Nach der Gastronomie lässt sich nun auch die Kosmetikbranche von der Heimischen Natur inspirieren. Neue Schweizer Marken setzen vor allem auf alpine Zutaten.

Das Geschäftsmodell für eine eigene Beauty-Linie lag im wahrsten Sinne des Wortes auf der Hand, sagt Tulipan Zollinger, der mit seinen Brüdern seit 2016 in zweiter Generation das schweizerische Saatgut-Unternehmen Zollinger Bio führt: «Obwohl die geernteten Samen aus unserem Betrieb nur einen kleinen Teil der Pflanzen ausmachen, wurden die Reste bisher stets kompostiert. Wir sahen darin ein grosses Potenzial und suchten nach Möglichkeiten zur Nutzung dieser Nebenprodukte.

In Zentrum stand der Upcycling-Aspekt, doch wir hatten lang keine Ahnung, auf welchem Feld wir tätig werden sollten.» Dass im vergangenen Herbst schliesslich die eigene Pflegelinie Zizania Biobotanica entstand, sei dem betörenden Duft der Jungfer im Grünen (Fachbegriff: Nigella Damascena) zu verdanken, welche das Herzstück des ersten Produkts – einer Seife – bildet, sagt Zollinger. «Wir fanden unsere Inspiration praktisch vor der Haustüre, auf den eigenen Blumenfeldern.»


Edelweiss, Ringelblumen, Bergminze, Lindenblüten, Thymian und so weiter: Die Flora der Schweiz bietet eine riesige Auswahl an Aroma-, Heil und Wildpflanzen, die sich seit vielen Jahrhunderten bewährt haben. Beim Familienbetrieb Rausch setzt man seit 1890 auf hiesige Kräuter-Extrakte. Mittlerweile verwendet das Unternehmen fast 100 Kräuter und Pflanzenstoffe, von denen die meisten aus kontrolliertem Schweizer Vertragsanbau stammen. Am anderen Ende des Luxusspektrums feiert die sehr exklusive Marke Valmont heuer das 20-jährige Bestehen der Pflegelinie Elixir des Glaciers, die auf Alpenpflanzenextrakten wie Sanddorn und Echinacea basiert und remineralisierendes Gletscherwasser aus Arolla enthält. Das Jubiläum wird mit einer prestigeträchtigen Lancierung gefeiert: Die Kur Quintessence des Glaciers, von der es lediglich 500 Exemplare gibt, enthält eine einzigartige Konzentration seltener Ingredienzien und kommt in einer regelrechten Schmuckschatulle daher.

Da wird noch viel passieren

Zu diesen Pionieren stossen – neuerdings zusätzlich begünstigt durch die pandemiebedingte Rückbesinnung auf das Schlichte und Regionale – weitere Marken, die auf Edelweiss, Ringelblume und Co. setzen. Zum Beispiel die 2019 lancierte Haar- und Hautpflegelinie von Hairstylist Alf Heller. «Nachhaltigkeit spielte von Anfang an eine wichtige Rolle in unserem Konzept», so Heller. «Und da die Schweiz marktführende Wirkstoffe herstellt und eine enorme Innovationskraft hat, war die Verwendung lokaler Ingredienzen nicht zuletzt eine Wertschätzung dessen, was unser Land zu bieten hat.»


Auch Charlotte Landolt-Nardin, die einen historischen Bergkräutergarten in den Waadtländer Voralpen zu neuem Leben erweckt hat und nun unter dem Label Jardins des Monts neben Tees auch Kosmetik mit Wirkstoffen aus eigenem Bio-Anbau anbietet, sagt: «Die Schweiz ist ein grossartiges Land, um Kosmetik herzustellen. Wir haben fast alles, was wir brauchen, in unserem Kräutergarten oder beziehen es von regionalen Partnern.» Obwohl sie sich seit bald 15 Jahren mit der hiesigen Pflanzenwelt beschäftige, lerne sie fast täglich dazu. «Das Potenzial von Wirkstoffen aus der Schweiz ist riesig, da wird noch viel passieren.»


Tatsächlich ergab eine repräsentative Umfrage des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) im Februar, dass für 18 Prozent der Befragten seit dem Start der Corona-Pandemie die lokale Produktion der eingekauften Lebensmittel wichtiger geworden ist. «Die Nähe zum Hersteller gibt dem Verbraucher Sicherheit und schafft Vertrauen», heisst es im Bericht. Charlotte Landolt-Nardin beobachtet das auch im Bereich der Kosmetika: «In den vergangenen Monaten haben wir viele Neukundinnen gewonnen, die explizit nach regional produzierten Produkten suchten. Während der Pandemie hatte man Zeit für entsprechende Recherchen und hat gemerkt, dass der Konsum regionaler Produkte für die Gesellschaft viele Vorteile hat.»


Genau aus dem Grund, sagt Beauty-Unternehmerin Sandra Fischer, habe sie ihre Suche nach einem leichten Öl für die Produkte ihrer Kosmetik-Linie Shea Yeah auf die Schweiz begrenzt. «Ich träumte schon lang von einem lokalen Wirkstoff, der im Idealfall aus einem Abfallprodukt gewonnen wird.» Fündig wurde sie schliesslich beim ältesten Weingut Europas, dem Schloss Salenegg im bündnerischen Maienfeld, von wo sie das Öl von Traubenkernen frisch ab Presse beziehen kann. «Die Kerne fallen als Nebenprodukt bei der Weinherstellung an. Sie werden vom ausgepressten Fruchtfleisch getrennt, getrocknet und zu Öl mit stark antioxidativer Wirkung gepresst, das nun unter anderem in der nährenden Handcreme enthalten ist», sagt die Expertin über den Wirkstoff – für den sie ganz im Sinne des berühmten Goethe-Zitates nicht in die Ferne schweifen musste, weil das Gute meist so nahe liegt.