Seit über 100 Jahren entstehen im Toggenburgischen Ebnat-Kappel bürsten aller Art. Für die Trendigen Holzzahnbürsten werden nur Bäume aus der Region gefällt.
Alles beginnt beim Baum: Am Anfang einer jeden Holzzahnbürste steht ein Besuch im Wald, wo Holzchef Manuel Grunauer dem Förster zeigt, welche Buchen er gefällt haben möchte. Möglichst gerade, wettergeschützte Stämme müssen es sein. «Man merkt es einem Baum an, wenn er dem Föhn ausgesetzt war: Da sind Spannungen im Holz, die sich bei der Verarbeitung entladen können.»
Schon zehn Jahre gehört der gelernte Zimmermann zur 200-köpfigen Belegschaft der Ebnat AG – und zählt damit nicht mal zu jenen, die am längsten an Bord sind. Marketing- und Verkaufschef Peter Langenegger zum Beispiel ist gar ein Vierteljahrhundert dabei: «Wer einmal hier ist, bleibt. Es ist schön im Toggenburg», lacht er. «Und es macht Freude, zu sehen, wie unsere Produkte von Jahr zu Jahr immer noch ein bisschen besser werden.» Er erinnert sich gut an die ersten Holzzahnbürsten der Firma, in einer Zeit, als Naturnähe noch nicht so trendy war wie heute. «Alle paar Jahre stellten wir eine kleine Charge für eine Amish-Gemeinschaft in den USA her. Mit Schweineborsten! Das war vom Mundgefühl her schon etwas gewöhnungsbedürftig, ehrlich gesagt.»
Inzwischen setzt man auf hygienischere Kunststoffborsten – und produziert rund vier Millionen Holzzahnbürsten im Jahr. Tendenz steigend, seit die Grossisten vor vier, fünf Jahren auf den Geschmack gekommen sind. Bevor so ein Bürstchen aber in schmucker Ökoverpackung im Regal hängt, durchläuft es zahllose Maschinen, die von 5 Uhr früh bis 22 Uhr spät unter den wachsamen Augen von Spezialisten surren und stampfen und rattern.
Zunächst gilt es, backsteindicke, noch mit Rinde versehene Bretter so lang zu zerkleinern, bis daraus sogenannte Kanteln entstanden sind: Rohlinge, aus denen anschliessend Zahnbürstengriffe werden. Immer wieder checken Mitarbeiter in blauer Werkkleidung und Gehörschutz die Qualität des Holzes; Stücke mit Astlöchern werden aussortiert. «Im Schnitt schafft es nur die Hälfte eines Baumes zur Zahnbürste», sagt Langenegger. Ungenutzt entsorgt wird der Rest aber nicht: «Daraus machen wir Holzschnitzel, mit denen wir die Fabrik heizen.»
Geheimer Vegan-Wachs
Letztere ist im Lauf der Jahrzehnte um jenes Häuschen herum gewachsen, in das die gerade mal dreijährige «Toggenburgische Holzwaren- und Bürstenfabrik AG» 1917 einzog – jenem Jahr, in dem sie die allererste, noch von Pferden gezogene Strassenkehrmaschine der Schweiz ins Leben rief. Heute umfasst das Sortiment der (seit 1989 zu Trisa gehörenden) Ebnat AG rund 1000 Holz- und Kunststoffbürsten aller Art; zahllose Treppen, Gänge und Türen verbinden Werkstätten, Lager, Büros und die Trocknungskammer, in der das Holz vor der Verarbeitung eine Woche bei 60 Grad Celsius lagert. «Wer bei uns anheuert, muss erst mal gründlich den Grundriss dieses Labyrinths studieren», sagt Langenegger lachend.
Zurück zu den Kanteln, die in der Hygienezone der Fabrik so in Form gefräst werden, dass sie später perfekt in der Hand liegen. Nach dem Glattschliff kommen sie zu 1000 Stück in eine Trommel – und dann gehts rund! Zwölf Minuten später kommen sie wieder raus, gleichmässig mit veganem Wachs – streng geheime Rezeptur! – überzogen und damit wasserabweisend. Dann werden in die Bürstenköpfe (je nach Modell) 32 bis 38 Löchlein gefräst und in diese wiederum die Borsten gestanzt. Der Trick, dass sie so gut halten, ist 90 Jahre alt: 1931 liess der Deutsche Leo Levy die Methode, bei der jeweils ein Metallplättchen einem Borstenbüschel als Anker dient, patentieren – und kam, als er 1933 vor den Nazis fliehen musste, bei der «Bürsti» in Ebnat-Kappel unter.
Doch so bewährt die Technik auch ist: Kontrolle muss sein. Alle paar Stunden pickt Qualitätsprüferin Nada eins der Bürstchen heraus, schaut unterm Mikroskop, ob die Borstenspitzen von der Schleifmaschine auch schön abgerundet worden sind, und rückt den Borsten mit der Zugmaschine zu Leibe, um zu sehen, ob sie die garantierten 1,8 Kilo Belastung auch aushalten.
Wie von rot leuchtender Geisterhand wird derweil auf die restlichen Bürsten das Logo des jeweiligen Grosskunden gelasert – und dann gehts in 30 000-Stück-Kartons hinaus in die Welt. Auch in Deutschland und Frankreich putzt man sich nämlich gern mit Schweizer Holz die Zähne!
Regelmässig wird ein Bürstenkopf aufgefräst, um zu kontrollieren, wie tief die Borsten im Holz verankert sind. Die Borsten werden auf die perfekte Länge gestutzt und in Stichproben mittels Zugmaschine auf ihre Robustheit geprüft.
Michele Vela
2010 stiess der Betriebwirtschafter aus dem Aargau zur Ebnat AG, 2015 übernahm er die Firmenleitung. «Ich schätze die Arbeit mit Produkten, die man in die Hand nehmen kann. Das liegt mir mehr
als abstrakte Zahlenschieberei», sagt der 58-jährige HSG-Absol-vent. «Und dass wir inhouse unsere eigenen Maschinen entwickeln, erfüllt mich ebenso mit Stolz wie die Tatsache, dass unsere Produktion sich an den Nachhaltigkeitszielen der UNO orientiert.» Velas Lieb-lingsprodukt? «Sie liegen mir alle am Herzen», lacht er. «Aber ich wage zu behaupten, dass die Flaschenbürste unserer Purus-Linie die weltbeste ihrer Art ist.»