Auch Wein mundet doppelt so gut, wenn man sich beim Degustieren das Land vorstellt, in dem die Trauben gereift sind. Unsere Tipps für Weinliebhaber in der Schweiz, die etwas erleben und entdecken wollen.

Lokal essen, klar. Aber auch trinken? Unser Weinspezialist Pierre Thomas hat fünf Schweizer Weingüter zusammengestellt, die ihm besonders am Herzen liegen und perfekt sind für ein Glas Wein inmitten einer aussergewöhnlichen Landschaft.

Noch mehr Anregungen und 106 weitere Adressen sind in dem top recherchierten und schwungvoll geschriebenen Handbuch «111 vins suisses à ne pas manquer» (Editions Emons) zu finden, ebenfalls von Pierre Thomas. Hier sind nicht nur die genannten Weine empfehlenswert, sondern gleich die ganzen vorgestellten Weinkeller!

Wer gern entlang von Rebstöcke spaziert, sollte sich als zuverlässigen Begleiter den Guide «Weinwandern Schweiz» der im Wallis lebenden US-Journalistin Ellen Wallace einpacken (auch auf Englisch und Französisch erhältlich, bei Helvetiq). Das Konzept ist so einfach wie überzeugend: Wegbeschreibungen mit Karte und Kommentare zu Weinkellern und Weinen.

Schlussendlich noch eine letzte Empfehlung für Palastfreunde ist der tolle Bildband «Wein, Schlösser, Adel» von Andreas Z’Graggen und Markus Gisler (Weberverlag.ch, auch auf Französisch erhältlich). Eine Tour de Suisse zu den Besitzern traumhafter Domizile mit angegliedertem Weingut.

1. Waadt: Schloss Crans, schön und bio


Ein Leben im Schloss? Davon träumte der Genfer Bankier Antoine Saladin, der Ende des 17. Jahrhunderts aus Paris zurückkehrte, wo er einen Landsitz errichten liess, den bis heute eine Familie aus dem Finanzwesen ihr Eigen nennt. Der Weinberg an den Ufern des Genfersees zwischen Nyon und Genf wurde erstmals im 13. Jahrhundert erwähnt. Heute bewirtschaftet Gilles Pilloud 13 Hektar Trauben in biologischem Anbau (Label Bio Bourgeon). Eine breit gefächerte Weinpalette und Jahrgänge mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis.

www.chateau-de-crans.ch. Besuchszeiten Donnerstagabend und Samstagmorgen sowie nach Vereinbarung.

2. Neuchâtel: Château d’Auvernier, Königreich des „Oeil de Perdrix“

Die offizielle Übergabe von Thierry Grosjean an seinen Sohn Henry-Alexandre fand erst jüngst in diesem Frühjahr statt. Die alten Gewölbekeller dieses ehrwürdigen Gebäudes am Eingang des schönsten Weindorfs der Schweiz sind in jedem Fall einen Besuch wert. Hier wurde einer der ersten «OEil-de-Perdrix» der Schweiz sanft gepresst: Mehr als die Hälfte des auf diesem riesigen Weingut angebauten Pinot Noirs wird auf diese Weise zu Rosé verarbeitet. Das Château produziert auch parzellenweise Pinot Noir, der «Grand Cru» Standard anvisiert. Und ungefilterten Chasselas. Der naturbelassene Weisswein gilt als Königin der Schweizer Weissweine.

www.chateau-auvernier.ch

3. Wallis: Sankt-Jodernkellerei in Visperterminen, der höchstgelegene Weinberg der Schweiz

Wer möchte 1150m ü.d.M. hoch auf den höchsten Weinberg der Schweiz (und nicht Europas) kraxeln? Genau hier, nur wenige Schritte von Visp entfernt, befindet sich der richtige Ausgangspunkt dafür. Die Amateur-Mitglieder der Genossenschaft bewirtschaften die steilen Heida-Plantagen, die im westlichen Wallis «Païen» und im französischen Jura «Savagnin» genannt werden. Der Önologe Michael Hock, seit kurzem Direktor der Kellerei, sorgt hier für frischen Wind. Vielleicht werden Sie Gelegenheit haben, den Heida Visperterminen Grand Cru zu probieren, der vor drei Jahren auf den Markt kam. Wenngleich die emblematische weiße Rebsorte dominiert, stehen die Rotweine ihr in nichts nach.

www.jodernkellerei.ch

4. St-Gallen: Wetli, Berneck, ein hoch dekoriertes Weingut

Bei dem 30. «Concours mondials de Bruxelles», der im Mai dieses Jahres in Porec, im kroatischen Istrien stattfand, heimste der Spitzenreiter des Ostschweizer Weinbaus als Einziger in der Schweiz drei Goldmedaillen ein. Gold für den Johanniter (eine weisse Rebsorte, die widerstandsfähig gegen Krankheiten ist), den Merlot (mittlerweile die am zweithäufigsten angebaute Rotweinsorte der Schweiz, nach Pinot Noir und vor Gamay) und den Diolinoir (eine Rebsorte aus der Romandie, die durch natürliche Kreuzung entstanden ist), allesamt aus dem Sortiment «Invinitus». Hier wird übrigens auch Französisch gesprochen: Es handelt sich sogar um eine der wenigen Deutschschweizer Kellereien, die auf dieser Seite der Saane ihre Weine über verschiedene Messen «exportiert».

www.wetliweine.ch

5. Tessin: Castello di Morcote und seine spektakulären Weinberge

Vom Flugzeug (oder einer Drohne) aus betrachtet, gehören die mit Bulldozern angelegten Weinberge, die den Höhenkurven eines Hügels gegenüber dem Monte San Giorgio folgen und diese Mailänder Festung umgeben, zu den spektakulärsten der Welt (vero!). Hartnäckig hat Gaby Giannini ihren Plan verfolgt, das Weingut auf biodynamische Landwirtschaft umzustellen. Nun findet sich nahe der Bergruine ein Juwel von Weinkeller. Etwas weiter oben auf der Alpe Vicania betreibt die Familie zudem ein Bergrestaurant, das in einem ehemaligen Schafstall untergebracht ist. Ein wirklich paradiesisches Fleckchen. Der Merlot Riserva, ausgewählt vom Mémoire des vins suisses (www.memoire.wine), ist bemerkenswert.

www.castellodimorcote.ch