Nahrungsergänzungsmittel sind als Schönmacher in aller Munde. Was ist dran am Kosmetik-Hype?


Man kennt sie von der Leinwand, der grossen Bühne oder aus Magazinen: Celebrities, die trotz zunehmender Anzahl Kerzen auf dem Geburtstagskuchen nicht zu altern scheinen. Befragt nach ihrem Beauty-Geheimnis, berufen sich die meisten auf gute Gene. In den vergangenen Monaten wurde zudem eine kulinarische Spezialität oft genannt, auf die schon unsere Grosseltern schworen: die gute alte Rindsbouillon. Aufgrund ihres hohen Gehalts an Kollagen schaffte sie es als flüssiger Schönmacher auf den Trendradar von Hipstern von Berlin bis New York.


«Kollagen ist das in unserem Körper am häufigsten vorkommende Protein. Durch seine Struktur sorgt es in der Haut für Elastizität und Festigkeit. Ab dem 25.   Lebensjahr nimmt die körpereigene Produktion ab, darum macht die Einnahme von Kollagen durchaus Sinn», findet Ernährungswissenschaftlerin und Bio-Medizinerin Vanessa Craig, die im Bereich Epigenetik geforscht hat. «Mir war schon früh klar, wie gross der Einfluss der Ernährung auf das Äussere ist.» Die in Zürich lebende Australierin hat das Kollagenpulver Formettā auf den Markt gebracht. «Klinische Studien haben ergeben, dass die Einnahme von Kollagen zu einer messbaren Verbesserung der Hautfeuchtigkeit und der Faltentiefe führt.» Dem widerspricht allerdings Stiftung Warentest. Die unabhängige Verbraucherorganisation kommt zum Ergebnis, dass zugeführtes Kollagen keine nachweisbare positive Wirkung auf die Haut hat. Craig hält dagegen: «Suchen Sie nach einer fortschrittlichen Formulierung, die nicht nur Kollagenpeptide, sondern auch andere hochwertige Bestandteile zur Unterstützung der Kollagensynthese in sinnvollen Mengen enthält.» Um mit einem verbesserten Hautbild werben zu können, werden die meisten Kollagenprodukte mit Vitaminen oder Biotin versetzt, deren positiver Effekt belegt ist. Denn das Geschäft ist lukrativ: Mit einer jährlichen Wachstumsrate von fast sechs Prozent wird der globale Markt für Nahrungsergänzungsmittel bis zum Jahr 2028 auf 307,8 Milliarden US-Dollar geschätzt, heisst es in einem Bericht von Maria Howard, Digital Marketing Specialist bei Zion Market Research. Faktoren wie steigende Kosten im Gesundheitswesen und die Angst vor hohen Arztrechnungen, aber auch der zunehmende Optimierungseifer gelten als Gründe für die gesteigerte Nachfrage nach zugeführten Vitaminen oder Mineralstoffen.


Neu bieten auch etablierte Beauty-Brands wie myBlend, Augustinus Bader, Dr. Barbara Sturm, Weleda, Clinique La Prairie, Gallinnee, Ouai, Oskia oder Klorane Nahrungsergänzungsmittel an. Und auch in Drogerien füllen sich die Regale mit Pillen, Drinks, Pulvern und Kapseln für die Schönheit von innen, beworben mit oftmals kühnen Versprechen.


«Die Haut ist ein Spiegel unserer Gesundheit und ein lebenswichtiges Organ, das mit allen anderen verbunden ist. Deshalb ist es so wichtig, sie zu pflegen, von innen heraus zu nähren und mit Feuchtigkeit zu versorgen», erklärt Tina Frutiger, Director myBlend Switzerland. «Bei myBlend haben wir in Zusammenarbeit mit der Ernährungswissenschaftlerin Béatrice de Reynal verschiedene Nahrungsergänzungsmittel entwickelt, die einen wesentlichen Bestandteil des Angebots zur ganzheitlichen Schönheitspflege bilden. Dieses beruht auf der Kraft von Synergien: Nahrungsergänzung plus Hautpflege plus Technologie.» Nach einem ähnlichen Prinzip ist auch die neue Holistic-Health-Kollektion der Clinique La Prairie aufgebaut. «Holistic Health ist mehr als ein Vitaminpräparat, wir nutzen drei verschiedene Arten von Nährstoffen, um den Hauptursachen des Alterns und von Entzündungen entgegenzuwirken für ein langes Leben», so Co-Entwickler und CEO Simone Gibertoni.


Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen weist darauf hin, dass Nahrungsergänzungsmittel bei einer ausgewogenen Ernährung in der Regel nicht nötig sind. «Supplemente jeglicher Art machen nur dann Sinn, wenn eine konkrete Versorgungslücke besteht», sagt auch Craig. Für gute Resultate müssen die entsprechenden Nährstoffe in optimaler Form und Dosierung vorliegen sowie nachweislich frei von Schadstoffen sein: «Die wissenschaftlich erwiesene effektive Dosis Kollagen beträgt zehn Gramm pro Portion. Viele Nahrungsergänzungsmittel erreichen diesen Richtwert nicht», sagt Craig. Seien diese Bedingungen erfüllt, liessen sich mit Nahrungsergänzungsmitteln langfristig positive Veränderungen erzielen, ist die Formettā-Gründerin überzeugt. Nicht umsonst gebe es das Sprichwort: «Genetics Loads the Gun, but the Environment Pulls the Trigger.» «Bis zu 90 Prozent der Anzeichen von Hautalterung werden durch einen ungesunden Lebenswandel verursacht – und lassen sich im Umkehrschluss durch passende Gegenmassnahmen verhindern.» Es können also auch alle aufatmen, die nicht mit der DNA eines Superstars gesegnet sind.