Kosmetikmarken setzen auf Bits und Bytes und erweitern ihr Portfolio mit Produkten für digitale Parallelwelten.

Das, was früher für ein Stirnrunzeln gesorgt hat, ruft heute nur noch ein müdes Lächeln hervor. Bad Hair Day, Augenringe oder Knitterfalten?
Mit dem passenden Filter wird auf Instagram und TikTok geglättet und kaschiert, was das Zeug hält. Angesichts der neusten Beauty-Entwicklung wirken Filter allerdings wie Kinderkram. Immer mehr Marken entdecken das Metaverse für sich. Digitale Parallelwelten, die wie eine – nicht eingezäunte! – Spielwiese für die Fantasie sind.


Erstmals präsentierte sich Beauty-Mogul Charlotte Tilbury vergangenes Jahr als Avatar. Kein Mensch aus Fleisch und Blut, sondern eine Figur aus Bits und Bytes. Lächelnd lud sie ihre Follower als 3-D-Version in ihr Virtual Beauty Wonderland. Sobald die User einen QR-Code gescannt hatten, wirbelten Lippenstifte, Lidschatten und Blushes um sie herum, öffneten sich Türen zu Make-up-Meisterklassen. Die neuen Pillow-Talk-Produkte wurden im Februar ebenfalls in ihrem Metaverse lanciert. Auch Shiseido lud im Januar in sein eigenes digitales Universum: Im Shiseido Tokyo Beautyverse berieten Experten zu Pflegeprodukten.


Die grossen Modemarken nutzen das Metaverse und Augmented Reality bereits seit Längerem als einen zusätzlichen Verkaufskanal. Eine Studie von We Are Social fand heraus, dass 80   Prozent aller weiblichen Internetnutzer zwischen 16 und 44 Jahren Computerspiele spielen. Die passende Mode dazu kommt von Labels wie Gucci, Louis Vuitton oder Burberry, die Wearables, also digitale Bekleidungsstücke und Accessoires, für die Avatare kreieren. Das Branchenportal Business of Fashion schätzt das Umsatzpotenzial bis 2030 auf 50 Milliarden US-Dollar.


Nur logisch, dass auch die Kosmetikunternehmen mitspielen wollen und nachziehen. Estée Lauder war im März 2022 exklusiver Beauty-Partner der ersten Metaverse Fashion Week, die auf der Virtual-Reality-Plattform Decentraland abgehalten wurde. Die Nutzerinnen konnten eine braune Serumflasche des Verkaufsschlagers Advanced Night Repair betreten – woraufhin ihren Avatar fortan eine leuchtende Aura umgab. «Die Gestaltung von Identität umfasst sowohl den physischen als auch den digitalen Bereich. Wir stehen vor der Frage, wie wir durch die menschliche und posthumane Form kommunizieren können», sagt Dr. Alex Box. Die Künstlerin bezeichnet sich als Identity Designer und Beauty Futurist, und entwirft virtuelles Make-up und Avatare für Konzerne wie Shiseido oder Estée Lauder.


Nars spannt seit Juli mit der immersiven Gaming-Plattform Roblox zusammen. Auf vier tropischen Inseln werden Looks ausprobiert, Selfies untereinander verschickt oder die virtuelle Version von François Nars, dem Gründer der Marke, begrüsst. «Wir haben NARS Color Quest entwickelt, um eine neue Kundschaft zu erreichen», so Dina Fierro, Vice President, Global Digital Innovation and Strategy bei Nars. Roblox allein zählt täglich mehr als 54 Millionen Spielende. Jede Menge potenzielle Käufer also, vor allem in der für Werbekunden interessanten Zielgruppe der Generation X und der Boomer. Laut einer Studie von Accenture sind 42 respektive 23 Prozent von ihnen gewillt, in Make-up und Frisuren für ihre Avatare zu investieren. Und: Die User sind divers – funktioniert das Metaverse doch losgelöst von Kulturkreisen und Koordinaten.

Inklusion und Diversität

Das Potenzial hat auch die französische Kosmetikkette Sephora erkannt: Für das jährliche 3-D-Event Sephoria – House of Virtual Beauty war 2022 erstmals ein Raum ausschliesslich Brands gewidmet wie Fenty Beauty by Rihanna, Rare Beauty by Selena Gomez, JLo Beauty oder Tata Harper, deren Gründerinnen einen lateinamerikanischen oder BIPoC-Hintergrund haben (Black, Indigenous, People of Color, Anm. d. Red.).


Nun fragt man sich: Make-up-Produkte, die von der Sensorik leben, die man aber nicht fühlen, tasten, riechen kann – funktioniert das überhaupt? Und wie. Seitdem MAC seinen virtuellen Try-On-Service für die Studio Fix Foundation lanciert hat, ist die Online-Interaktion mit den Kundinnen und Kunden um 200 Prozent gestiegen. L’  Oréal setzt bereits seit 2014 mit dem Tool Makeup Genius auf das virtuelle Ausprobieren von Make-up. Die Pandemie hat den Trend befeuert. «In den letzten zehn Jahren war die Digitalisierung das Rückgrat vieler gesellschaftlicher Veränderungen. Die Offline- und Online-Verbraucherreise ist jetzt das neue Normal», sagt Béatrice Dautzenberg, L’  Oréal Global Director of Beauty Services. Kommt hinzu, dass das Testen von Make-up am Bildschirm hygienischer ist als am Counter in der Drogerie, was vor allem in der Hochphase der Pandemie ein Pluspunkt war.


Selbst Parfums, die alleine über den Geruchssinn funktionieren, sind im Web 3 zu finden. Nachdem Dior schon seine Frühlings-/Sommerkollektion auf der Plattform ZiWU präsentierte hatte, launchte die Parfum- und Kosmetiksparte Dior Beauty im Dezember auf Emperia einen virtuellen Weihnachtsstore, in dem es auch einen Fragrance Room gab.


«Im Metaverse stellen wir Schönheit in einen neuen Kontext: wie wir unser multiples Selbst interpretieren», sagt Dr. Box. «Während der digitale Körper im Web 1 und 2 ein Spiegel der realen Welt war, sehen wir im Web 3 die Idee eines multisensorischen Selbst. Im Metaverse werden wir Schönheit und Identität durch Erfahrungen erforschen.»  

Unsere Auswahl zum virtuellen Ausprobieren: