge», sagt Donatella Zappieri, Schmuckhandelsexpertin und Dozentin an der Hochschule für kreatives Digitalmarketing CREA in Genf. «Jetzt aber spürt man bei den Jungdesignern die Lust, Schmuck spielerischer anzugehen. So, wie das in der Mode schon länger der Fall ist.»

Vorsicht, scharfe Spitzen!

Eigentlich gings damit bereits in den späten 1960ern los, als Jean Dinh Van Cartier den Rücken kehrte, um sich selbständig zu machen. Gut, dass ers tat; sonst hätte es seine berühmten Handschellen oder seinen Rasierklingen-Anhänger womöglich nie gegeben… Andererseits liess sich Cartier in den Folgejahren auch nicht lumpen: Man denke etwa an den Jahrhundertwurf «Juste un Clou» von Aldo Cipullo. 

In diese Fussstapfen treten die jungen Wilden nun noch so gern. Mit Blumen und Herzen haben sie entsprechend wenig am Hut. Die 2005 in Paris gegründete Marke Messika beispielsweise gewährt Diamanten in ihrer Kollektion «Move» Auslauf, Akillis – 2007 ebenfalls in Paris gegründet – setzt mit „Capture me“ (Fang mich) auf die Form von Schlagfallen, wie sie Wilderer aufstellen. Und bei den Ohrringen von Maria Tash (gegründet 1993 in New York) sollte ein Warnhinweis mitgeliefert werden: Vorsicht, scharfe Spitzen! 

Es sind Stücke, die von Frauen für Frauen gemacht sind – und zwar Frauen, die sich nicht unbedingt an Galas tummeln. Und siehe da: Die Stücke mausern sich gar nicht mal so langsam zu Klassikern. Was man daran merkt, dass die Fashionistas sie mit Highend-Pieces grosser Luxusmarken kombinieren. Oder – ähnlich gutes Zeichen! – mit Modeschmuck. 

Diamanten für den Alltag

Caroline Gaspard, Gründerin und Mastermind von Akillis, gelang als frisch gebackener Kauffrau der Quereinstieg in die Schmuckbranche. Ein Coup, denn man bleibt dort sonst am liebsten unter sich. Gaspards Antriebsmotor war ihr Flair für Mode und Luxus: «Es ärgerte mich, dass es damals praktisch nur diese hyperklassischen Stücke zu kaufen gab, alles … sehr tralala!» Zu ihren in Frankreich produzierten, mit hochwertigen Edelsteinen versehenen Stücken sagt sie: «Ich möchte, dass man damit genauso spielt wie mit seiner Kleidung. Dass man sie heute zu Jeans und Bikerjacke kombiniert und morgen zu etwas Elegantem. Und: Dass man sie auch mal seinem Liebsten ausleihen kann.» 

Eine ähnliche Philosophie vertritt Valérie Messika, die vor Kurzem in Genf ihre erste Boutique in der Schweiz eröffnet hat. Die Tochter eines Diamantenhändlers wollte ihren eigenen Weg gehen: «Als ich anfing, herrschte eine regelrechte Ehrfurcht vor Diamanten. Man trug sie nur zu besonderen Anlässen. Ich wollte ihnen einen Platz im Alltag verschaffen.» Der Zeitgeist hat Messika in die Hände gespielt: «Diamanten haben eine Demokratisierung durchgemacht. Man wagt mehr mit ihnen, kombiniert sie überraschender.» 

Tattoo-Schmuck, Mono-Ohrringe, Upper Finger Rings (sprich: Ringe für die vorderen Fingerglieder), nietenartig Spitziges … Der neue Schmuck ist optimalerweise erstens instagrammable und zweitens kompatibel mit jener männlichen Klientel, die sich keinen Kopf macht, ob das Tragen von steinbesetzten Bijoux womöglich an ihrer Virilität kratzen könnte. Ein sehr willkommenes Geschenk ist er sowieso. Donatella Zappieri: «Männer, die Schmuck verschenken, setzen meist auf sichere Werte. Frauen hingegen stehen eher auf Stücke, die ihre Persönlichkeit unterstreichen und ihre Sehnsüchte widerspiegeln.» Wurde auch Zeit, dass die Auswahl hier grösser wurde!