Die Bondola – exotisch? Wenn man bedenkt, dass sie eher unbekannt ist (oder wer hat von dieser alten Tessiner Traube schon einmal gehört?), weit weg angebaut wird (im Sottoceneri im Süden des Kantons) und die Fantasie beflügelt? Dann definitiv! Seit dem 17. Jahrhundert in der Deutschschweiz unter dem Namen Briegler bekannt, ist sie zwischen dem Maggia-Delta und der Region Bellinzona, also im Sopraceneri, sowie im Bündner Tal Mesolcina beheimatet. Von der Bewegung Slow Food, die sich für den Erhalt der Biodiversität einsetzt, wurde sie 2023 zum «Presidio» befördert – als erster Wein der Schweiz. Zudem ist die rote Traube im Katalog von ProSpecieRara aufgeführt, der seltene, schützenswerte Sorten auflistet. Bis in die 1950er-Jahre konnte sich die Bondola gut gegen den Merlot behaupten, der Anfang des 20. Jahrhunderts zur «offiziellen» Tessiner Traube erklärt wurde.

Heute nimmt sie weniger als 2 Prozent der transalpinen Weinberge ein, während der Merlot mehr als 80 Prozent für sich behauptet.
Voilà, ein Bondola aus dem Sottoceneri. Andreas Silbernagl hat das Weingut übernommen, das seit einem Jahrhundert im Besitz seiner Familie war. Sie war über Mailand aus Südtirol gekommen und startete neu durch. Seine Frau Carmen trägt zum internationalen Renommee der Weine bei, denn sie exportiert sie sogar nach Hongkong, wo sie selbst herkommt. Dieser seltene, himbeerfarbene Saft hat den Geschmack von Grenadine und Preiselbeeren und erstaunlich feine Tannine. Ein frischer Wein mit einem Alkoholgehalt von etwas mehr als 13 Prozent (Jahrgang 2022). Generell mag der Winzer sehr reife Trauben, wie bei seinem Sauvignon oder seinem Chardonnay. Die Silbernagls haben sich in Purasca im Malcantone niedergelassen, im Keller des verstorbenen Waadtländer Pioniers Eric Klausener. Ihre Hoffnung: bis zur Weinlese 2025 einen eigenen Weinkeller einzuweihen.

    Bondola 2022, DOC Ticino

    28 Fr./75 ml

    www.silbernagl.ch