Für das Modehaus Chanel sind Knöpfe Teil seiner legendären Markencodes. Gefertigt werden sie seit Jahren vom Maison Desrues. Ein Besuch im Norden von Paris.

Wenn man im Archiv des Hauses Desrues eine Schublade nach der anderen öffnet, reibt man sich erstaunt die Augen: Was für eine Vielfalt an Knöpfen! Die kleinen runden Dinger wurden allesamt für Chanel hergestellt. Das Accessoire, das eine Tasche oder eine Jacke verschliesst, ist Teil der Codes, die das Wesen der französischen Luxusmarke ausmachen. Ob in pastellfarbenem Harz oder in goldfarbenem Metall, ob mit militärischen Anleihen oder als pinkfarbener Bonbon – bei Chanel adeln Knöpfe jedes Outfit. Sie verleihen einer kleinen schwarzen Jacke einen Hauch von Aufmüpfigkeit oder buntem Tweed eine Portion Chic.


So schön und fantasievoll die Knöpfe in den Schubladen auch sind, so sind sie doch vor allem eins: nützlich. Getreu der von Gabrielle Chanel aufgestellten Regel, nach der es «keinen Knopf ohne Knopfloch» gibt. Knöpfe sind nie aus der Mode gekommen, ob an einem Kostümjackett, in Perlmutt an einer Steghose, übereinander appliziert wie an einem Modell von Karl Lagerfeld oder an einer von Virginie Viard entworfenen Denimjacke. Selbst Klettverschlüsse und Reissverschlüsse haben die kleinen Konkurrenten nie aus dem Kleiderrennen bugsiert, obwohl sie praktischer sind.


Auf der Vorder- und der Rückseite gleichermassen perfekt, sind Chanel-Knöpfe zu Ikonen geworden. Als Objekte der Begierde für Fibulanomisten – so heissen die Sammler von Knöpfen – inspirieren sie sogar andere Zweige der Marke, wie etwa die Uhrmacherei. Die Uhr «Bouton», die 2020 im Rahmen der Kollektion Mademoiselle Privée lanciert wurde, ist ein leuchtendes Beispiel dafür: Auf einer Manschette im Tweed-Look verbirgt ein mit einer Zuchtperle besetzter Knopf ein Zifferblatt, das mit den Fetischmotiven der Marke – dem byzantinischen Kreuz, der Kamelie und dem Löwen – verziert ist.

Ein fast hundertjähriges Know-how

Die Verzierungen von Taschen, Schuhen und Modeschmuck sind die Spezialität des Hauses Desrues. Das 1929 gegründete Unternehmen wurde 1985 als erstes Kunsthandwerksunternehmen von Chanel aufgekauft, inzwischen sind etliche weitere Metier-d’Art-Häuser hinzugekommen. 1995 zog Desrues aus dem pulsierenden Herzen von Paris in das ländliche Oise nördlich der Hauptstadt. Schliesslich braucht es Platz, um diese kleinen Wunderwerke herzustellen!

Vor allem, seitdem man sich bei diesem Handwerk mit neuen Technologien beschäftigt. In den endlosen Gängen des Firmengebäudes, in dem heute mehr als 350 Mitarbeitende beschäftigt sind, wimmelt es nur so von Handwerkern in weissen Kitteln, Designern, Modellbauern und Ingenieuren. Hinter einer der vielen Türen arbeitet auch Sylvain Peters. Der ehemalige Modellbauer, der an der École Boulle ausgebildet wurde, ist heute Direktor der Chanel-Kollektionen und Ansprechpartner für das Chanel-Studio. Es ist seine Aufgabe, die Wünsche von Chefdesignerin Virginie Viard zu erfüllen und Skizzen und Ideen in die Realität umzusetzen: «Wir stellen unser gesamtes kreatives und technisches Wissen in den Dienst der Designerin», sagt er. «Wir lassen uns von ihrer Kreativität inspirieren und stehen in einem ständigen Dialog mit ihren Teams. Es geht darum, ihre Ideen zu übersetzen und Innovationen zu entwickeln.»


Für jede Kollektion haben Peters und seine Teams, die ebenfalls im Produktionsstrudel von zehn Kollektionen pro Jahr mitschwimmen, anderthalb Monate Zeit, um die Palette an Knöpfen zu liefern, die die prestigeträchtige Garderobe zieren werden. Das gesamte Know-how der Handwerker fliesst in die Herstellung dieser winzigen Objekte ein: «Wir müssen jedes Mal etwa 20 Modelle in verschiedenen Durchmessern und Farben liefern. Das sind etwa 60 Prototypen, die dann tausendfach produziert werden.»

In der Montagewerkstatt werden die Knöpfe der neuen Cruise-Kollektion von Hand perfektioniert. Das Harz wird in die Ritzen des Metalls gegossen und anschliessend gefärbt.

Schritt für Schritt zur Perfektion

Hierfür sind mehrere Schritte nötig: Zunächst erstellt der Modellbauer einen Prototyp, wobei er Techniken der Juwelierskunst manuell oder digital anwendet. Dieser Prototyp wird präsentiert und dann so bearbeitet, dass er genau den Vorstellungen des Studios entspricht: «Jeder Knopf muss eine eigene Identität haben und sich von allem unterscheiden, was bisher gemacht wurde. Aber er muss auch den Geist von Chanel und den Geist einer Kollektion widerspiegeln», erklärt Peters.

Wenn das Modell abgenickt wurde, beginnt die Serienfertigung. Hierfür wird mithilfe des ersten Modells eine Form erstellt. In der Gusswerkstatt werden Zinn oder Messing in eine «Galette» aus grünem Silikon gegossen. Sobald die Knöpfe erhärtet und anschliessend gelöst sind, werden sie einzeln bearbeitet, um sie zu polieren und zu entgraten, bevor ihre Oberfläche sorgfältig homogenisiert wird, bis sie perfekt ist. Jeder noch so kleine Fehler führt dazu, dass das Stück aussortiert wird. Danach geht es in die Werkstatt zur Oberflächenbehandlung, um das Rohmaterial vor Abnutzung zu schützen – schliesslich soll der Knopf lange halten. Seine endgültige Farbe erhält er durch verschiedene Techniken, etwa durch Galvanisieren (um ihn zu beschichten) oder Thermolackieren (um ihn zu lackieren).


Der letzte Schritt ist die Montage oder die sogenannte komplexe Montage, bei der die Knöpfe durch Strass, Harz, Leder oder auch das Hinzufügen von Federn ihre ganze Schönheit entfalten. Im Atelier, in dem jeder Knopf unter fachkundigen Händen seine ganze Schönheit erlangt, ist die Aufmerksamkeit gross und die Qualitätskontrolle penibel. Sobald das Schmuckstück fertig ist, geht es in die heilige Halle, wo der letzte Schritt erfolgt: das Annähen. Jetzt müssen die «Petites Mains», wie die Schneiderinnen und Schneider genannt werden, die Schätze nur noch an ihrem richtigen Platz befestigen. Wie ein krönender Schlusspunkt auf Schultern und Hüften.

In Silikonformen gegossen, erwecken Zinn oder Messing den Knopf zum Leben.