Alles andere als Null-Acht-Fuffzehn: Parfum-Paradiese, die wie ein Abenteuerspielplatz für den Geruchssinn funktionieren.

1. New York

It’s All in the Mix, Baby

Der Laden Hinterm Tresen wird gemixt, was das Zeug hält. Aber nein, wir sind hier nicht in einer Bar, sondern bei Le Labo: In dieser Parfümerie stellt man seinen Lieblingsduft selbst zusammen – der dann frisch abgefüllt und mit einer personalisierten Etikette versehen wird. Neben dem Self-Mix-Angebot gibts natürlich auch fertige Düfte (die via Estée Lauder weltweit vertrieben werden, seit der Konzern Le Labo 2014 gekauft hat). 

Die Nasen Fabrice Penot und Eddie Roschi hatten die Idee, eine Brücke zwischen Grasse und New York zu schlagen – und hoben ihre puristische Marke im Jahr 2006 aus der Taufe. Puristisch, weil: ohne Tierversuche («nur Tests an New Yorkern») und ohne Markenbotschafter. Nichts als Parfümeurs-Handwerk nach Mass. 

Das Mitbringsel «Tubereuse 40», der Duft von New York! Berauschende Tuberose spielt mit Zitrusnoten. In Europa wurden Paris, Amsterdam, London und Berlin mit einem eigenen Duft beehrt – der jeweils nur in der entsprechenden Filiale zu kaufen ist. 

233 Elizabeth Street, New York.

2. Paris

Mysteriöse Paralleluniversen

Der Laden Boutique, Museum oder Labor eines Alchemisten? Das Reich von Serge Lutens ist von allem ein bisschen: In seine ersten Filiale (eröffnet 1992) taucht man in eine betörende historische Welt ab. Die zweite (an der Rue Saint-Honoré) könnte unterschiedlicher nicht sein: dunkle Räume, UV-Licht … Mystik pur! 

Die Nase Serge Lutens ist ein Dandy, der Kultur atmet. Und ein sehr emotionaler obendrein: Jedes seiner Parfums ist das Abbild eines Gemütszustands! Kein Wunder, muten die Namen geradezu psychoanalytisch an: «La Couche Du Diable», («Teufelsanstrich»), «La Dompteuse Encagée» («Dompteuse im Käfig») … Wer mehr erfahren will, dem erzählt Lutens seine Geschichte gleich selbst: im Podcast «Radiographie» (z. B. Spotify). 

Das Mitbringsel Entweder das schon vor 30 Jahren für Shiseido kreierte «Féminité du Bois» im Sammlerflakon – oder «La Dame de Heian», einen der fünf neuen «At Home»-Raumdüfte, die weit entfernte Sehnsuchtsziele in die gute Stube zaubern (erhältlich ab Oktober). 

142, galerie de Valois, Paris.

3. Mailand

Einatmen – und das Meer sehen

Der Laden Im Zentrum Mailands, genauer: im legendären Viertel Quadrilatero d’Oro, wo sich ein Luxusgeschäft ans andere reiht, hat 1998 die erste Boutique von Acqua di Parma ihr Zuhause gefunden. Seither verströmt sie hier mit ihren sonnengelben, handgefertigten Verpackungen die duftige Wärme Süditaliens. Inzwischen gibts auch Filialen in Paris und Rom; der Mailänder Standort bleibt aber das Herz der Marke. Wie sehr die Liebe zum Handwerk – bis hin zu den handgepflückten Zitrusfrüchten – bei Acqua di Parma zelebriert wird, ist nicht zuletzt daran ersichtlich, dass man sich seine Flakons vor Ort gravieren lassen kann. 

Die Nase Carlo Magnani, Baron und Ästhet aus Parma, gründete die Marke 1916. Heute Teil der französischen LVMH-Gruppe, steht sie wie eh und je für elegante Italianità: mit frischen Düften, bei denen man sofort das Meer vor Augen hat. 

Das Mitbringsel Das «Colonia Originale» im Splash-Flakon. In die Handflächen geben – und auf die Wangen damit! 

Via Gesù 1, Mailand.

4. Lausanne

Aussen hui, innen – auch!

Der Laden Im Stadtteil Saint-François gleich oberhalb vom Bahnhof Lausanne hat sich 2020 die auf Nischen-Parfums spezialisierte Boutique Philippe K. niedergelassen. Die Räumlichkeiten – helles Holz, schlichte Präsentation – sind freundlich, aber dezent; der Fokus liegt klar auf den 15 vom Chef sorgfältig ausgesuchten Marken. Im hinteren Teil des Ladens ist die eigene Linie mit Raumdüften und Waschgels präsentiert.  

Die Nase Gleich nach der Lehrzeit bei LVMH machte sich der Lausanner Philippe Kumara Cart 2014 selbstständig. Seither schleift er unermüdlich an seinem Haute-Parfumerie-Konzept – und erstellt personifizierte Duftporträts. Zu seiner Palette gehören auch Raumdüfte, Kerzen aus Pflanzenwachs, Waschgels und – man kommt heute nicht drum herum – Handdesinfektionsmittel. Zückerli: Sämtliche Philippe-K.-Produkte sind nachhaltig. Innen wie aussen! 

Das Mitbringsel Eins der beiden neuen Waschgels (von inzwischen sechs) in einer Verpackung auf Zuckerrohr-Basis: «Infusion Tilleul» oder «Cashmere N°10». Oder beide! 

12 bis, place Saint-François, Lausanne.

5. Stockholm

Und plötlich will man nach Indien

Der Laden Bei der Marke Byredo (Abkürzung von «By Redolence», zu Deutsch etwa «von Wohlgeruch») und ihren acht Boutiquen sowie zig Verkaufsstellen rund um den Globus kann man nicht mehr wirklich von einem Geheimtipp sprechen. Das 2009 eröffnete Mutterschiff in Stockholm bringt das Firmenkonzept auf den Punkt: stilvoller Minimalismus mit einem Tupfer bunter Verrücktheit, die Lust auf eine Reise nach Indien macht.

Die Nasen Ben Gorham kann Basketball spielen, ist fotogen, tätowiert und bestens in der Kunstszene vernetzt. Was er freilich nicht ist: Parfümeur! Als der gebürtige Schwede (mit kanadischem Vater und indischer Mutter) 2006 Byredo gründete, wusste er trotzdem genau, was er wollte: Unisex-Düfte, die Lust auf Abenteuer und Ausbruch aus dem Alltag machen. Eine Vision, die Parfümeure wie Jérôme Epinette zu unkonventionellen Formulierungen animieren.

Das Mitbringsel «Vanille Antique», der letzte Streich der spezifisch für die Nacht entwickleten «Night Veils»-Linie. Vanille, wie man es noch nie gerochen hat. 

Mäster Samuelsgatan 6, Stockholm.

6. Paris

Zu Hause beim Duft-Guru

Der Laden Sie sind ein Frédéric-Malle-Fan? Dann müssen Sie an die Rue Grenelle 37! Unbedingt! Der Duftpionier konzipierte sein erstes Geschäft zusammen mit der Grande Dame des Designs, Andrée Putman. Eröffnet wurde 2000, also noch im Gründungsjahr der Marke. Vor Ort meint man, man stünde in der Wohnung eines Ästheten und Sammlers – einerseits. Andererseits ist es wie in einem Parfüm-Labor: An den Wänden Porträts von Parfümeuren, Kühlregale für die Flakons und – das Tollste! – die von Frédéric Malle patentierten «Duftsäulen», in die man sich hineinstellen und darin komplett von einem Duft einhüllen lassen kann. 

Die Nasen Frédéric Malle ist zwar der Herausgeber der Kollektion Éditions de Parfums Frédéric Malle, nicht aber ihr Schöpfer. Die 22 Düfte wurden von Top-Parfümeuren wie Edmond Roudnitska oder Jean-Claude Ellena komponiert. Die Marke gehört heute zu Estée Lauder; Frédéric Malle ist aber immer noch Spiritus Rector.

Das Mitbringsel Der 11 cm³ grosse High-Tech-Würfel «Fleur mécanique»: ein Diffusor für zuhause oder unterwegs. 

37, rue de Grenelle, Paris.

7. Paris

Im Reich der tausend Bienen

Der Laden Wie renoviert man eine Legende? Dem US-Architekten Peter Marino ist es geglückt. 2013 frischte er die 1914 eröffnete Guerlain-Boutique auf – wobei er die Marmorböden sowie die aus einem Stück gehauenen Tresen in die Jetztzeit rettete. In den neu erstrahlenden Räumen ist das komplette Sortiment der Beautymarke mit der Biene ausgestellt: von Kosmetika über Make-up bis zu den Düften, die einst die Geburtsstunde des Unternehmens markierten – das war 1868! Zurecht thronen die Parfums über allem: am Kopf einer majestätischen Treppe in einer Art Spiegelsaal. 

Die Nasen Thierry Wasser stiess 2006 zu Guerlain – als Erster, der nicht den Namen des Hauses trägt. Seit 2013 steht ihm Delphine Jelk zur Seite, Schöpferin von «La Petite Robe Noire», das erst nur an den Champs-Élysées verkauft wurde. Von Wasser neu interpretiert, ist es nun weltweit zu haben. 

Das Mitbringsel Ein Klassiker unter den Klassikern: «L’ Eau de Cologne Impériale» im goldenen, mit 69 Bienchen verzierten Flakon.

68, avenue des Champs-Elysées, Paris.

8. London

Darfs ein Häppchen sein, Sweetie?

Der Laden Jo Loves gibts zwar rund um den Globus zu kaufen. Aber nur im weltweit einzigen Flagship-Store (an jener Strasse im feinen Stadtteil Belgravia, an der Firmenchefin Jo Malone einst als Floristin jobbte!) shoppt man nach dem Tapas-Bar-Prinzip: Bevor man sich für einen Duft (oder mehrere …) entscheidet, schnuppert man sich erst häppchenweise durch alle durch: in Form von luftigen Cremes und zarten Wolken.

Die Nase Joanne Lesley «Jo» Malone startete einst als Autodidaktin – und ist heute Trägerin des Britischen Ritterordens. Not bad! Ihre erste Duftkerze verkaufte sie 1994. Als ihr Baby fünf Jahre später von Estée Lauder übernommen wurde, war daraus ein internationaler Grosserfolg geworden. Jo war weiterhin im Unternehmen tätig – bis eine Krebserkrankung sie zum Pausieren zwang. 2011, vollständig genesen, gründete sie ihre neue Marke Jo Loves und schrieb ein Buch: «My Story».

Das Mitbringsel Eins der parfümierten Gels, die man auf die Haut pinselt. Sooo sinnlich!

42 Elizabeth Street, London. 

9. Paris

Drei Musketiere und ihre Kunst für Nasen

Der Laden Am Boulevard Saint-Germain hat alles angefangen: Hier wurde 1961 die Marke Diptyque geboren. Drei kunstaffine Freunde – Yves Coueslant, Christiane Gautrot und Desmond Knox-Leet – boten erst Stoffe, Antiquitäten und englische Parfums an, später auch Duftkerzen aus eigener Produktion. 1968 lancierten sie ihr erstes Parfum, «L’ Eau» – unisex, damals eine Sensation! Der Laden wurde 2015 liebevoll restauriert, wobei die originalen Holztheken und die von Desmond stammende Wandmalerei erhalten blieben. 

Die Nasen Gemäss der Philosophie des Gründertrios sollten Kunst und Dekoration immer alle Sinne ansprechen – also auch den Geruch. Seither hat eine Reihe namhafter Parfümeure diese Vision in Düfte umgesetzt, zurzeit Fabrice Pellegrini und Olivier Pescheux. 

Das Mitbringsel Kein Duft verkörpert den Geist dieses Ortes so sehr wie der nach der legendären Hausnummer benannte: «34» gibts als Eau de Parfum, Eau de Toilette, Cremeparfum, als Kerze und als graviertes Seifenstück.  

34, boulevard Saint-Germain, Paris.

10. Zurich

Was nicht rar ist, fliegt raus!

Der Laden Wenn diese Mauern sprechen könnten … Allein schon die im Parterre eines über 300 Jahre alten Hauses beheimatete Boutique Süskind, nur wenige Schritte vom Limmatufer entfernt, lohnt einen Besuch. 

Die Nasen Als Kind sammelte Mayumi Matthäus Parfum-Müsterli und Flakons; später, als Flight Attendant, klapperte sie alle möglichen Destinationen nach Dufttempeln ab. 2013 erfüllte sich die Schweiz-Japanerin den Traum von einer eigenen Parfümerie, in der sie nur Rares und Raffiniertes anbietet. 2015 stiess Till Fiegenbaum hinzu, als Store Manager – und als wandelndes Lexikon: Alle paar Wochen führt er am «Fragrant Monday» in die Geheimnisse der Parfümeurskunst ein. 

Das Mitbringsel  Die Pariser Marke Lubin gehört seit Tag eins zum Sortiment. Wie wärs mit «Gin Fizz», das als Hommage an Grace Kelly entstand? Spritzigzitronig, ist es perfekt für die letzten Sommertage. Und: Mayumis Lieblingsroman «Das Parfüm» von Patrick Süskind (nach dem sie ihr Reich benannt hat), gibt es ebenfalls zu kaufen! 

Scheitergasse 10, Zürich.

Grasse: die Wiege der Parfümeurskunst an der Côte d’Azur

Am Anfang war die Haut. Nicht die zarte am Handgelenk oder hinterm Ohr, wo ein Tropfen Parfum seine subtilen Nuancen entfaltet, nein. Die Haut, die Grasse ursprünglich einmal prägte, war jene von Tieren, die zu Jacken oder Gürteln verarbeitet wurde: Im Mittelalter war das südfranzösische Städtchen eine Hochburg der Leder-Gerber.

Diese begannen irgendwann, wohlriechende Pflanzen zu verwenden, um die von ihnen gefertigten Handschuhe damit zu beduften, was im 17. Jahrhundert schwer in Mode war. Und da das Klima im Hinterland von Cannes ideal ist für den Anbau von Rosen, Orangenblüten, Tuberosen und Jasmin, löste die Parfümeurskunst schliesslich die Gerberei als Haupterwerbsquelle ab. 

Das Parfummuseum in Grasse ist das grösste seiner Art weltweit – mit einem eigenen, drei Hektar grossen Garten

Die goldenen Jahre von Grasse waren die 1920er, als in der Region Tausende von Blumenzüchtern tätig waren, die auch die Kunst der Extraktion beherrschten. Dann begann es bergab zu gehen, weil mit der globalisierten Industrie synthetische Moleküle den natürlichen Duftstoffen den Rang abliefen.

Doch wie in vielen anderen Branchen auch besinnt man sich in der Parfumproduktion nun wieder auf traditionelle Herstellungsmethoden und ein Know-how, das teils über fünf Generationen weiterentwickelt wurde. Das Parfummuseum im Herzen der Stadt ist das grösste seiner Art weltweit und beleuchtet das internationale Parfumgewerbe von der Antike bis zur Moderne. Ein paar Kilometer ausserhalb der Stadt liegt der wunderschöne, drei Hektar grosse Museumsgarten mit Pflanzen, die seit Jahrhunderten Rohstoffe für Parfum liefern.